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BFH Urteil vom 31.07.1963 - I 164/62 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die kurz vor dem Ende eines Wirtschaftsjahres vorgenommene Erhöhung der Gehaltsbezüge eines beherrschenden Gesellschafter- Geschäftsführers einer GmbH fällt auch dann unter das in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelte grundsätzliche Rückwirkungsverbot, wenn die Gehaltserhöhung nicht über den laufenden Veranlagungszeitraum zurückgreift und tantiemeartige Bezüge zum Gegenstand hat.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 4

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 11.07.1967; Aktenzeichen 1 BvR 495/63, 1 BvR 325/66)

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit geht um die Zulässigkeit einer rückwirkenden Sondervergütung, die eine GmbH ihrem maßgebenden Gesellschafter- Geschäftsführer kurz vor dem Ende eines Wirtschaftsjahres gewährt hat.

Die Eheleute K. waren am Stammkapital der beschwerdeführenden GmbH im Wirtschaftsjahr vom 1. Juli 1959 bis 30. Juni 1960 zu je 50% beteiligt und gleichberechtigte Geschäftsführer der GmbH. Neben vertragsmäßigen Bezügen der Frau K. von 9 655 DM und des Herrn K. von 20 424 DM wurde diesem laut Gesellschafterbeschluß vom 26. Juni 1960 eine Gehaltszuwendung von 10.000 DM gewährt, "weil seine Bezüge erheblich hinter denen der Angestellten der Gesellschaft zurückgeblieben sind". Dieser Betrag wurde in der Bilanz der GmbH zum 30. Juni 1960 als "Sondervergütung" zurückgestellt. Ab 1. Juli 1960 wurde Herrn K. ohne änderung seiner sonstigen Gehaltsbezüge eine Tantieme von 30% des steuerlichen Gewinns der GmbH zuerkannt.

Das Finanzamt erkannte die Rückstellung von 10 000 DM nicht an, da es sie als rückwirkende Gehaltserhöhung ansah. Die Sprungberufung der Bgin. hatte Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Die vom Finanzamt für seine Auffassung angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betreffe Fälle, bei denen die Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH unentgeltlich ihre Tätigkeit ausgeübt hätten, während hier unstreitig Anstellungsverträge vorgelegen hätten. Die von der GmbH getroffene Maßnahme beruhe auf klaren und bürgerlich-rechtlich wirksamen Vereinbarungen. Für die Entscheidung komme es auf zwei Faktoren an, wie dies aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 4-5/55 U vom 31. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 288, Slg. Bd. 63 S. 237) hervorgehe:

Anstellungsverträge mit einem bisher unentgeltlich tätig gewesenen Gesellschafter könnten nicht mehr am Ende eines Geschäftsjahres mit Wirkung für den bereits verflossenen Teil dieses Geschäftsjahrs abgeschlossen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs I 116/60 U vom 25. Oktober 1960, BStBl 1961 III S. 94, Slg. Bd. 72 S. 249: keine Rückwirkung eines im September abgeschlossenen Vertrags auf den 1. Januar desselben Jahres). Die rechtliche Grundlage einer Gehaltszahlung müsse bereits am Beginn des Geschäftsjahrs durch einen bürgerlich-rechtlich wirksamen Anstellungsvertrag gegeben sein.

Unter der Voraussetzung zu 1. stehe einer rechtsverbindlichen Gehaltserhöhung mit Wirkung für das ganze Geschäftsjahr selbst an dessen Ende innerhalb der Angemessenheitsgrenze nichts entgegen.

Diese Erfordernisse seien im vorliegenden Fall erfüllt. Am 1. Juli 1959 habe ein rechtlich wirksamer Anstellungsvertrag bestanden und die Gehaltserhöhung vom 26. Juni 1960 sei in rechtlich bindender Form erfolgt. Die Aufwendungen der Bgin. für ihren Gesellschafter-Geschäftsführer mit zusammen 30 424 DM seien angemessen und in dieser Höhe auch für einen fremden Geschäftsführer erforderlich gewesen.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts durch das Finanzgericht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei für den Zeitpunkt der Anerkennung eines Schuldverhältnisses der Tag des Vertragsabschlusses maßgebend. Der Beginn der Wirksamkeit von Verträgen dürfe nicht unterschiedlich beurteilt werden, je nachdem, ob es sich um die erstmalige Festlegung oder um die Erhöhung von Gehaltsbezügen handele. Die zusätzliche Vergütung von 10 000 DM sei eine Gehaltsnachzahlung, die nicht als Betriebsausgabe anerkannt werden könne, sondern als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werden müsse. Das gelte um so mehr, als die Vereinbarung in einem Zeitpunkt getroffen worden sei, in dem der Gewinn 1959/1960 praktisch schon festgelegen habe. Demgegenüber könne die Auffassung der Bgin., daß die Sondervergütung nicht Dienstleistungen, sondern die Verantwortlichkeit und unternehmerischen Erfolge des Geschäftsführers der GmbH in dem Wirtschaftsjahr 1959/1960 habe abgelten sollen, an der steuerlichen Beurteilung nichts ändern; auch die gesonderte Honorierung sei nur ein unselbständiger Teil der Gesamtvergütung eines Geschäftsführers.

