Rz. 16

Die Grenzziehung zwischen Sicherungspflege bzw. Behandlungspflege nach Abs. 2 als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundpflege als Leistung der gesetzlichen Pflegeversicherung nach dem SGB XI kann im Einzelfall schwierig sein. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog. Behandlungssicherungspflege, vgl. hierzu BSG, Urteil v. 28.1.1999, B 3 KR 4/98 R). Der Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege ist grundsätzlich nicht schon dann ausgeschlossen, wenn der Betroffene pflegebedürftig ist und zugleich Leistungen bei häuslicher Pflege aus der Pflegeversicherung erhält. Der Anspruch aus der Pflegeversicherung ruht hingegen, soweit im Rahmen des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auch ein Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung besteht (BSG, SozR 3-2500 § 37 Nr. 29). Die Behandlungssicherungspflege wird durch die gleichzeitige Gewährung von Grundpflege als Leistung der Pflegeversicherung nicht ausgeschlossen. Die sich aus diesem Spannungsverhältnis stellenden Fragen und deren im Folgenden dargestellten Lösungsansätze durch Rechtsprechung und Gesetzgebung sollen das Verständnis der Problematik erleichtern.

2.3.2.1 Rechtslage vor der Änderung durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG)

 

Rz. 17

Für den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XI war zunächst ausschließlich der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, die in § 14 Abs. 4 SGB XI (in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung) ausdrücklich aufgeführt sind und in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Grundpflege) sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufgeteilt werden, zu berücksichtigen. Nach der ursprünglichen Rechtsprechung des BSG kam eine Berücksichtigung krankheitsspezifischer Hilfeleistungen (sog. Behandlungspflege) als Hilfen bei Verrichtungen der Grundpflege und damit bei der Bemessung des Pflegebedarfs nach den §§ 14, 15 SGB XI nur dann in Betracht, wenn und soweit sie

  • Bestandteil der Hilfe für die sog. Katalog-Verrichtungen waren oder
  • im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dieser Hilfe erforderlich wurden

(BSG, Urteil v. 19.2.1998, B 3 P 3/97; BSG, Urteil v. 27.8.1998, B 10 KR 4/97 R; BSG, Urteil v. 22.8.2001, B 3 P 23/00 R).

Behandlungspflege war dann "Bestandteil einer Verrichtung", wenn sie mit der Verrichtung untrennbar verbunden war, wie etwa bei der Sondenernährung und der Stomaversorgung (Darmentleerung). Ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Verrichtung reichte nur dann aus, wenn die gleichzeitige oder unmittelbar vorhergehende oder anschließende Durchführung der krankheitsspezifischen Maßnahme objektiv erforderlich war (z. B. Pflegebad anstelle eines normalen Bades und anschließende Hautbehandlung bei einem Neurodermitis-Patienten, vgl. BSG, SozR 3 –3300 § 14 Nr. 9; verneint im Übrigen bei der Reinigung der Atemwege: BSG, SozR 3 – 3300 § 14 Nr. 11).

Die Begleitung eines Pflegebedürftigen zum Arzt, weil jener dabei nicht alleine gelassen werden kann, gehörte nach diesen Maßstäben unter dem Gesichtspunkt des Verlassens der Wohnung zwecks Aufrechterhaltung der Lebensführung zur Grundpflege und nicht zur Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 (BSG, SozR 3 – 3300 § 14 Nr. 6, 38). Andererseits war die Begleitung auf ärztlich empfohlenen Spaziergängen, die sich ebenfalls als Teil der ärztlichen Therapie darstellen, als Behandlungspflege anzusehen (BSG, SozR 3 – 3300 § 14 Nr. 16, 102). Ausgeschlossen wurde nur die Einbeziehung solcher Behandlungspflegemaßnahmen, die lediglich aus praktischen Gründen vom Betroffenen bzw. seinen Pflegepersonen im zeitlichen Zusammenhang mit einer Verrichtung der Grundpflege durchgeführt werden (vgl. insbesondere BSG, SozR 3 – 3300 § 14 Nr. 11). Die in das Belieben des Einzelnen gestellte tatsächliche Durchführung konnte eine Erhöhung des Leistungsumfangs der Pflegeversicherung nicht begründen. Der erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang mit einer Verrichtung konnte deshalb auch nicht allein mit einer entsprechenden Pflegepraxis im konkreten Fall begründet werden.

Sofern die genannten Voraussetzungen für die Annahme von Hilfen bei Verrichtungen der Grundpflege vorlagen, sollte ein Anspruch aus § 37 Abs. 2 nicht in Betracht kommen. Vielmehr war die Behandlungspflege dann Bestandteil der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach dem SGB XI (vgl. auch BSG, Urteil v. 30.10.2001, B 3 KR 2/01 R – Kompressionsstrümpfe). Eine auf diese Weise in die Pflegeversicherung einbezogene Maßnahme der Behandlungspflege begründete die ausschließliche Zuständigkeit der Krankenkasse und konnte deshalb nicht mehr als Maßnahme der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 gegenüber der Krankenkasse beansprucht werden. Dies galt nach der Rechtsprechung des BSG auch dann, wenn Behandlungspflege rund um die Uhr erforderlich war. In einem solchen Fall hatte die Krankenkasse nicht für die Zeiten zu lei...

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