Zusammenfassung

 
Überblick

§ 87 BetrVG betrifft den Kernbereich der betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich in den von § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten auf eine Vorgehensweise oder Regelung einigen. Sie können zu diesem Zweck eine Betriebsvereinbarung schließen oder eine sonstige Abrede treffen. Gelingt dies nicht, entscheidet die Einigungsstelle, deren Spruch mit bindender Wirkung die Einigung zwischen den Betriebspartnern ersetzt (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Zweck der Mitbestimmung ist die gleichberechtigte Teilhabe der durch den Betriebsrat repräsentierten Arbeitnehmer an Entscheidungen, die sonst im Wege des Direktionsrechts vom Arbeitgeber einseitig angeordnet werden könnten. Bei der Mitbestimmung geht es aber nicht um die Egalisierung eines vertraglichen Ungleichgewichts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es ist vielmehr der Teilhabegedanke in sozialen Angelegenheiten, der bei der Mitbestimmung klar im Vordergrund steht.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Ausweislich der systematischen Stellung des § 87 BetrVG als erste Norm des dritten Abschnitts des Gesetzes sind von der Mitbestimmung die "sozialen Angelegenheiten" betroffen. Das Gesetz kennt daneben noch die Abschnitte "Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung" (4. Abschn. §§ 90 ff. BetrVG), "Personelle Angelegenheiten" (5. Abschn. §§ 92 ff. BetrVG) und "Wirtschaftliche Angelegenheiten" (6. Abschn. §§ 106 ff. BetrVG).

Die Intensität der Beteiligungsrechte des Betriebsrats ist bei den sozialen Angelegenheiten am stärksten und bei den wirtschaftlichen Angelegenheiten am schwächsten ausgeprägt. § 87 Abs. 1 BetrVG ist Ausdruck eines Konsenszwangs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

1 Grundsätze

Die in § 87 Abs. 1 BetrVG normierten Mitbestimmungsrechte erstrecken sich auf alle Betriebe, in denen ein handlungsfähiger Betriebsrat amtiert. Die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte ist nicht von einer bestimmten Betriebsgröße abhängig.

Die Erweiterung der erzwingbaren Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten durch einen Tarifvertrag wird überwiegend für zulässig erachtet.[1] Zuerst wurde eine tarifliche Regelung anerkannt, die die Mitbestimmung über die Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BetrVG) auf die regelmäßige Dauer der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit ausdehnte und die für die Streitentscheidung die Zuständigkeit der Einigungsstelle gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG begründete. Dabei wurde die tarifvertragliche Erweiterung der Mitbestimmung als Rechtsnorm über betriebsverfassungsrechtliche Fragen im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 (TVG) angesehen. Konsequenz ist, dass für die Geltung im Betrieb die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ausreicht. Nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer werden von dieser Regelung also auch erfasst.[2] Gegen die Erweiterung der Mitbestimmung mittels Tarifvertrags außerhalb der sozialen Angelegenheiten bestehen durchgreifende Bedenken, jedenfalls soweit es um wirtschaftliche Angelegenheiten geht.

Tarifbestimmungen, die vorsehen, dass der Arbeitgeber bestimmte Regelungen nur mit Zustimmung des Betriebsrats treffen kann, sind dann nicht als Erweiterung der Mitbestimmungsrechte zu werten, wenn der Arbeitgeber durch den Tarifvertrag erst bestimmte Rechte erhält, die dann allerdings unter einen Zustimmungs- oder Beteiligungsvorbehalt gestellt werden. In seinem eigenen Regelungsbereich kann der Tarifvertrag dem Betriebsrat nach herrschender Meinung unproblematisch zusätzliche Rechte einräumen und gegebenenfalls auch die Einigungsstelle instrumentalisieren.

Eingeschränkt oder aufgehoben werden darf die gesetzliche Mitbestimmung nach § 87 BetrVG indes nicht. Das Gesetz ist absolut zwingend.[3] Der in § 87 Abs. 1 Nr. 1–14 BetrVG aufgeführte Katalog von Mitbestimmungstatbeständen ist aus Sicht des Gesetzes abschließend.

1.1 Voraussetzungen und Schranken

1.1.1 Abgrenzung zu mitbestimmungsfreien Einzelfallmaßnahmen

Die Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG bestehen in der Regel nur in allgemeinen, kollektiven Angelegenheiten und nicht bei Einzelfallmaßnahmen ohne Bezug zur übrigen Belegschaft.

 
Praxis-Beispiel

Kein Mitbestimmungsrecht in Einzelfällen:

  • Festlegung einer individuellen Arbeitszeit für einen einzelnen Arbeitnehmer im Hinblick auf besondere persönliche Belange
  • Anordnung des Nachweises der Arbeitsunfähigkeit ab dem ersten Tag nach § 5 Abs. 1 EntgFZG
  • Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einen einzelnen Arbeitnehmer, sofern darüber Einvernehmen besteht (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG)

Es muss jeweils aus Sinn und Zweck der infrage stehenden Regelung entnommen werden, ob ein kollektiver Bezug vorhanden ist. Der kollektive Bezug entfällt nicht schon deshalb, weil der Arbeitgeber bereits einzelvertragliche Vereinbarungen mit den betroffenen Arbeitnehmern geschlossen hat.[1] Eine mitbestimmungsfreie einzelvertragliche Regelung liegt nur dann vor, wenn sie durch in...

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