Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Lehrverpflichtung eines Diplomchemikers
Orientierungssatz
Von einem Diplomchemiker, der sich gegenüber seiner Arbeitgeberin, einer medizinischen Hochschule, arbeitsvertraglich verpflichtet hat, auf Verlangen auch Lehrveranstaltungen abzuhalten, kann verlangt werden, Anfangssemester in den Fächern Anatomie und Biologie zu unterrichten.
Normenkette
BGB §§ 157, 315, 611, 133; ZPO §§ 286, 320
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 20.12.1984; Aktenzeichen 12 Sa 35/83) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 05.01.1983; Aktenzeichen 6 Ca 513/82) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, bestimmte Lehrveranstaltungen für Anfangssemester an der Medizinischen Hochschule Hannover (im folgenden kurz: MHH) des beklagten Landes abzuhalten.
Der am 4. August 1931 geborene Kläger ist Diplomchemiker und verfügt über Kenntnisse auf dem Gebiet der Datenverarbeitung. Außerdem hat er früher bei anderen Arbeitgebern Lehraufgaben im Fach Chemie wahrgenommen. Der Kläger ist seit dem 1. Juni 1972 aufgrund des (später auf unbefristete Zeit verlängerten) Vertrages vom 22. Juni 1972 an der MHH als Angestellter beschäftigt und erhält Bezüge nach der VergGr. II a der Anlage 1 a zum BAT.
Das Angestelltenverhältnis bestimmt sich nach dem BAT (§ 2 des Arbeitsvertrages). § 3 des Vertrages lautet:
Der Angestellte ist verpflichtet, in Forschung
und Lehre mitzuwirken und auf Verlangen auch
Lehrveranstaltungen selbständig oder gemeinsam
mit einem Hochschullehrer abzuhalten. Neben der
Erfüllung dieser Aufgaben ist ihm in angemessenem
Umfang, d.h. in der Regel zu einem Drittel der
regelmäßigen Arbeitszeit, Gelegenheit zu eigener
wissenschaftlicher Arbeit innerhalb der Arbeits-
zeit zu geben.
Der Kläger arbeitet seit Beginn seiner Tätigkeit in der Abteilung Allgemeine Anatomie des Zentrums Anatomie. Während er in den ersten Jahren des Arbeitsverhältnisses in der Forschungsgruppe des am 27. November 1980 verstorbenen Professors Dr. M mit chemischen Fragen befaßt war, die in das Gebiet der Histologie hineinreichten, ist er später auch bei der elektronischen Auswertung von Meßdaten sowie auf den Gebieten der Informatik und Biomathematik, jedoch ohne Lehraufgaben tätig geworden. Erstmals im Wintersemester 1981/82 wurde der Kläger zur Organisation von Kursen (Vorbereitung und Nachbereitung von Kurs-Lehrveranstaltungen) herangezogen und sollte für das Studienjahr 1982/83 auch als Unterrichtender Kurse für mikroskopische Anatomie einschließlich Neuroanatomie sowie biologische Praktika abhalten. Mit seiner Klage begehrt er die Feststellung, daß er nicht verpflichtet sei, Lehraufgaben dieser Art zu erfüllen.
Unstreitig ist zwischen den Parteien, daß Prof. Dr. M unter dem 19. Juni 1972 an den Kurator der MHH wegen der Bewerbung des Klägers ein Schreiben gerichtet hat, in dem es heißt:
"Ich bitte den Anstellungsvertrag vorläufig
mit einem Jahr zu befristen. Dies aus dem
Grund, da Herr Poesche Diplom-Chemiker ist.
Zwar sucht das Institut bereits seit Jahren
nach einem Mitarbeiter mit voller chemischer
Ausbildung, jedoch kann von vornherein nicht
gesagt werden, ob sich ein zwar fachlich quali-
fizierter Bewerber auch für die Aufgaben der
Histochemie eignet, vor allem, ob er sich mit
den Problemstellungen des Instituts identi-
fizieren kann. Eine übliche Probezeit ist für
ein abschließendes Urteil auch nicht aus-
reichend lang genug. Falls aber keine Eignung
vorliegt, dann ist die Stelle fehlbesetzt, da
wir einen Chemiker nicht anderwärtig, nicht
einmal im üblichen Anatomieunterricht ein-
setzen können."
