Erhält ein Miterbe im Rahmen der Erbauseinandersetzung wertmäßig mehr, als ihm nach seiner Erbquote zusteht, und zahlt er dafür den anderen Miterben eine Abfindung, führt dies grundsätzlich zu 2 selbstständig zu beurteilenden Erwerbsvorgängen, nämlich

  • zu einem unentgeltlichen Erwerb entsprechend der Erbquote[1] sowie
  • zu einem entgeltlichen Erwerb hinsichtlich des Mehrempfangs. Insoweit liegt eine Anschaffung i. S. d. § 23 EStG vor.[2]

Der Umfang des entgeltlichen und des unentgeltlichen Erwerbs berechnet sich nach dem Verkehrswert des Wirtschaftsguts.[3] Entsprechendes gilt grundsätzlich bei einem Erwerb durch Vermächtnis.[4]

 
Praxis-Beispiel

Teilentgeltlicher Erwerb

A, B und C sind Miterben zu je 1/3. Zum Nachlass gehören ein Einfamilienhaus (Wert 500.000 EUR), 300.000 EUR in Wertpapieren und Sparguthaben von 100.000 EUR. Bei der Erbauseinandersetzung erhält A die Wertpapiere. B übernimmt das Einfamilienhaus und zahlt an C, der das Sparguthaben erhält, eine Abfindung von 200.000 EUR.

B hat Anschaffungskosten i. H. v. 200.000 EUR. Er hat das Einfamilienhaus zu 3/5, nämlich i. H. seines Erbanteils von 300.000 EUR (1/3 des Gesamtnachlasses von 900.000 EUR), unentgeltlich erworben. Bei einer Veräußerung des Einfamilienhauses innerhalb der Veräußerungsfrist für 700.000 EUR ergibt sich ein Veräußerungsgewinn von 80.000 EUR (Differenz aus 2/5 des Verkaufspreises = 280.000 EUR und den Anschaffungskosten von 200.000 EUR). Für den unentgeltlichen Anteil ist bei der Veräußerung zu prüfen, ob der Erblasser innerhalb der Veräußerungsfrist das Einfamilienhaus erworben hat.

Auch beim weichenden, abfindungsberechtigten Erben kann die Abfindungszahlung hinsichtlich des entgeltlich veräußerten Anteils zu einem Veräußerungsgeschäft führen, falls die Anschaffung durch den Erblasser und die Erbauseinandersetzung innerhalb der Veräußerungsfrist liegen.

Je nach Art der anlässlich der Vermögensübertragung durch vorweggenommene Erbfolge vereinbarten Leistungen liegt ein voll unentgeltlicher Erwerb[5] oder ein teilentgeltlicher Erwerb vor. Soweit sich der Steuerpflichtige (Vermögensübernehmer)

  • zu Ausgleichszahlungen an Angehörige des Übergebers oder an Dritte (Gleichstellungsgelder) oder Abstandszahlungen an den Übergeber selbst oder
  • zur Übernahme von Verbindlichkeiten des Übergebers

verpflichtet, ist ein Anschaffungsvorgang i. S. d. § 23 EStG gegeben. Dabei ist unerheblich, ob der Übernehmer seine Zahlungsverpflichtung in Geld oder durch Übertragung von Wirtschaftsgütern aus seinem Vermögen erfüllt. Bei der Übernahme von Verbindlichkeiten spielt der Entstehungsgrund der Verbindlichkeit keine Rolle. Wird wie in diesem Fall das Wirtschaftsgut teilentgeltlich übertragen, ist der Erwerbsvorgang in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Dabei berechnen sich der entgeltlich und der unentgeltlich erworbene Teil des Wirtschaftsguts nach dem Verhältnis des Entgelts (ohne Anschaffungsnebenkosten) zu dem Verkehrswert des Wirtschaftsguts.[6]

 
Praxis-Beispiel

Entgeltlicher Erwerb im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge

2023 überträgt Vater V seinem Sohn S eine 2012 erworbene Eigentumswohnung (Verkehrswert: 250.000 EUR) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. S hat auf der Wohnung lastende Verbindlichkeiten i. H. v. 125.000 EUR übernommen. Im Jahr 2024 verkauft S anschließend die Eigentumswohnung.

S hat die Wohnung zur Hälfte unentgeltlich, zur Hälfte entgeltlich erworben. Soweit S das Grundstück unentgeltlich übernommen hat, wird für die Fristberechnung auf die Anschaffung durch V abgestellt. Für den entgeltlich erworbenen Teil beginnt eine neue 10-Jahresfrist im Jahr 2023. Im Beispielsfall bleibt danach die auf den unentgeltlich erworbenen Teil entfallende Hälfte des Veräußerungsgewinns steuerfrei. Die andere, auf den entgeltlich erworbenen Teil entfallende Hälfte des Veräußerungsgewinns muss S versteuern.

 
Wichtig

Veräußerung bebauten Grund und Bodens

Bebaut der Steuerpflichtige den teilentgeltlich[7] oder gegen Abfindungszahlung bei der Erbauseinandersetzung erworbenen Grund und Boden und veräußert er das bebaute Grundstück innerhalb der 10-Jahresfrist nach Anschaffung, muss das Gebäude nur anteilig in die Besteuerung einbezogen werden.[8]

[6] BMF, Schreiben v. 26.2.2007, IV C 3 – S 2230 – 46/06/IV C 3 – S 2190 – 18/06, BStBl 2007 I S. 269, Rz. 16.
[7]

Hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen Teils des Grund und Bodens s. Abschnitt 2.1.1.

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