Leitsatz (amtlich)

Wird von einem größeren Grundstück nur eine Teilfläche verpachtet und errichtet der Pächter auf dieser Fläche ein Gebäude (Gebäude auf fremdem Grund und Boden), so ist die Teilfläche aus dem größeren Grundstück herauszulösen und als besondere wirtschaftliche Einheit zu bewerten.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 2, 70 Abs. 3, § 72 Abs. 2, §§ 75, 94

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 2. (Klägerin zu 2.) und ihre Mutter erwarben im Jahre ... von der Beigeladenen ein Grundstück. Die Mutter ist am ... verstorben und wurde von ihrem Ehemann (Kläger und Revisionsbeklagter zu 1. - Kläger zu 1. -) und ihrer Tochter beerbt.

Auf dem Grundstück, das eine Größe von 1 077 qm hat, befinden sich ein zweigeschossiges Wohngebäude, ein eingeschossiges Nebengebäude (Notwohnung) und eine Doppelgarage. Außerdem ist ein Teil des Grundstücks mit einer Größe von 735 qm seit dem Jahre ... an die Firma X verpachtet. Die Firma X, deren Inhaber der Kläger zu 1. ist, benutzt das Grundstück als Ausstellungs- und Abstellungsfläche für Kfz. Sie hat zu diesem Zweck das Grundstück mit Schotter befestigt und außerdem darauf eine einstöckige Baracke mit Büro- und Aufenthaltsräumen sowie ein Verbindungsdach zu der Doppelgarage errichtet.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) teilte bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 das Grundstück in drei wirtschaftliche Einheiten auf und stellte dementsprechend drei gesonderte Einheitswerte des Grundvermögens fest. Das Hauptgebäude, das Nebengebäude, die Doppelgarage sowie 342 qm dazugehörigen Grund und Boden bewertete das FA durch Bescheid vom 25. März 1968 als Mietwohngrundstück und stellte den Einheitswert im Ertragsverfahren auf 27 500 DM fest. Die Grundstücksfläche von 735 qm hat es demgegenüber durch Bescheid vom 20. März 1968 als Geschäftsgrundstück bewertet und den Einheitswert nach dem gemeinen Wert auf 73 500 DM (1 qm = 100 DM) ermittelt. Außerdem wurde die Baracke mit Büro- und Aufenthaltsräumen gesondert als Geschäftsgrundstück bewertet und durch Bescheid vom 18. Juni 1973 der Pächterin als wirtschaftlicher Eigentümerin zugerechnet. Dieser Bescheid ist bestandskräftig. Die ersten beiden Einheitswertbescheide weisen als Eigentümerin auf den 1. Januar 1964 die Beigeladene aus und sind der Mutter und der Klägerin zu 2. als Rechtsnachfolger bekanntgegeben.

Die Kläger begehrten, das ganze Grundstück nach § 2 des Bewertungsgesetzes 1965 (künftig BewG) als nur eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln und den Grundstückswert nach § 82 Abs. 1 BewG wegen ungewöhnlich starker Beeinträchtigung durch Verkehrslärm sowie wegen Hochwassergefährdung zu ermäßigen.

Während die Einsprüche keinen Erfolg hatten, gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es vertrat die Auffassung, daß das ganze Grundstück nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach seiner Zweckbestimmung und der wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit seiner Teile eine wirtschaftliche Einheit nach § 2 BewG darstelle. Es hob beide Einheitswertbescheide auf, um so den Weg für eine einheitliche Einheitswertfeststellung freizumachen.

Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt Verletzung des § 94 BewG. Es ist der Auffassung, daß nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 94 Abs. 1 Satz 3 BewG die verpachtete Grundstücksfläche als Geschäftsgrundstück gelte, so daß gegenüber dieser Sonderregelung für eine Anwendung des § 2 BewG kein Raum sei.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Die Kläger schlossen sich diesem Antrag an.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Der Kläger zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, daß er am Verfahren nicht beteiligt sei, weil seine Ehefrau ihren Grundstücksanteil bereits vor ihrem Tode auf ihre Tochter (Klägerin zu 2.) übertragen habe, so daß im Zeitpunkt ihres Todes das Grundstück nicht mehr zum Nachlaß gehört habe. Diese Auffassung ist nicht zutreffend. Der Kläger übersieht, daß es hier um die Bewertung auf einen Stichtag (1. Januar 1964) geht, der weit vor dem Tode seiner Ehefrau und der Übertragung ihres Grundstücksteils auf ihre Tochter liegt. Für diese zurückliegende Zeit ist der Kläger zu 1. als Miterbe in die Rechtsstellung seiner Ehefrau eingetreten, so daß er auch am vorliegenden Verfahren noch beteiligt ist.

