Zusammenfassung

 
Überblick

Während die einen nicht wissen, wo sie zuerst anfangen sollen, wünschen sich andere, dass sie endlich anfangen können. Der totalen Überforderung im Beruf steht das Phänomen der quantitativen und qualitativen Unterforderung gegenüber: Boreout. Der Beitrag geht auf die Ursachen und Folgen von Boreout ein und zeigt, was Unternehmen und Betroffene dagegen tun können.

1 Boreout – das andere Phänomen

Das Phänomen Burnout ist bekannt. Arbeitsverdichtung, Zeit-, Leistungs- und Termindruck führen dazu, dass viele Menschen den Arbeitsbelastungen nicht mehr gewachsen sind und krank werden. Ein zunehmendes Arbeitspensum, steigende Arbeitsanforderungen, große Verantwortung und der daraus resultierende Arbeitsstress führen zu körperlichen und psychischen Erschöpfungszuständen und Betroffene brennen regelrecht aus. Dann gibt es da noch eine andere Seite von Überforderung, die weitaus weniger bekannt ist: das Phänomen Boreout. Die Wortschöpfung lehnt sich an den Begriff Burnout an und leitet sich aus dem englischen Wort "boredom" (= Langeweile) ab.

Boreout bedeutet, dass Mitarbeiter sich während ihrer Arbeitszeit und/oder bei ihrer Arbeitstätigkeit langweilen. Sie langweilen sich (engl. to bore), weil entweder keine oder zu wenig Arbeit vorliegt, die sie erledigen können, oder weil ihr Wissen, ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen bei ihrer Arbeit nicht gefragt sind. Auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit oder ein Mangel an Anerkennung können eine Rolle beim Boreout-Erleben spielen.

2 Zwei Seiten einer Medaille

Burnout und Boreout sind 2 Seiten einer Medaille: Bei Burnout sind die Mitarbeiter überfordert, weil sie zu viel zu tun haben, bei Boreout sind Beschäftigte überfordert, weil sie zu wenig zu tun haben. Im Gegensatz zu Burnout wird Boreout allerdings oft totgeschwiegen. Es gibt mehrere Gründe für Beschäftigte, ihre Unterforderung dem Arbeitgeber nicht publik zu machen:

  1. Wenn Arbeitnehmende auf ihre Arbeitstätigkeit angewiesen sind, weil sie aufgrund ihres Alters oder ihrer Qualifikation wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten, werden sie ihren Arbeitstag mehr oder weniger klaglos "absitzen". Auch familiäre oder finanzielle Verpflichtungen machen einen Neustart schwierig, wenn man schulpflichtige Kinder oder zu pflegende Angehörige hat oder einen Hauskredit abzahlen muss.
  2. Ein langjähriges Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst wird nicht einfach aufgegeben, wenn sich Arbeitnehmer bei einem Wechsel in die freie Wirtschaft finanziell deutlich schlechter stellen und Pensionsansprüche verlieren würden.

Für Betroffene kann ein Dauer-Boreout unerträglich werden: Auf der einen Seite können sie der Situation nicht entkommen, müssen diese jedoch aus den erwähnten Gründen ertragen. Dieser Widerspruch widerspricht dem menschlichen Bedürfnis der Selbstwirksamkeitserwartung, was bedeutet, dass der Mensch qua seiner Kompetenzen und Möglichkeiten selbstwirksam auch auf schwierige Situationen Einfluss nehmen und sie zumindest mitgestalten kann.

Die Schweizer Autoren Philippe Rothlin und Peter R. Werder, die den Begriff Anfang des Jahrhunderts populär gemacht haben, behaupten: "Ein über längere Zeit andauerndes Nichtstun bei der Arbeit ist nicht mehr und nicht weniger als der blanke Horror. Immer nur vorzuspiegeln, man sei beschäftigt, wird mit der Zeit anstrengend und ist vor allem unbefriedigend. Herausforderung und Anerkennung fehlen."[1]

 
Praxis-Beispiel

Fallbeispiel

Seit 5 Jahren arbeitet Heinz G. in einem Unternehmen des Finanzsektors. In den Anfangsjahren waren die Aufgaben anspruchsvoll und erfüllend. Doch nachdem das Unternehmen komplett umstrukturiert wurde, Abteilungen verkleinert und Aufgaben outgesourct wurden, änderte sich auch sein Aufgabengebiet. Die Arbeit wurde anspruchsloser, er erhielt wichtige Informationen nicht mehr, war an Entscheidungen, die seine Arbeit betrafen, nicht mehr beteiligt und verlor immer mehr die Lust an seiner Tätigkeit. Jeden Sonntagabend quälte ihn der Gedanke, am kommenden Morgen wieder in die Tretmühle einzusteigen und einen endlos langen Arbeitstag nach dem anderen im Büro zu verbringen. Er fragte sich, wie lange er das noch aushalten konnte.

[1] Rothlin/Werder (2014): Unterfordert. Diagnose Boreout – wenn Langeweile krank macht. Redline, München, Seite 16.

3 Ursachen für Boreout

Die Gründe für Boreout sind häufig im Unternehmen selbst zu finden, sei es durch Unternehmensentscheidungen, falsche Personalpolitik oder durch das Führungspersonal verursacht. Es können aber auch unglückliche Umstände von außen oder persönliche Gründe für Boreout verantwortlich sein.

Umstrukturierungen oder Rationalisierungsmaßnahmen

Umstrukturierungen oder Rationalisierungsmaßnahmen zwingen Unternehmen, Personal abzubauen, weil Stellen wegfallen oder Arbeiten obsolet werden. Wenn aber Beamtentum oder langjährige Betriebszugehörigkeit eine Kündigung nicht zulassen, kann das ein Weg ins Boreout-Erleben sein.

Kein Raum für selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten

Auch eine große Bürokratie, rigide Arbeitsstrukturen, standardisierte, kleinteilige Arbeitsvorgänge ...

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