Unstreitig hat sich Prof. Dr. M mit Datum vom 4. Mai 1972 brieflich an den Kläger gewandt und ihm unter anderem mitgeteilt:
"Wie ich in unserem Gespräch betont habe, sind
wir an einem Chemiker interessiert, der bereit
ist, die chemische Seite unserer Probleme zu
bearbeiten. Da unsere Arbeitsgruppe durchaus
auf Zusammenarbeit eingestellt und angewiesen
ist, setzen wir voraus, daß Sie sich innig
an unsere Arbeitsgruppe anschließen und sich
für unsere Problematik interessieren. Darüber
hinaus werden Sie die Aufgabe erhalten, die
chemischen Einrichtungen des Institutes ver-
antwortlich zu überwachen. Desweiteren legen
wir großen Wert darauf, daß Sie sich mit den
Grundbegriffen der Zell- und Gewebelehre im
Rahmen des üblichen Lehrbetriebs auseinander-
setzen. Dies ist notwendig, damit Sie das
Verständnis für unsere Probleme bekommen.
Darüber hinaus hat es für Sie den Vorteil,
daß Sie auch in den - nicht sehr großen -
Unterrichtsaufgaben eingesetzt werden können,
was mit einer Unterrichtszulage vergütet
wird."
Der Kläger hat vorgetragen: Er sei nicht Mediziner, sondern Chemiker und als solcher eingestellt worden. Bei seiner Bewerbung im Jahre 1972 habe ihm Prof. Dr. M gesagt, er suche für seine Abteilung einen "Hauschemiker". Es tauchten immer wieder Fragen auf, die nur ein Chemiker zuverlässig beantworten könne. Nach dem Anstellungsvertrag - in der Ausgestaltung, die dieser durch den tatsächlichen Verlauf des Arbeitsverhältnisses erfahren habe - könne er, der Kläger, als Chemiker und als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der EDV eingesetzt werden. Dagegen sei er nicht verpflichtet, Lehrveranstaltungen jeder Art abzuhalten. Das ergebe sich weder daraus, daß er nach dem Vertrag bei der MHH eingestellt sei noch daraus, daß er tatsächlich am Anatomischen Institut dieser Hochschule tätig sei. Die Verpflichtung aus § 3 des Arbeitsvertrages beinhalte lediglich die Abhaltung von Lehrveranstaltungen im Bereich der Chemie. Die Hochschule habe zahlreiche Aufgaben für Chemiker, die deshalb auch in ihrem eigenen Fachgebiet Lehrveranstaltungen abhielten. Die Abteilung Anatomie, der er, der Kläger, zugewiesen worden sei, habe ihn aber nur als Chemiker für sein eigenes Fachgebiet und nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter zur Abhaltung medizinischer Lehrveranstaltungen haben wollen.
Das Direktionsrecht des beklagten Landes als Arbeitgeber finde seine Schranke an dem aus den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe II a BAT (Angestellte mit abgeschlossener Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit) sich ergebenden Umsetzungsrahmen. Danach könne er, der Kläger, in jeder Tätigkeit verwendet werden, die dem abgeschlossenen Hochschulstudium der Chemie entspreche. Daß die ihm übertragenen Lehrveranstaltungen seinem Hochschulstudium als Diplomchemiker nicht entsprächen, ein solches Studium aber auch nicht voraussetzten, ergebe sich aus dem Gegenstand der Kurse.