Die Bgin. macht geltend, das Finanzamt stelle in seiner rechtlichen Beurteilung von Gehaltsvereinbarungen einer Kapitalgesellschaft mit ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer strengere Anforderungen als bei einem fremden, an der Gesellschaft nicht beteiligten Geschäftsführer, dem eine auch noch kurz vor dem Bilanzstichtag errechnete Tantieme steuerlich zuerkannt werden müßte. Darin könne eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Kapitalgesellschaften erblickt werden. Diesem Einwand hält der Vorsteher des Finanzamts entgegen, daß die Doppelstellung des Gesellschafter- Geschäftsführers einer GmbH es erforderlich mache, eindeutig festzulegen, ob der Zahlungsgrund einer Vergütung die gesellschaftsrechtliche Gewinnbeteiligung oder das Anstellungsverhältnis sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Vorsteher des Finanzamts geht mit Recht von einer unzulässigen rückwirkenden Gehaltserhöhung aus, wie sie der Bundesfinanzhof in den Urteilen I 47/55 U vom 11. Oktober 1955 (BStBl 1955 III S. 397, Slg. Bd. 61 S. 515), I 4-5/55 U vom 31. Juli 1956 (a. a. O.), I 128/57 U vom 15. April 1958 (BStBl 1958 III S. 428, Slg. Bd. 67 S. 407), I 190/57 U vom 24. Juni 1958 (BStBl 1958 III S. 381, Slg. Bd. 67 S. 281) und I 4/59 S vom 4. August 1959 (BStBl 1959 III S. 374, Slg. Bd. 69 S. 299) angenommen hat.

Nach Auffassung des Finanzgerichts handelt es sich bei allen diesen Entscheidungen im Gegensatz zum vorliegenden Fall um ursprünglich ohne Anstellungsvertrag unentgeltlich tätig gewesene Gesellschafter-Geschäftsführer, denen nachträglich ein Gehalt bewilligt wurde. Hierin kann dem Finanzgericht nicht gefolgt werden. Die erwähnten Urteile des Bundesfinanzhofs haben, soweit sie Gesellschafter-Geschäftsführer betreffen, entgeltliche Angestelltenverhältnisse zum Gegenstand. Eine Ausnahme hiervon macht nur das Urteil des Senats I 47/55 U, das rückwirkende Gehaltsgewährungen für eine zunächst unentgeltlich geleistete Arbeit betrifft.

Wenn sich auch die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung beinahe ausschließlich mit nachträglichen Gehaltsvereinbarungen befaßt hat, bei denen die Rückwirkung bereits abgeschlossene frühere Veranlagungszeiträume betraf, so ist die gleiche rechtliche Beurteilung auch auf nachträgliche Gehaltsvereinbarungen für den laufenden Veranlagungszeitraum anzuwenden.

Zwar wird nur durch rückwirkende Gehaltsregelungen für zurückliegende Veranlagungszeiträume die von der dynamischen Bilanzauffassung geforderte periodengerechte Zuweisung des Gehaltsaufwandes nicht gewahrt. Es mag auch zutreffen, daß durch eine nachträgliche Gehaltsvereinbarung im laufenden Veranlagungszeitraum die bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH einzuhaltende Angemessenheitsgrenze der Gesamtbezüge nicht überschritten würde.

Die Rechtsprechung des obersten Steuergerichts hat es stets grundsätzlich abgelehnt, Betriebsvorgänge, die vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen, mit Rückwirkung für die Vergangenheit ändern oder umgestalten und daraus die gleichen steuerlichen Folgerungen ziehen zu lassen, wie wenn die entsprechenden Maßnahmen rechtzeitig vorher getroffen worden wären. Diese Beurteilung entspricht nicht nur einem für die überprüfung steuerlicher Verhältnisse erforderlichen Ordnungsprinzip, sondern hat in erster Linie den Zweck, mögliche Gewinnmanipulationen zu unterbinden, deren Vorliegen vielfach nur auf inneren Erwägungen der beteiligten Personen beruht, die sich der genauen überprüfung entziehen. Dies gilt in besonderem Masse für die Gehaltsregelung bei maßgebenden Gesellschafter-Geschäftsführern wegen ihrer gesellschafts- und arbeitsrechtlichen Doppelstellung in der von ihnen beherrschten GmbH.

Es kann auch der Bgin. nicht darin gefolgt werden, daß die hier gewählte "Sondervergütung" etwas wesensmäßig anderes sei als die laufenden monatlichen Gehaltsbezüge des Gesellschafter- Geschäftsführers. Es handelt sich um einen Teil der Gesamtleistung der GmbH an ihren Geschäftsführer.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs besteht keine Vermutung, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH Angestellter ist (so das oben erwähnte Urteil I 47/55 U). Er kann für die GmbH unentgeltlich, gegen ein das übliche Ausmaß unterschreitendes Entgelt oder gegen eine angemessene Vergütung tätig sein. Diese verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten erfordern es, daß klar und eindeutig vereinbart sein muß, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Entgelt bezahlt werden soll. Für eine zurückliegende Zeit kann weder ein Gehalt vereinbart oder der Höhe nach bestimmt, noch ein bereits vereinbartes Gehalt erhöht werden. Ließe man nachträgliche Gehaltsvereinbarungen zu, so könnte der Gewinn willkürlich so beeinflußt werden, wie es bei einer Beurteilung der steuerlichen Auswirkungen jeweils am günstigsten ist.

Der Streitfall bietet keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Die Vorentscheidung, die von anderen Erwägungen ausgegangen ist, war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da das Finanzamt die Rückstellung mit Recht nicht anerkannt hat, war die Sprungberufung der Bgin. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410899

BStBl III 1963, 440

BFHE 1964, 328

BFHE 77, 328

BB 1963, 1086

DB 1963, 1274

DStR 1962/63, 64A

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