Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung eines Nichtgesellschafters(§ 15 Abs. 1 Satz 2 EStG); Witwenrentenzusage nach dem Tod des Gesellschafters

 

Leitsatz (NV)

1. Die Witwe eines Gesellschafters, die nicht Gesellschafterin der Personengesellschaft ist, ist notwendig beizuladen, wenn der Rechtsstreit der Gesellschaft auch die Frage betrifft, ob der Witwe Pensionsleistungen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG zugerechnet werden durften.

2. Eine vor dem 1. Januar 1986 gebildete Rückstellung für eine Witwenpension, die als private Versorgungsrente zu qualifizieren ist, ist nach dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs aufzulösen. Eine private Versorgungsrente liegt vor, wenn der Witwe des Gesellschafters einer Familienpersonengesellschaft erst nach dessen Tod eine Pensionszusage erteilt wird, ohne daß aufgrund des Gesellschaftsvertrages hierzu eine Verpflichtung bestand (Anschluß an BFH-Urteil vom 8. April 1992 XI R 46/89, BFH/NV 1992, 728).

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 S. 2; FGO § 60 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, an der als Komplementärin die X-GmbH und als Kommanditisten A -- mit einer Beteiligung von 77,25 v. H. des Festkapitals -- sowie dessen Kinder B, C und D beteiligt waren. A hielt sämtliche GmbH-Anteile und bezog als alleiniger Geschäftsführer eine Tätigkeitsvergütung.

A verstarb am 21. November 1984. Sein Gesellschaftsanteil ging auf seinen Alleinerben B über. Die Klägerin sagte -- einer Empfehlung ihres Beirats vom ... 1985 folgend -- in einem Pensionsvertrag vom ... 1985 E, der Ehefrau des A, eine lebenslängliche, wertgesicherte Witwenrente von zunächst monatlich 3 000 DM ab dem 1. Dezember 1984 zu. Am ... 1985 erklärte E ferner gegenüber ihrem Sohn B den Verzicht auf ihren Pflichtteil; E erhielt als Gegenlei stung eine private Leibrente sowie ein Wohnrecht.

Die Klägerin passivierte in ihren -- mit den Handelsbilanzen übereinstimmenden -- Steuerbilanzen zum 31. Dezember 1985 und 31. Dezember 1986 für die Pensionsverpflichtung Pensionsrückstellungen in Höhe von ... DM zum 31. Dezember 1985 und von ... DM zum 31. Dezember 1986 (Rückstellung zum 31. Dezember 1985 abzüglich der erfolgsneutral gegen die Rückstellung gebuchten Pensionszahlungen in Höhe von ... DM in 1986).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte die Einkünfte für 1985 in einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenen Bescheid erklärungsgemäß einheitlich und gesondert fest und löste die Rückstellung unter Hinweis auf § 15 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes (StBereinG) 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I, 2436, BStBl I, 735) zum 31. Dezember 1986 erfolgswirksam auf; das FA erhöhte dementsprechend in dem ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Feststellungsbescheid für das Streitjahr 1986 den Gewinn aus Gewerbebetrieb um insgesamt ... DM, rechnete E die Pensionszahlungen in Höhe von ... DM zu und verteilte den Mehrgewinn im übrigen nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels auf die Gesellschafter.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FA erließ während des dagegen gerichteten Klageverfahrens im Anschluß an eine Außenprüfung -- aus anderen Gründen -- geänderte Feststellungsbescheide für 1985 und 1986 und hob die Vorbehalte der Nachprüfung auf. Der Bescheid für 1985 wurde bestandskräftig, der für 1986, den das FA auch E bekanntgab, auf Antrag der Klägerin nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es nahm, der übereinstimmenden Rechtsansicht der Beteiligten folgend, eine betriebliche Versorgungsrente an und vertrat die Auffassung, die Rückstellung sei zum 31. Dezember 1985 zu Unrecht gebildet worden. Die Berichtigung des Bilanzierungsfehlers zum 31. Dezember 1986 sei nicht zu beanstanden, da der geänderte Bescheid für 1985 inzwischen bestandskräftig geworden sei.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Juli 1990 VIII R 39/84 (BFHE 161, 504, BStBl II 1992, 229) und den Beschluß des FG Baden-Württemberg vom 23. September 1993 6 V 6/93 (Betriebs-Berater -- BB -- 1993, 2197) die Verletzung materiellen Rechts sowie hilfsweise -- in bezug auf die Feststellungen des FG zur Bildung der Rückstellung auf den 31. Dezember 1985 -- die Verletzung des Verfahrensrechts.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das angefochtene Urteil hätte ohne vorherige Beiladung der E nicht ergehen dürfen (§ 60 Abs. 3 FGO).

a) Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. In Angelegenheiten, die einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid betreffen, gilt dies nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 Abs. 1 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).

b) Im Streitfall war danach E notwendig zum Verfahren beizuladen, da der Rechtsstreit auch die Frage betrifft, ob E die im Streitjahr geleisteten Pensionszahlungen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG zu Recht zugerechnet worden sind. E war insoweit gemäß § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt.