Schließlich müsse der vorgesehene Einsatz auch aus Gründen der Billigkeit scheitern. Er, der Kläger, verstehe von Anatomie, Mikroanatomie, Neuroanatomie und Biologie nichts. Von 1972 bis 1981 sei von ihm nicht verlangt worden, diese Gebiete wissenschaftlich zu erlernen, so daß er sie dann selbst in Kursen und Praktika unterrichten könne. Er sei nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage, sich den keinesfalls schmalen Lehrstoff so anzueignen, daß er ihn als Unterweisender den Studenten nahebringen könne.
Demgemäß hat der Kläger beantragt
festzustellen, daß er nicht verpflichtet ist,
Lehraufgaben in den Kursen der mikroskopischen
Anatomie, der Neuroanatomie und des biologischen
Praktikums zu erfüllen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat geltend gemacht: Aus der in § 3 des Arbeitsvertrages enthaltenen Verpflichtung zur Lehrtätigkeit und dem Umstand, daß er im Fachgebiet Anatomie tätig sei, folge die Pflicht des Klägers, auch Lehraufgaben im Zentrum Anatomie wahrzunehmen. Ein Naturwissenschaftler mit abgeschlossener Hochschulbildung müsse nach kurzer Einarbeitungszeit in der Lage sein, in einem Nachbarfach bei Anfangssemestern lehrend tätig zu werden. Der Kläger sei bereits vor seiner Einstellung in Forschung und Lehre im Bereich der organischen Chemie tätig gewesen. Diese Tatsache sei auch als Voraussetzung für seine Einstellung angesehen worden.
Bereits vor seiner Einstellung sei der Kläger von Prof. Dr. M darauf hingewiesen worden, es werde großer Wert darauf gelegt, daß er sich mit den Grundbegriffen der Zell- und Gewebelehre im Rahmen des üblichen Lehrbetriebes auseinandersetze. Dies sei notwendig, um Verständnis für die Probleme des Instituts zu gewinnen. Darüber hinaus habe der Kläger sich diese Grundbegriffe aneignen sollen, um für Unterrichtsaufgaben eingesetzt werden zu können.
Im Rahmen der Hochschulforschung sei es immer notwendig, interdisziplinär zu arbeiten. Bei einer interdisziplinären Zusammenarbeit seien auch solche wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Lehre zu beteiligen, die sich erst in ein Fach einarbeiten müßten. Die Behandlung tiefergehender Fragen werde vom Kläger gar nicht verlangt. Aufgabe seiner Lehrveranstaltung solle es sein, Studenten in vorklinischen Semestern einen Stoff zu vermitteln, der keine besonderen Anforderungen stelle. Bei dem Fachgebiet Anatomie handele es sich um ein sogenanntes Massenfach. Im wesentlichen sei das bisherige Wissen über den Körperbau des Menschen darzustellen. Darüber hinaus gebe es in großem Umfang typische Fachliteratur und Fachatlanten. Das Zentrum Anatomie der MHH habe eine umfangreiche Material- und Objektsammlung vorrätig. In den vorangegangenen 15 Jahren seien Medizinstudenten an der MHH im Fachgebiet Anatomie in großem Umfang von Nichtmedizinern - Naturwissenschaftlern - unterricht worden. Die Erfolgsquoten der Studenten der MHH lägen im oberen Durchschnitt der Bundesrepublik. Im Zentrum Anatomie sei mehr als die Hälfte der wissenschaftlichen Mitarbeiter Nichtmediziner.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger sein Klageziel weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß das beklagte Land aufgrund seines Direktionsrechts befugt ist, von dem Kläger die Übernahme der zugewiesenen Lehraufgaben zu verlangen.
