0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Der Inhalt der Vorschrift war zuvor in § 170 a. F. enthalten. Durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) ist § 170 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 a. F. zum 1.1.2004 ergänzt worden. Danach müssen Arbeitszeitguthaben, die ausschließlich zur beruflichen Weiterbildung angespart wurden, nicht mehr aus Anlass der Kurzarbeit aufgelöst werden. Die Privilegierung solcher Guthaben hängt allerdings davon ab, dass ihr Aufbau kollektivrechtlich geregelt ist und die kollektivrechtliche Vereinbarung die Nutzung der Guthaben zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt bezweckt (BT-Drs. 15/1515, Begründung zu Art. 1 Nr. 90).

 

Rz. 2

Durch Gesetz zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung v. 24.4.2006 (BGBl. I S. 926) ist § 170 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 und 3 mit Wirkung zum 1.4.2006 neu gefasst worden (vgl. Art. 1 Nr. 8a und b, Art. 24 Abs. 1). § 170 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 a. F. bewahrte Arbeitnehmer im Fall von Arbeitsausfall mit Entgeltausfall davor, ihre zum Zwecke der Überbrückung von Arbeitsausfällen für Zeiten außerhalb der Schlechtwetterzeit gebildeten Arbeitszeitguthaben von bis zu 50 Stunden auflösen zu müssen. Nach § 170 Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 a. F. war ein Arbeitsausfall mit Entgeltausfall außerhalb der Schlechtwetterzeit auch unvermeidbar, wenn der Arbeitnehmer ein Arbeitszeitguthaben besitzt, welches zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kurzarbeitergeld (Saison-Kug) angespart worden ist und 150 Stunden nicht übersteigt.

Die Vorschrift ist zuletzt durch Art. 2 Nr. 18 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) zum 1.4.2012 geändert worden. Dabei sind die ehemals in den Vorschriften der §§ 169 ff. enthaltenen Regelungen zum Kug nun in die §§ 95 ff. überführt worden, ohne dass es dabei zu wesentlichen Änderungen gekommen wäre (vgl. BT-Drs. 17/6277, Begründung zu Art. 2 Nr. 18 S. 102).

1 Allgemeines

 

Rz. 3

In Abs. 1 ist beschrieben, wann ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt. In Abs. 2 ist klargestellt, dass wirtschaftliche Gründe auch dann vorliegen, wenn der Arbeitsausfall durch eine Veränderung der betrieblichen Strukturen verursacht wird, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt ist. Abs. 3 erläutert an Beispielen, in welchen Fällen ein "unabwendbares Ereignis" vorliegt. Wann ein Arbeitsausfall als vermeidbar oder nicht vermeidbar i. S. v. Abs. 1 Nr. 1 gilt, wird schließlich in Abs. 4 näher konkretisiert.

2 Rechtspraxis

2.1 Erheblicher Arbeitsausfall (Abs. 1)

2.1.1 Wirtschaftliche Gründe/Unabwendbares Ereignis (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1)

 

Rz. 4

Nach Abs. 1 Nr. 1 muss der Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Der Arbeitsausfall muss auf allgemeine wirtschaftliche Ursachen zurück zu führen sein (Mutschler, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 96 Rz. 8). Betriebsspezifische Ursachen, wie sie in Abs. 4 umschrieben sind, scheiden insofern als wirtschaftliche Gründe aus. Diese Abgrenzung beruht auf der Erwägung, dass betriebsspezifische Risiken grundsätzlich vom jeweiligen Betrieb zu tragen sind, währenddessen Risiken durch Arbeitsausfälle, die bedingt sind durch Störungen im Wirtschaftskreislauf durch die Gesamtheit der Beitragszahler zu tragen sind (BSG, Urteil v. 15.12.2005, B 7a AL 10/05 R; Bieback, in: Gagel, SGB III, § 96 Rz. 22).

 

Rz. 5

Nach der Rechtsprechung sind unter wirtschaftlichen Gründen solche Ursachen zu verstehen, die mit der Gesamtheit der laufenden Produktions- und Konsumvorgängen, also mit externen Wirtschaftsprozessen und ihren konjunkturellen, zyklisch verlaufenden Phasen sowie den hierfür verantwortlichen Strukturelementen wie den ökonomischen und außerökonomischen Rahmenbedingungen zusammenhängen (BSG, Urteil v. 21.6.2018, B 11 AL 4/17 R; BSG, Urteil v. 29.4.1998, B 7 AL 102/97 R). Hierunter sind neben konjunkturellen und strukturellen Störungen der Gesamtwirtschaftlage, wie z. B. Arbeitsmangel wegen Konjunkturstörungen (Rezession, sinkende Absatzmöglichkeiten), ferner Rohstoffmangel, Kapitalmangel, fehlende Transportmöglichkeiten wegen Störung öffentlicher Verkehrsmittel zu verstehen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 11.12.2014, B 11 AL 3/14 R; Schweiger, NZS 2017 S. 135). Der Begriff der "wirtschaftlichen Gründe" ist umfassend und schließt alle Arbeitsausfälle ein, die auf der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Betriebes beruhen und sich aus dessen Teilnahme am Wirtschaftsleben ergeben.

 

Beispiele für wirtschaftliche Gründe:

  • Konjunkturell bedingte Auftrags- Nachfragerückgänge,
  • Strukturelle Ursachen,
  • Grundlegende und allgemeine Änderungen in der technischen und organisatorischen Produktionsweise.
 

Rz. 6

Mit dem Begriff des wirtschaftlichen Grundes wird somit auf außerhalb der betrieblichen Sphäre liegende, von außen kommende allgemeine wirtschaftliche Ursachen für den Arbeitsausfall abgestellt. Ein Streit zwischen dem betroffenen Betrieb und deren Zulieferern und der dadurch bedingte Arbeitsausfall wegen nicht gelieferter Zubehörteile beruht nicht auf wirtschaftlichen Gründen i. S. v. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Vielmehr handelt es sic...

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