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BFH Urteil vom 13.11.1969 - IV R 22/67

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Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Beweislast und der Beweiswürdigung bei Feststellung eines nicht versteuerten Vermögenszuwachses.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1-2, § 96 Abs. 1

 

Gründe

Aus den Gründen:

Wie in der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. außer dem im 1. Rechtsgang ergangenen Urteil IV 359/58 vom 10. November 1961, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 217, Rechtsspruch 45, die weiteren Urteile IV R 75/66, IV R 152/66 vom 3. August 1966, BFH 86, 736, BStBl III 1966, 650, und IV 142, 311/63 vom 20. Oktober 1966, BFH 87, 504, BStBl III 1967, 201) anerkannt ist, darf die Tatsacheninstanz bei der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung annehmen, daß ein nicht aufgeklärter Vermögenszuwachs aus Einkünften herrührt, die nicht versteuert wurden. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen. In der Regel wird das Vermögen eines Steuerpflichtigen durch die im Einkommensteuerrecht geregelten, Einkünfte hervorbringenden Tatbestände gemehrt. Diese Mehrung ist der Einkommensteuer unterworfen. Daneben ist es denkbar, daß ein Steuerpflichtiger auf andere Weise Vermögen hinzu erwirbt. Doch wird es sich dabei in aller Regel um einmalige, leicht feststellbare und in der Erinnerung des Steuerpflichtigen haften bleibende Sachverhalte handeln, wie z. B. Schenkung, Erbgang, Darlehen oder Entschädigung. Auch Spiel- oder Lotteriegewinne rechnen hierher, wobei allerdings Spielgewinne oft nicht durch einmaliges Spiel, sondern durch eine längere, sich oft über Jahre erstreckende und nicht leicht nachweisbare Betätigung erzielt werden. Stellt sich heraus, daß ein Steuerpflichtiger ein Vermögen erworben hat, das (unter Berücksichtigung seiner Ausgaben) nicht aus dem von ihm in seinen Steuererklärungen gegebenen Einkünften stammen kann, so gehört es zu den ihm im Rahmen des Steuerrechtsverhältnisses obliegenden Mitwirkungspflichten, darzulegen, auf Grund welcher Ausnahme sachverhalte er das Mehr an Vermögen erworben hat. Das hat weder etwas mit der vom Steuerpflichtigen angesprochenen Frage einer Beweislast zu tun, noch liegt hier ein "Beweisnotstand" des Steuerpflichtigen vor. Denn wenn überhaupt jemand den Vermögenszuwachs erklären kann, so ist es der Steuerpflichtige, und wenn sich überhaupt jemand in einem "Beweisnotstand" befindet, so ist es das FA.

Die Aufklärungs- und Ermittlungspflicht des FG (und des FA) erfordern, daß die Angaben des Steuerpflichtigen sorgfältig überprüft werden und etwaigen sonstigen Anhaltspunkten auch von Amts wegen nachgegangen wird. Hat das FG dieser Verpflichtung gemäß gehandelt, so hat es zweierlei richterliche Akte zu vollziehen. Es hat zunächst die Ergebnisse der Beweisaufnahme dahin zu würdigen, ob ihm der Vermögenszuwachs geklärt erscheint. Dabei kommt es - entgegen der Ansicht des Steuerpflichtigen - nicht darauf an, ob eine mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeit für den vom Steuerpflichtigen behaupteten Vorgang spricht, sondern, ob sich der Vorgang nach der Überzeugung des Gerichts so abgespielt hat, wie ihn der Steuerpflichtige geschildert hat. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß das nicht der Fall ist, so ist nicht etwa der Steuerpflichtige "beweisfällig" geblieben, sondern es ist trotz seiner Mitwirkungspflicht und trotz der Ermittlungspflicht des Gerichts ungeklärt geblieben, woher der nicht bei der Einkommensbesteuerung erfaßte Vermögensgewinn rührt, besteht also die ursprüngliche Lage fort.

Sodann hat sich das Gericht darüber schlüssig zu werden, ob der Vermögenszuwachs auf steuerpflichtigen Vorgängen beruht. Es hat dies auf Grund freier Beweiswürdigung zu tun. Es muß nicht aus der Tatsache, daß die Klärung des Vermögenszuwachses nicht gelungen ist, den Schluß ziehen, daß es sich um steuerpflichtige Vorgänge gehandelt habe, was die notwendige Folge wäre, wenn man den Steuerpflichtigen für "beweispflichtig" hielte, er also "beweisfällig" geblieben wäre. Doch kann das Gericht den Schluß ziehen, daß der ungeklärte Vermögenszuwachs aus unversteuerten Einnahmen stammt. Es bestehen in der Regel keine Bedenken, daß es mangels anderer Anhaltspunkte für einen vom Normalfall von Vermögenszuflüssen durch einkommensteuerpflichtige Vorgänge abweichenden Sachverhalt diesen Schluß zieht.

Beide Entschließungen des Gerichts liegen auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung. Sie sind daher für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, daß dem FG Verstöße gegen die Verfahrensregeln, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze unterlaufen sind (§ 118 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 68876

BStBl II 1970, 189

BFHE 1970, 409

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