I. 1. Im Arbeitsvertrag vom 22. Juni 1972 ist der Aufgabenbereich des Klägers nur rahmenmäßig dahin umschrieben, daß der Kläger "in Forschung und Lehre mitzuwirken" hat. Daneben ist ihm ausdrücklich zur Pflicht gemacht, "auf Verlangen auch Lehrveranstaltungen selbständig oder gemeinsam mit einem Hochschullehrer abzuhalten" (§ 3). Das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitsvertrag dahin ausgelegt, daß die Arbeitspflicht des Klägers sich auf jede Beschäftigung im Rahmen der Verwendungsmöglichkeit eines Diplomchemikers in einer medizinischen Hochschule unter Beachtung der vereinbarten Vergütungsgruppe erstreckt und daß eine Beschränkung der Mitwirkung bei Lehrveranstaltungen auf den Bereich der Chemie darin nicht vorgesehen ist. Das Landesarbeitsgericht hat daraus, daß in § 3 des Formulararbeitsvertrages die für medizinisch gebildete Mitarbeiter übliche Wendung von der Verpflichtung, "im Rahmen der Krankenversorgung tätig zu sein", gestrichen worden ist, andererseits aber alle sonstigen im Vertragsmuster aufgezählten Pflichten unverändert bestehen geblieben sind, geschlossen, daß vom Kläger arbeitsvertraglich nicht nur eine Tätigkeit mit unmittelbarem Bezug auf seine fachspezifische akademische Qualifikation verlangt werde, sondern - mangels ausdrücklicher Beschränkung - auch eine Lehrtätigkeit, wie sie üblicherweise an der MHH von Akademikern ausgeführt werde. Entscheidend für die Übernahme von Lehraufgaben hätten hier nicht die durch das Studium der Chemie erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten sein sollen, sondern es sei allgemein abgestellt worden auf die akademische Ausbildung und das abgeschlossene wissenschaftliche Studium in einem Fach, die die Fähigkeit zu analytischem und kritischem Denken sowie das Überschauen von Zusammenhängen und die Entwicklung von Ergebnissen gewährleisteten.
2. Die von der Revision gegen diese Vertragsauslegung vorgebrachten Angriffe bleiben ohne Erfolg.
Die Revision rügt zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe das Schreiben des Prof. Dr. M an den Kurator der MHH vom 19. Juni 1972 nicht berücksichtigt. Dazu bestand auch keine Veranlassung. Denn dieses Schreiben bildet nur einen Ausschnitt aus dem internen Meinungsbildungsprozeß, der auf der Arbeitgeberseite vor Vertragsabschluß stattgefunden hat. Dagegen ist das Schreiben nicht zum Inhalt des mit dem Kläger geschlossenen Vertrages geworden. Etwas anderes ist nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht bei der Auslegung des Arbeitsvertrages weder die Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt noch gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen.
II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß das Weisungsrecht des Arbeitgebers kollektivrechtlich begrenzt sein kann. Es stützt sich ausdrücklich auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 12. April 1973 (- 2 AZR 291/72 - AP Nr. 24 zu § 611 BGB Direktionsrecht) sowie vom 27. März 1980 (BAG 33, 71 = AP Nr. 26 aaO). Es hat die in diesen Entscheidungen herausgestellten Grundsätze richtig angewandt.
1. In die VergGr. II a Fallgruppe 1 a des kraft Vereinbarung auf den Streitfall anzuwendenden Bundes-Angestelltentarifvertrages sind einzustufen "Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit". Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, im Streitfall sei es durch die weite Fassung der Lehrverpflichtung des Klägers, durch die Aufgabenstellung der Hochschule und die durchaus nicht unübliche Überschneidung und Verzahnung von akademischen Fachgebieten zulässig, "die entsprechende Tätigkeit" bei einer Lehrverpflichtung nicht auf die konkrete wissenschaftliche Hochschulbildung des Angestellten (hier Chemie) zu beziehen, sondern sie auch auf Nachbargebiete zu erstrecken. Auch diese Begründung wird von der Revision ohne Erfolg angegriffen.