Die Beiladung war auch nicht nach § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO entbehrlich, da E nicht Gesellschafterin der KG und deshalb nicht Mitberechtigte im Sinne dieser Vorschrift ist. Dementsprechend hat der BFH in ständiger Rechtsprechung ausgeschiedene Gesellschafter oder Erben eines Gesellschafters, die an der Gesellschaft nicht beteiligt werden, ungeachtet der Klagebeschränkung des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO als klagebefugt angesehen (z. B. Entscheidungen vom 23. Mai 1973 I R 121/71, BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746; vom 19. Juni 1990 VIII B 3/89, BFHE 161, 404, BStBl II 1990, 1068 m. w. N.).

c) Danach mußte das FG-Urteil aufgehoben werden. Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung berührt die Grundordnung des Verfahrens und führt, da der BFH die Beiladung nicht im Revisionsverfahren nachholen kann (§ 123 FGO), auch ohne entsprechende Verfahrensrüge eines Beteiligten, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO; dies gilt auch dann, wenn die Notwendigkeit einer Beiladung vom FG nicht nachgeprüft worden ist, obwohl -- wie im Streitfall -- der Sachverhalt eine solche Prüfung verlangt hätte (vgl. z. B. Senatsurteil vom 4. August 1988 IV R 78/86, BFH/NV 1989, 281).

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat aus prozeßökonomischen Gründen, ohne damit das FG binden zu können, auf folgendes hin:

a) Die Rückstellung wäre jedenfalls dann von vornherein zu Unrecht gebildet worden und folglich nach dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) zum 31. Dezember 1986 aufzulösen, wenn die Pension nicht als betriebliche Versorgungsrente zu qualifizieren wäre. Kennzeichnend für eine betriebliche Versorgungsrente -- im Gegensatz zu einer privaten Versorgungsrente -- ist, daß der Gedanke der Entlohnung für früher für den Betrieb geleistete Dienste im Vordergrund steht (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 27. Juni 1989 VIII R 337/83, BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine betriebliche Versorgungsrente hingegen nicht gegeben, wenn für eine Pensionszusage zugunsten der Witwe eines Gesellschafters einer Familienpersonengesellschaft erbrechtliche (z. B. Urteil vom 7. Dezember 1977 I R 75/77, BFHE 124, 178, BStBl II 1978, 269 m. w. N.) oder andere familiäre Gründe (z. B. Urteil vom 8. April 1992 XI R 46/89, BFH/NV 1992, 728) vorherrschend sind. Nach dem Urteil in BFH/NV 1992, 728 sind für die Erteilung einer Pensionszusage familiäre Gründe maßgebend, wenn der Witwe des Gesellschafters einer Familienpersonengesellschaft erst nach dessen Tod von der Gesellschaft eine Pensionszusage erteilt wird, ohne daß aufgrund des Gesellschaftsvertrages hierzu eine Verpflichtung bestand.

b) Witwenpensionen gehören -- sofern eine betriebliche Versorgungsrente vorliegt -- nach § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG auch dann zu den Sondervergütungen i. S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn -- wie im Streitfall -- die Witwe des Gesellschafters nicht Gesellschafterin der die Bezüge gewährenden Gesellschaft war oder ist und auch nicht Erbin ihres verstorbenen Ehemanns geworden ist (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 25. Januar 1994 VIII B 111/93, BFHE 173, 170). § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG steht gleichwohl der Bildung einer Pensionsrückstellung zum 31. Dezember 1985 für eine entsprechende Pensionsverpflichtung nicht entgegen (BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VIII R 36/90, BFHE 169, 53, BStBl II 1993, 26); es ist auch zumindest ernstlich zweifelhaft, ob eine zum 31. Dezember 1985 zu Recht gebildete Rückstellung für eine Witwenpension wegen § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG zum 31. Dezember 1986 aufzulösen ist (vgl. BFH-Beschluß vom 21. Dezember 1993 VIII B 107/93, BFHE 173, 158, BStBl II 1994, 300).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419890

BFH/NV 1995, 212

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