Dieter Zens, Andreas Haßlbeck
Rz. 77
Als begünstigte Sonderfahrzeuge gelten nach § 3 Nr. 7 S. 2 KraftStG solche Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen Einrichtungen nur für die in § 3 Nr. 7 KraftStG bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt sind. Der Wortlaut des § 3 Nr. 7 KraftStG und der im Gesetzgebungsverfahren deutlich gewordene Wille des Gesetzgebers, land- und forstwirtschaftliche Betriebe zu begünstigen, setzt dem Anwendungsbereich der Vorschrift enge Grenzen (BFH v. 16.7.2014, II R 39/12, BFH/NV 2014, 1863, m. w. N.). Als Sonderfahrzeuge gelten danach nur solche Fahrzeuge, die sich objektiv nur für die begünstigten Zwecke eignen, ohne dass bei ihnen eine anderweitige "sinnvoll-praktische" Verwendung tatsächlich in Betracht kommt, es sei denn, diese andere Verwendung erscheint angesichts der Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs entgegen seiner vorgegebenen Bestimmung und eigentlichen Eignung "völlig zweckfremd" (BFH v. 12.11.2020, IV R 36/19, BFH/NV 2021, 652, und BFH v. 16.7.2014, a. a. O.).
Steuerbefreit sind Sonderfahrzeuge nur dann, wenn sie "ihrer Art nach" ausschließlich geeignet und bestimmt sind, in der Land- und Forstwirtschaft anfallende Leistungen zu erbringen (BFH v. 16.7.2014, II R 39/12, BFH/NV 2014, 1863). Fahrzeuge, die nicht nur in der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion, sondern auch in Gewerbebetrieben, z. B. in Betrieben der gewerblichen Viehwirtschaft, eingesetzt werden können, sind dagegen keine begünstigten Sonderfahrzeuge (BFH v. 12.11.2020, IV R 36/19, a. a. O., und BFH v. 16.7.2014, a. a. O.).
Für die Anerkennung eines Fahrzeugs als Sonderfahrzeug genügt es, dass es nach seiner Bauart und den besonderen, mit ihm fest verbundenen Einrichtungen nur für einen der in § 3 Nr. 7 KraftStG bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt ist. Auch Anhänger (einschl. Sattelanhänger) – vgl. § 2 Nr. 2 u. 19 FZV, Anh. A 1 – können Sonderfahrzeuge sein. Eine Sattelzugmaschine kann ebenfalls die Merkmale eines Sonderfahrzeugs i. S. d. Befreiungsvorschrift erfüllen, wenn sie nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihr fest verbundenen Einrichtungen nur zum Ziehen eines auf sie technisch abgestimmten Milchtankanhängers geeignet und bestimmt ist (BFH vom 26.9.1979, II R 171/75, BStBl II 1980, 30). Dagegen kann eine (serienmäßig hergestellte) Sattelzugmaschine, die keine technischen Besonderheiten aufweist und demgemäß allgemein zum Ziehen von Sattelanhängern (nicht nur Milchtank-Sattelanhängern) geeignet ist, kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht als Sonderfahrzeug qualifiziert werden. In derartigen Fällen kann die – nicht auf technischen Vorgaben beruhende – Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I, wonach das Fahrzeug nur zum Transport von Milch bestimmt sei und nur mit einem (in der Zulassungsbescheinigung bezeichneten) Auflieger genutzt werden dürfe, allein eine Einstufung als Sonderfahrzeug nicht rechtfertigen (FG Münster v. 3.8.2010, 13 K 3898/08 Kfz). Die steuerrechtliche Beurteilung hängt nicht von der Bezeichnung des Fahrzeugs in den Fahrzeugpapieren ab (48).
Der Begriff des steuerbegünstigten "Sonderfahrzeugs" ist ausschließlich in der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 7 KraftStG definiert (BFH v. 12.11.2020, IV R 36/19, BFH/NV 2021, 652). Kraftfahrzeugsteuerrechtliche Befreiungsnormen sind grundsätzlich aus sich selbst heraus auszulegen und anzuwenden (BFH v. 7.11.1989, VII R 115/87, BStBl II 1990, 251, und BFH v. 22.9.1992, VII R 45/92, BStBl II 1993, 200; vgl. auch Rz. 8). Daran ändert auch die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG (in der Neufassung durch das VerkehrStÄndG v. 5.12.2012, BGBl I 2012, 2431; BStBl I 2012, 1242; vgl. Einf., Rz. 37r Nr. 10) nichts. Nach dieser Bestimmung sind zwar für die Beurteilung der Fahrzeugklassen und Aufbauarten die Feststellungen der Zulassungsbehörden verbindlich (BFH v. 21.2.2019, III R 20/18, BFH/NV 2019, 1031; vgl. Rz. 12 u. 13). In Bezug auf kraftfahrzeugsteuerrechtlich begünstigte Sonderfahrzeuge i. S. d. § 3 Nr. 7 S. 2 KraftStG sind jedoch in verkehrsrechtlicher Hinsicht spezifische Fahrzeugklassen und Aufbauarten, die für die Zollbehörden verbindlich sein könnten, nicht festgelegt (BFH v. 12.11.2020, IV R 36/19, a. a. O.). § 2 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG findet daher insoweit keine Anwendung.
Rz. 78
Es entspricht dem Wortlaut des Gesetzes und widerspricht auch nicht seinem Sinn und Zweck, wenn die Befreiungsvorschrift dahin ausgelegt wird, dass Spezialfahrzeuge, die auch außerhalb der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe verwendet werden können (d. h. hierfür tauglich, brauchbar sind), auch dann nicht steuerbefreit sind, wenn sie tatsächlich nur in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden (BFH v. 30.1.1963, II 69/62 U, BStBl III 1963, 191; BFH v. 19.12.1973, II R 180/72, BStBl II 1974, 182; BFH v. 19.9.1984, II R 139/82, BStBl II 1985, 108; BFH v. 5.10.1993, VII R 43/93, BFH/NV 1994, 577, und BFH v. 12.11.2020, IV R 36/19, BFH/NV 2021, 652). So kann z. B. ein in einem landw...