Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung. Tarifvertrag, der eine Vergünstigung im Hinblick auf Arbeitsentgelt und Arbeitsbedingungen Arbeitnehmern vorbehält, die eine Ehe schließen. Ausschluss von Partnern, die einen zivilen Solidaritätspakt schließen. Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Ausrichtung

 

Normenkette

Richtlinie 2000/78/EG

 

Beteiligte

Hay

Frédéric Hay

Crédit agricole mutuel de Charente-Maritime et des Deux-Sèvres

 

Tenor

Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer Tarifvertragsbestimmung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, nach der ein Arbeitnehmer, der einen zivilen Solidaritätspakt mit einer Person gleichen Geschlechts schließt, von dem Anspruch auf Vergünstigungen wie Sonderurlaubstage und eine Gehaltsprämie ausgeschlossen ist, die Arbeitnehmern aus Anlass ihrer Eheschließung gewährt werden, wenn die nationale Regelung des betreffenden Mitgliedstaats Personen gleichen Geschlechts die Eheschließung nicht gestattet, da der betroffene Arbeitnehmer sich unter Berücksichtigung des Zwecks und der Voraussetzungen der Gewährung dieser Vergünstigungen in einer Situation befindet, die mit der eines Arbeitnehmers, der eine Ehe schließt, vergleichbar ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 23. Mai 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Mai 2012, in dem Verfahren

Frédéric Hay

gegen

Crédit agricole mutuel de Charente-Maritime et des Deux-Sèvres

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász, A. Rosas, D. Šváby (Berichterstatter) und C. Vajda,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Hay, vertreten durch A. Lamamra, avocat,
  • des Crédit agricole mutuel de Charente-Maritime et des Deux-Sèvres, vertreten durch J.-J. Gatineau, avocat,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas und J. Rossi als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und D. Martin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Hay und seinem Arbeitgeber, dem Crédit agricole mutuel de Charente-Maritime et des Deux-Sèvres (im Folgenden: Crédit agricole), über dessen Weigerung, Herrn Hay nach Abschluss eines Pacte civil de solidarité (ziviler Solidaritätspakt) (im Folgenden: PACS) die Sonderurlaubstage und die Prämie zu gewähren, die für Mitarbeiter, die eine Ehe schließen, vorgesehen sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 heißt es:

„Diese Richtlinie lässt die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt.”

Rz. 4

Art. 1 der Richtlinie 2000/78 bestimmt:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.”

Rz. 5

Art. 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz’, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2) Im Sinne des Absatzes 1

  1. liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
  2. liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

    i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …

(5) Diese Richtlinie berührt nicht die im einzelstaatlichen Rec...

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