Im Allgemeinen ist es rechtlich zulässig, befristete Arbeitsverhältnisse auch mehrfach hintereinander zu vereinbaren. Die europäische Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 enthält jedoch Vorgaben, um einen Missbrauch von Kettenbefristungen zu verhindern. Danach müssen die EU-Staaten befristete Verträge von einem Sachgrund abhängig machen oder für aufeinander folgende Zeitverträge eine Höchstdauer vorsehen oder eine Höchstzahl von Befristungen vorschreiben. Das TzBfG setzt diese EU-Vorgaben um, indem es für Befristungen nach einer Beschäftigungsdauer von insgesamt 2 Jahren einen sachlichen Grund verlangt.[1] Dabei nennt § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG beispielhaft 8 verschiedene Sachgründe, die einen befristeten Arbeitsvertrag rechtfertigen können. Einer dieser Sachgründe ist der eines nur vorübergehenden Bedarfs[2], von dem hauptsächlich in Vertretungsfällen Gebrauch gemacht wird.

Auch bei Kettenbefristungen kommt es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit immer nur auf den Sachgrund für die letzte Befristung an. Das BAG hatte allerdings Zweifel, ob Kettenbefristungen zum Zwecke der Vertretung eines abwesenden Arbeitskollegen europarechtlich schrankenlos zulässig sind oder ab einer sehr langen Gesamtdauer missbräuchlich sein können[3] und legte diese Frage deshalb zur Klärung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Der EuGH stellte in seinem Kücük-Urteil vom 26.1.2012 klar, dass befristete Arbeitsverträge auch nach langer Beschäftigungsdauer und bei einer großen Anzahl von hintereinander geschalteten Vertragsverlängerungen im Allgemeinen rechtens sind. Auch ein ständiger Vertretungsbedarf in größeren Betrieben oder Dienststellen ist erst einmal kein Grund, von einem Missbrauch der Vertretungsbefristung auszugehen. Allerdings hatte der EuGH angedeutet, dass die Gerichte mit zunehmender Gesamtdauer des Arbeitsvertrags genauer prüfen müssen, ob bei der zuletzt vereinbarten Befristung wirklich alles mit rechten Dingen zuging.

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Das BAG hat die dazu gebotene Prüfung nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs[4] vorgenommen. Danach ist bei einem Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG eine umfassende Kontrolle in der Regel geboten, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses 8 Jahre überschreitet oder mehr als 12 Verlängerungen vereinbart wurden oder wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses 6 Jahre überschreitet und mehr als 9 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden. Unter diesen Umständen hängt es von weiteren, zunächst vom Kläger vorzutragenden Umständen ab, ob ein Missbrauch der Befristungsmöglichkeit anzunehmen ist. Von einem indizierten Rechtsmissbrauch ist in der Regel auszugehen, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses 10 Jahre überschreitet oder mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder wenn mehr als 12 Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als 8 Jahre vorliegen. In derartigen Fällen hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften.[5]

Mit dem Kücük-Urteil hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung nicht aufgegeben, der zufolge es für die rechtliche Wirksamkeit einer Kettenbefristung immer nur auf den zuletzt vereinbarten befristeten Vertrag ankommt, d. h. darauf, ob zum Zeitpunkt der zuletzt vereinbarten Befristung ein Sachgrund vorlag oder nicht. Allerdings hat das BAG diese Rechtsprechung im Missbrauchsfall eingeschränkt. Die Besonderheit der Rechtsmissbrauchskontrolle besteht darin, dass eine rechtsmissbräuchliche Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen nicht mehr allein dadurch legitimiert wird, dass die letzte Befristung rechtlich nicht zu beanstanden ist. Da die Missbrauchskontrolle eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls verlangt, ist vergangenheitsbezogen anhand der Gesamtdauer der befristeten Verträge, die Anzahl der Vertragsverlängerungen sowie anhand des Umstandes, ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Arbeitsaufgaben beschäftigt worden ist, ob und in welcher Zahl und Dauer Unterbrechungen zwischen den befristeten Verträgen vorgelegen haben, zu prüfen, ob der Arbeitgeber trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Beschäftigung auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen durfte.[6]

Die Anzahl der wirksamen Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung kann abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG durch Tarifvertrag festgelegt werden.[7] Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

Mit Urteil vom 26.10.2016 hat das BAG nunmehr aus Gründen der Rechtssicherheit im Wege der Rechtsfortbildung konkretisiert, in welchem zeitlichen Umfang die Tarifvertragsparteien von § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG bei sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen Gebrauch machen dürfen. Danach kann durch Tarifvertrag geregelt werden, dass die sachgrundlose Befristung ei...

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