Der BFH hat entschieden, dass das Finanzamt die während des vorläufigen Insolvenzverfahrens unter Eigenverwaltung entstandene Umsatzsteuer nicht als Masseverbindlichkeit gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter festsetzen darf.[1] Danach war der Umsatzsteueranspruch für einen Besteuerungszeitraum, in dem der Unternehmer einem Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung nach § 270a InsO unterliegt, weder nach § 55 Abs. 2 InsO noch nach § 55 Abs. 4 InsO eine Masseverbindlichkeit; auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften käme nicht in Betracht. Damit hat sich der BFH der BGH-Rechtsprechung[2] angeschlossen. In der Literatur ist die BFH-Rechtsprechung ausdrücklich begrüßt worden. Dieses für den Fiskus ungünstige Ergebnis, das auf alle vor dem 1.1.2021 beantragten Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung anzuwenden ist, wurde sogar als steuerliche Privilegierung der Eigenverwaltung angesehen.[3]

Diese Regelungen gelten allerdings nur für solche Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, die vor dem 1.1.2021 beantragt worden sind. Für Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, die nach dem 31.12.2020 beantragt worden sind, hat sich jedoch die Rechtslage aufgrund einer Ergänzung des § 55 Abs. 4 InsO durch das SanInsFoG[4] geändert. In derartigen Insolvenzverfahren gelten Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als fiktive Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 4 InsO n. F.[5]

Ergibt sich danach für den Zeitraum der vorläufigen Eigenverwaltung aus der nach § 16 UStG vorzunehmenden Saldierung (Umsatzsteuer abzüglich Vorsteuer) eine verbleibende Umsatzsteuer (Zahllast), wird diese aufgrund der Ergänzung des § 55 Abs. 4 InsO durch das SanInsFoG dem Massebereich zugeordnet. Dies gilt nach der Verwaltungsauffassung im sog. BMF-Einführungsschreiben zur Neuregelung des § 55 Abs. 4 InsO[6] in allen Fällen, also unabhängig von der Art des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens.[7] Dagegen vertritt Wäger[8] die Auffassung, dass § 55 Abs. 4 InsO n. F. keine Anwendung findet, wenn der vorläufige Sachwalter ohne eine Anordnung nach § 270c Abs. 3 Satz 2 InsO bestellt worden ist.

[3] Vgl. Witfeld, NWB 44/2020, S. 3243; Weber/Knaebel, DStR 2020, S. 2229; Kruth, MwStR 2021, S. 449.
[4] Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 22.12.2020, BGBl 2020 I S. 3256.
[7] Zustimmend Uhländer, DB 2021, S. 1027; Witfeld, ZRI 2021, S. 173; Schmidt, DStR 2021, S. 693; Waza, USt direkt digital 2022, S. 15.
[8] Wäger, DStR 2021, S. 825.

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