Rz. 101

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist eine Masseforderung, wenn das Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet.[1] Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO sind nur Verpflichtungen aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.

 
Achtung

Dasselbe gilt für den Zeitraum vor der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn ein Arbeitnehmer vom (starken vorläufigen) Insolvenzverwalter[2] zur Arbeitsleistung herangezogen worden ist (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO[3]).

Urlaubsabgeltungsansprüche sind insolvenzrechtlich wie Urlaubsansprüche zu behandeln. Es sind deshalb auch solche Urlaubsansprüche abzugelten, die aus Kalenderjahren vor der Insolvenzeröffnung stammen. Denn für die Beurteilung, wann der Urlaubsabgeltungsanspruch zu erfüllen ist, kommt es auf dessen Entstehenszeitpunkt an. Nach der Rechtsprechung des BAG zur Insolvenzordnung[4] ist hinsichtlich dieses Entstehungszeitpunkts auf das materielle Recht abzustellen. Danach setzt der Urlaubsabgeltungsanspruch voraus, dass der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann (§ 7 Abs. 4 BUrlG[5]). Er entsteht also erst zu diesem Zeitpunkt und ist daher nach Insolvenzeröffnung durch den Verwalter als Masseforderung zu erfüllen, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Insolvenzeröffnung endet. Das folgt auch aus der insolvenzrechtlichen Behandlung des Urlaubsanspruchs. Dieser bleibt als Anspruch auf Freistellung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt.[6] Ebenso wie sich beim Urlaubsanspruch eine rechnerische Zuordnung bestimmter Urlaubstage auf Zeitpunkte vor oder nach Eröffnung der Insolvenz verbietet, gilt dies auch bei der Urlaubsabgeltung.[7] Es kommt deshalb auch nicht mehr darauf an, ob die Dauer des Arbeitsverhältnisses nach Insolvenzeröffnung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgereicht hätte, den Freizeitanspruch zu gewähren.[8]

 
Hinweis

Zur Berechnung der Urlaubsabgeltung bei Kürzungen wegen einer Sozialplanmaßnahme.[9]

 

Rz. 102

Endet das Arbeitsverhältnis dagegen bereits vor Insolvenzeröffnung, handelt es sich beim Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers um eine einfache Insolvenzforderung nach § 108 Abs. 3 InsO, da er für die Zeit vor Insolvenzeröffnung entstanden ist. Diese hat der Arbeitnehmer als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) zur Insolvenztabelle anzumelden.

Soweit die Urlaubsabgeltung auch Urlaubsgeld enthält, ist auf die nachfolgenden Ausführungen unter Rz. 103 ff. zu verweisen.

[2] S. Rz. 100.
[3] BAG, Teilurteil v. 10.9.2020, 9 AZR 94/19 (A), NJW 2021, 183 ff.; BAG, Beschluss v. 16.2.2021, 9 AS 1/21, NZA 2021, 567 ff.; kritisch hierzu Krings, NZA 2021, 399, 401.
[4] BAG, Urteil v. 25.3.2003, 9 AZR 174/02, NZA 2004, 43; BAG, Urteil v. 15.2.2005, 9 AZR 78/04, NZA 2005, 1124; zur Rechtslage unter der Konkursordnung zu § 59 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 KO vgl. BAG, Urteil v. 21.5.1980, 5 AZR 441/78, NJW 1981, 79.
[6] S. Rz. 96 f.
[7] BAG, Urteil v. 25.3.2003, 9 AZR 174/02, NZA 2004, 43; BAG, Schlussurteil v. 25.11.2021, 6 AZR 94/19, NZA 2022, 366 ff.; BAG, Beschluss v. 16.2.2021, 9 AS 1/21, NZA 2021, 567 ff.; NK-ArbR/Regh, 1. Aufl. 2016, § 108 InsO, Rz. 31; a. A. Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl. 2019, § 55, Rz. 69, wonach ein Widerspruch zur Rechtsprechung zu § 209 InsO (Masseunzulänglichkeit, vgl. Rz. 107 ff.) besteht, weil für die rechtliche Qualifikation der Ansprüche bei Eröffnung andere Kriterien herangezogen würden als bei Anzeige der Masseunzulänglichkeit.
[8] So aber das frühere "Rückrechnungsprinzip" zu § 59 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 KO, vgl. nur BAG, Urteil v. 21.5.1980, 5 AZR 441/78, NJW 1981, 79.
[9] S. Rz. 102.

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