Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialpolitik. Richtlinie 2000/78/EG. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Art. 1 und 2 Abs. 1, 2 Buchst. a und 3 sowie Art. 3 Abs. 1 Buchst. c. Unmittelbare Diskriminierung wegen einer Behinderung. Belästigung im Zusammenhang mit einer Behinderung. Entlassung eines Arbeitnehmers, der selbst keine Behinderung hat, dessen Kind aber behindert ist. Einbeziehung. Beweislast

 

Beteiligte

Coleman

S. Coleman

Attridge Law

Steve Law

 

Tenor

1. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und insbesondere ihre Art. 1 und 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a sind dahin auszulegen, dass das dort vorgesehene Verbot der unmittelbaren Diskriminierung nicht auf Personen beschränkt ist, die selbst behindert sind. Erfährt ein Arbeitnehmer, der nicht selbst behindert ist, durch einen Arbeitgeber eine weniger günstige Behandlung, als ein anderer Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, und ist nachgewiesen, dass die Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der Behinderung seines Kindes erfolgt ist, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, deren es bedarf, so verstößt eine solche Behandlung gegen das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78.

2. Die Richtlinie 2000/78 und insbesondere ihre Art. 1 und 2 Abs. 1 und 3 sind dahin auszulegen, dass das dort vorgesehene Verbot der Belästigung nicht auf Personen beschränkt ist, die selbst behindert sind. Wird nachgewiesen, dass ein unerwünschtes Verhalten, das eine Belästigung darstellt und dem ein Arbeitnehmer ausgesetzt ist, der nicht selbst behindert ist, im Zusammenhang mit der Behinderung seines Kindes steht, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, deren es bedarf, so verstößt ein solches Verhalten gegen das Verbot der Belästigung in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Employment Tribunal London South (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 6. Juli 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juli 2006, in dem Verfahren

S. Coleman

gegen

Attridge Law,

Steve Law

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und A. Tizzano sowie der Richter M. Ilešič, J. Klučka, A. Ó Caoimh (Berichterstatter), T. von Danwitz und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2007, unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Coleman, vertreten durch R. Allen, QC, und P. Michell, Barrister,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von N. Paines, QC,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis und Z. Chatzipavlou als Bevollmächtigte,
  • von Irland, vertreten durch N. Travers, BL,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigten,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. ten Dam als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Enegren und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Januar 2008

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Coleman, Klägerin des Ausgangsverfahrens, und Attridge Law, einer Anwaltskanzlei, sowie einem Partner dieser Kanzlei, Herrn Steve Law, (im Folgenden gemeinsam: ehemaliger Arbeitgeber), wegen ihrer, wie Frau Coleman vorträgt, erzwungenen Kündigung.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Die Richtlinie 2000/78 wurde auf der Grundlage von Art. 13 EG erlassen. Ihre Erwägungsgründe 6, 11, 16, 17, 20, 27, 31 und 37 lauten:

„(6) In der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer wird anerkannt, wie wichtig die Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung und geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung älterer Menschen und von Menschen mit Behinderung sind.

(11) Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die Erreichung eines hohen Be...

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