2. Die Revision beruft sich zur Begründung ihrer Ansicht auf die Entscheidung des Vierten Senats vom 29. Juni 1960 (BAG 9, 308 = AP Nr. 68 zu § 3 TOA). In dem dortigen Fall war der Kläger, der Philologie studiert und den Doktorgrad dieses Fachs erworben hatte, als Leiter der Berufsberatung bei einem Arbeitsamt tätig und hatte den Bereich "akademische Berufsberatung" wahrzunehmen. Der Kläger war der Ansicht, ihm stehe Vergütung nach der (damaligen) VergGr. III TOA (heute II a BAT) zu. Der Vierte Senat hat ausgeführt, eine einer abgeschlossenen Hochschulbildung entsprechende Tätigkeit setze voraus, daß sie ein Wissen und Können erfordere, wie es normalerweise (d.h. also in dem allgemeinen Regelfall) gerade durch diese vom Angestellten erworbene Hochschulbildung vermittelt werde. Die Revision meint, eine "entsprechende Tätigkeit" im Sinne des tariflichen Tätigkeitsmerkmals liege dann nicht vor, wenn sie irgendeinem abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulstudium entspreche, sondern nur dann, wenn sie konkret der Hochschulbildung entspreche, die der jeweilige Arbeitnehmer erworben habe. Dem kann nicht gefolgt werden.
In seiner Entscheidung vom 29. Juni 1960 hat der Vierte Senat auf die gleiche Ebene von wissenschaftlicher Ausbildung und Tätigkeit für die Frage der Einstufung abgestellt: Nicht eine abgeschlossene Hochschulbildung allein rechtfertigt bereits eine bestimmte Einstufung; vielmehr muß der Stelleninhaber auch eine seiner Hochschulbildung entsprechende Tätigkeit ausüben. Wer Philologie studiert hat und Abiturienten berät, übt damit noch keine wissenschaftliche Tätigkeit aus. Der Streitfall ist jedoch genau umgekehrt gelagert. Der Kläger hat eine bestimmte Hochschulausbildung absolviert und soll eine bestimmte wissenschaftliche Tätigkeit übernehmen, die über den engen Rahmen seiner ursprünglichen Fachausbildung hinausgeht. Daß diese Tätigkeit wissenschaftlicher Art ist, wird auch von ihm selbst nicht bezweifelt. Die Frage ist daher nur, ob von einem Absolventen einer bestimmten naturwissenschaftlichen Fachrichtung (Diplomchemiker) verlangt werden kann, daß er außerhalb seines eigentlichen Fachgebietes wissenschaftlich arbeitet. Die Antwort hierauf läßt sich nicht dem anzuwendenden Tarifvertrag entnehmen, sondern ergibt sich aus dem Einzelvertrag. Den auf die besonderen Umstände des Falles zugeschnittenen Arbeitsvertrag des Klägers hat das Landesarbeitsgericht aber in nicht zu beanstandender Weise ausgelegt.
III. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers wird begrenzt durch Billigkeitsgesichtspunkte (§ 315 BGB) und durch Zumutbarkeitserwägungen. Auch das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
1. Ein wissenschaftlich ausgebildeter und entsprechend tätiger Angestellter muß in der Lage sein, sich mit neuen Problemen zu befassen und sie zu lösen. Er muß, wenn er bei einer medizinischen Hochschule angestellt ist, auch in der Lage sein, sich mit den Grundbegriffen einer anderen Disziplin vertraut zu machen. Das dies gerade von dem Kläger erwartet wurde, ergibt sich besonders deutlich aus dem Schreiben des Instituts an ihn vom 4. Mai 1972. Darin wird großer Wert darauf gelegt, daß sich der Kläger mit den Grundbegriffen einer bestimmten Materie auseinandersetzen und dadurch Verständnis für die Probleme des Instituts gewinne. Dies sei auch erforderlich, damit der Bewerber für die Unterrichtsaufgaben eingesetzt werden könne. Davon, daß der Bewerber nur Unterrichtsaufgaben im Bereich der Chemie wahrzunehmen brauche, steht in dem an den Kläger gerichteten Schreiben nichts.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zur Beantwortung tatsächlicher Fragen auf das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten abgestellt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Allerdings hat der Gutachter in seinen Darlegungen einen Ausnahmefall besonders hervorgehoben. Dieser Ausnahmefall betrifft einen Diplomchemiker, der sich später, ohne Medizin studiert zu haben, in dem Spezialbereich Anatomie der Medizin habilitiert hat. Das Landesarbeitsgericht hat indessen ausdrücklich klargestellt, daß für seine Urteilsbildung nicht die vom Gutachter geschilderte Berufslaufbahn des erwähnten Privatdozenten entscheidend gewesen sei, sondern die allgemein und grundsätzlich vom Gutachter bejahte Frage, daß es einem Diplomchemiker möglich sei, sich in das Fach Anatomie und auch in die Biologie einzuarbeiten. Es ist nicht erkennbar, daß das Landesarbeitsgericht entgegen seiner eigenen Klarstellung in den Fehler verfallen wäre, den vom Gutachter erwähnten Einzelfall zur Grundlage seiner Überlegungen zu machen.
