Der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG verwendete "Wissenschaftsbegriff" ist nach dem Verständnis des BFH[1] steuerspezifischer Natur und stellt Erfordernisse an die inhaltliche Qualität wie auch an die äußere Form der Arbeit. Die Annahme einer wissenschaftlichen Tätigkeit i. S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG setzt voraus, dass eine anspruchsvolle, besonders qualifizierte Arbeit ausgeübt wird, die geeignet ist, grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten in ihren Ursachen zu erforschen, zu begründen und in einen Verständniszusammenhang zu bringen. Sie erfordert wissenschaftliche Kenntnisse und Methodik im Rahmen einer schöpferischen oder forschenden Tätigkeit (sog. reine Wissenschaft) oder einer Anwendung von Forschungserkenntnissen auf konkrete Vorgänge (angewandte Wissenschaft).[2]

Keine wisssenschaftliche Tätigkeit

Eine wissenschaftliche Tätigkeit wird hingegen verneint, wenn sie in einer praxisorientierten Kenntnisvermittlung oder Beratung besteht.[3] So erfüllt die übliche praktische Ausübung eines Berufs auf wissenschaftlicher Ausbildungsgrundlage – z. B. als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Arzt – nicht ohne weiteres den Anspruch an eine wissenschaftliche Tätigkeit i. S. d. 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, auch wenn sie im Einzelfall hoch qualifiziert ist. Denn die ausdrückliche Aufnahme der wissenschaftlich geprägten Berufe in den Katalog der freien Berufe wäre systematisch überflüssig, wenn die Berufsausübung bereits wegen der Berufsausbildung als wissenschaftlich zu beurteilen wäre.

Hochschulstudium

Der Begriff der Wissenschaft ist in besonderem Maße mit den Disziplinen verbunden, die an den Hochschulen gelehrt werden. Wissenschaftliche Tätigkeit setzt zwar nicht zwingend ein Hochschulstudium voraus, jedoch wird dessen Fehlen als Indiz gegen die Wissenschaftlichkeit der Betätigung betrachtet. Kenntnisse, die ein Steuerpflichtiger sich lediglich aufgrund praktischer Erfahrungen angeeignet hat, reichen i. d. R. nicht als Grundlage für eine wissenschaftliche Tätigkeit aus.[4]

Beispiele für wissenschaftliche Tätigkeit

Zur wissenschaftlichen Tätigkeit gehört die Erstellung von Gutachten. Eine Gutachtertätigkeit ist allerdings nur dann wissenschaftlich, wenn sie besonders qualifiziert ist.Maßstab ist der Schwierigkeitsgrad, wie ihn wissenschaftliche Prüfungsarbeiten oder Veröffentlichungen aufweisen.[5] Beruht ein Gutachten lediglich auf der Anwendung von Marktkenntnissen oder gewerblichen bzw. handwerklichen Erfahrungen, wie z. B. im Fall eines Kfz-Sachverständigen ohne Ingenieurstudium[6] oder eines Dispacheurs[7], fehlt es an der Wissenschaftlichkeit.

Auch eine erfinderische Tätigkeit kann wissenschaftlich sein, wenn der Erfinder mit wissenschaftlichen Methoden arbeitet.[8]

Die – für sich betrachtet – freiberufliche Tätigkeit eines Erfinders kann jedoch dadurch zu einer gewerblichen werden, dass die Erfindungen im Rahmen eines gewerblichen Betriebs verwertet werden.

Schließlich kann auch eine Prüfungstätigkeit bei staatlichen Prüfungen der wissenschaftlichen Tätigkeit zuzuordnen sein.[9]

Die Tätigkeit eines an einer Hochschule ausgebildeten Restaurators kann wissenschaftlich sein, soweit sie sich auf die Erstellung von Gutachten und Veröffentlichungen beschränkt, im Übrigen können Restauratoren jedoch künstlerisch tätig sein.[10]

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