Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialpolitik. Anknüpfung an bestimmte Schwellenwerte für die Beschäftigtenzahl bei der Einsetzung von Personalvertretungsorganen. Berechnung der Schwellenwerte. Dem Unionsrecht entgegenstehende nationale Regelung. Rolle des nationalen Gerichts

 

Normenkette

Richtlinie 2002/14/EG; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 27

 

Beteiligte

Association de médiation sociale

Association de médiation sociale

Confédération générale du travail (CGT)

Union locale des syndicats CGT

Hichem Laboubi

Union départementale CGT des Bouches-du-Rhône

 

Tenor

Art. 27 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist für sich genommen oder in Verbindung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft dahin auszulegen, dass er, wenn eine nationale Bestimmung zur Umsetzung dieser Richtlinie, wie Art. L. 1111-3 des französischen Arbeitsgesetzbuchs, mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, in einem Rechtsstreit zwischen Privaten nicht geltend gemacht werden kann, um diese nationale Bestimmung unangewendet zu lassen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 11. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 16. April 2012, in dem Verfahren

Association de médiation sociale

gegen

Union locale des syndicats CGT,

Hichem Laboubi,

Union départementale CGT des Bouches-du-Rhône,

Confédération générale du travail (CGT)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič und M. Safjan sowie der Richter J. Malenovský, E. Levits (Berichterstatter), J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader, des Richters D. Šváby und der Richterinnen M. Berger und A. Prechal,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Union locale des syndicats CGT, von Herrn Laboubi, der Union départementale CGT des Bouches-du-Rhône und der Confédération générale du travail (CGT), vertreten durch H. Didier und F. Pinet, avocats,
  • der französischen Regierung, vertreten durch N. Rouam, G. de Bergues und J. Rossi als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch K. Petersen als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Noort und C. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch J. Faldyga, A. Siwek, B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren, D. Martin und G. Rozet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Juli 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 27 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 80, S. 29).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Association de médiation sociale (im Folgenden: AMS) einerseits und der Union locale des syndicats CGT, Herrn Laboubi, der Union départementale CGT des Bouches-du-Rhône und der Confédération générale du travail (CGT) andererseits über die Einsetzung von Personalvertretungsorganen bei der AMS durch den zuständigen Gewerkschaftsortsverband.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 27 der Charta lautet:

„Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Vertreter muss auf den geeigneten Ebenen eine rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung in den Fällen und unter den Voraussetzungen gewährleistet sein, die nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten vorgesehen sind.”

Rz. 4

Art. 1 („Gegenstand und Grundsätze”) der Richtlinie 2002/14 bestimmt:

„(1) Ziel dieser Richtlinie ist die Festlegung eines allgemeinen Rahmens mit Mindestvorschriften für das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer von in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen oder Betrieben.

(2) Die Modalitäten der Unterrichtung und Anhörung werden gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und den in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Praktiken im Bereich der Arbeitsbeziehungen so gestaltet und angewandt, dass ihre Wirksamkeit gewährleistet ist.

…”

Rz. 5

Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie lautet:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

d) ‚Arbeitnehmer’ eine Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat als Arbeitnehmer aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts ...

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