2. Der Senat läßt die Frage offen, ob die von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen den Schluß rechtfertigen könnten, daß die teils gewerblich und teils zu Wohnzwecken genutzten Grundstücksteile eine wirtschaftliche Einheit nach § 2 BewG bilden. Das FA beanstandet jedenfalls zu Recht, daß das FG bei seiner Entscheidung die besondere Regelung in § 94 BewG nicht beachtet hat.

a) Als Grundstück, für das nach § 214 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) ein gesonderter Einheitswert festzustellen ist, gilt nach § 70 Abs. 3 BewG auch ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet ist. Das gilt selbst dann, wenn Zweckbestimmung und Wert des Gebäudes gegenüber Zweckbestimmung und Wert des Grund und Bodens von untergeordneter Bedeutung sind. § 72 Abs. 2 BewG ist in diesem Zusammenhang nicht anwendbar. Mit der Verweisung in § 94 Abs. 1 Satz 3 BewG auf § 75 BewG ist vielmehr gleichzeitig entschieden, daß es sich bei dem Gebäude um ein bebautes Grundstück handelt (vgl. Gürsching/Steger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 94 BewG Anm. 10).

b) Wird ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden errichtet, so sind zwei Einheitswerte zu bilden. Dabei sind nach § 94 BewG der Bodenwert dem Eigentümer des Grund und Bodens und der Gebäudewert dem wirtschaftlichen Eigentümer des Gebäudes zuzurechnen. Die Grundstücksart des Gebäudes ist dabei nach § 75 BewG zu bestimmen. Außerdem enthält § 94 Abs. 1 Satz 3 BewG die im vorliegenden Zusammenhang bedeutsame Regelung, daß der Grund und Boden, auf dem das Gebäude errichtet ist, als bebautes Grundstück derselben Grundstücksart wie das Gebäude selbst gilt, allerdings mit der Maßgabe, daß der Wert nach den für unbebaute Grundstücke geltenden Grundsätzen zu ermitteln ist (§ 94 Abs. 2 BewG).

c) Die Vorschrift des § 94 Abs. 1 Satz 3 BewG hat gegenüber dem früheren Rechtszustand (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Januar 1953/8. Mai 1953 III 109/52 U, BFHE 57, 507, BStBl III 1953/8. Mai 1953 III 109/52 U, BFHE 57, 507, BStBl III die gesetzliche Fiktion auf, daß der für sich zu betrachtende Grund und Boden, auf dem das Gebäude errichtet ist, als bebautes Grundstück gilt, sondern sie grenzt gleichzeitig die wirtschaftliche Einheit für dieses Grundstück ab. Der Grund und Boden, soweit er in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem darauf errichteten Gebäude steht, ist eine selbständige wirtschaftliche Einheit "bebautes Grundstück" mit der sich aus § 75 BewG ergebenden Grundstücksart. Das hat zur Folge, daß diese selbständige wirtschaftliche Einheit gegebenenfalls aus einem größeren Stammgrundstück herauszulösen ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Grundstücke nunmehr verschiedenen Grundstücksarten zuzurechnen sind. Das verbleibende Stammgrundstück ist ein Mietwohngrundstück, während es sich bei der verpachteten Fläche um ein Geschäftsgrundstück handelt. § 2 BewG ist hier nicht anwendbar, weil § 94 Abs. 1 BewG für den Fall der Bebauung eines Grundstücks durch einen Dritten eine gesetzliche Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit enthält (vgl. Rössler/Troll/Langner, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 10. Aufl., § 94 BewG Anm. 5 sowie Abschn. 50 Abs. 1, 5 und 6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien zur Bewertung des Grundvermögens - BewRGr - 1972).

3. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG wird nunmehr festzustellen haben, ob die von der Firma X errichtete Baracke mit Büro- und Aufenthaltsräumen ein Gebäude i. S. des Bewertungsrechts darstellt. Der bestandskräftige Einheitswertbescheid vom 18. Juni 1973 ist nur gegenüber der Firma X ergangen und bindet deshalb die Kläger nicht. Ein Gebäude i. S. des Bewertungsrechts liegt dann vor, wenn das Bauwerk alle Merkmale erfüllt, die in dem gemeinsamen Ländererlaß vom 31. März 1967 (BStBl II 1967, 127) aufgeführt sind. Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß dieser Erlaß in seinen Grundzügen der Rechtslage entspricht (vgl. auch Urteil vom 13. Juni 1969 III 17/65, BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517). Die Vorinstanz hatte außerdem bisher von ihrem Standpunkt aus keinen Anlaß, zu prüfen, ob der vom FA für die verpachtete Fläche angesetzte Quadratmeterpreis von 100 DM gerechtfertigt ist und ob den Klägern wegen Hochwassergefahr und - wie sie meinen - wegen Verkehrslärms Abschläge vom Grundstückswert nach § 82 BewG zu gewähren sind. Auch diese Prüfung wird das FG nunmehr noch nachzuholen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72951

BStBl II 1979, 37

BFHE 1979, 63

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