3. Dem Kläger ist die übertragene Lehrtätigkeit auch zumutbar. Unstreitig hat er bereits früher lehrend gewirkt. Daß er einer gewissen Einarbeitungszeit bedarf, ist vom Landesarbeitsgericht nicht verkannt worden. Wie lang diese Zeit zu bemessen ist, kann schon deswegen keine Bedeutung mehr für die Entscheidung des Rechtsstreits gewinnen, weil der Zeitraum zwischen der ersten Beauftragung mit Kursveranstaltungen im Gebiet Anatomie (Wintersemester 1982/1983) und dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (20. Dezember 1984) jedenfalls als ausreichend für eine Vorbereitung angesehen werden muß.
Nicht zu folgen ist der Ansicht der Revision, eine Einarbeitungszeit von drei Monaten setze bereits soviel neue Kenntnisse und Erfahrungen voraus, daß die übertragene neue Tätigkeit nicht mehr dem Umfang der vertraglich geschuldeten Dienstleistung entspreche. Der Zeitraum von drei Monaten ist erwähnt worden bei der Tätigkeit eines Hafenlotsen, der in einem anderen Teil desselben Hafens Lotsendienst verrichten sollte (vgl. BAG Urteil vom 12. April 1973 - 2 AZR 291/72 - AP Nr. 24 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu II 5 a der Gründe). Eine solche Tätigkeit ist von der eines wissenschaftlichen Angestellten im Hochschuldienst so völlig verschieden, daß die entsprechende Übernahme dieses Einarbeitungszeitraumes nicht in Betracht kommen kann.
IV. Die Revision rügt Verletzung des § 320 ZPO durch das Landesarbeitsgericht. Diese Rüge ist jedoch unbegründet.
1. Die Revision hat geltend gemacht, die mündliche Vernehmung des Gutachters sei in einem Punkt, der den Ausnahmefall T betraf, nicht richtig protokolliert worden. Da das Urteil des Landesarbeitsgerichts später als drei Monate nach seiner Verkündung zugestellt worden ist, habe der Kläger nicht mehr die Möglichkeit einer Tatbestandsberichtigung gehabt. In derartigen Fällen ist, wenn das angefochtene Urteil auf dem Sachverhalt beruht, dessen Berichtigung beantragt worden wäre, eine Revisionsrüge erfolgreich (BAG Urteil vom 11. Juni 1963 - 4 AZR 180/62 - AP Nr. 1 zu § 320 ZPO).
2. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts beruht jedoch erkennbar nicht auf dem von der Revision behaupteten Fehler bei der Protokollierung der Zeugenaussage. Auf Blatt 16 seines Urteils (Bl. 464 d.A.) weist das Landesarbeitsgericht ausdrücklich darauf hin, daß die Laufbahn des Privatdozenten Dr. T für seine Meinungsbildung nicht entscheidend gewesen sei. Selbst wenn also das Protokoll so diktiert worden wäre, wie es nach der Ansicht des Klägers hätte geschehen müssen, könnte das Ergebnis der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht anders lauten.
Dr. Thomas Richter Dr. Gehring Dr. Olderog
ist durch Urlaub an
der Unterschrift
verhindert.
Dr. Thomas
Fischer Buschmann
Fundstellen