Beteiligung Klimaneutralität

Stephan Grabmeier erlebte bei einem Beteiligungsverfahren in seiner Heimatstadt mit, wie verschiedene Perspektiven erfolgreich in die Gestaltung der Green Transformation einbezogen werden. Er ist sich sicher: Das kann auch ein Vorbild für Unternehmen sein.

In den letzten drei Jahren durfte ich in Bonn, der Stadt, in der ich lebe, ein Bürger-Mitwirkungsverfahren erleben, was mich außerordentlich beeindruckt. Im November 2019 hat der Bonner Stadtrat beschlossen, dass Bonn bis spätestens 2035 klimaneutral sein soll. Das Mitwirkungsverfahren „Bonn4Future – Wir fürs Klima“ sorgte dafür, dass rund 340 Bonner Bürger:innen den Weg dorthin mitgestalten können. Ende 2020 beschloss der Stadtrat die finanzielle Förderung und personelle Unterstützung von Bonn4Future für zweieinhalb Jahre. In dem Team arbeiteten vier Mitarbeitende (2,38 FTE) und viele Bürger tausende von Stunden ehrenamtlich. Es ist das bisher umfangreichste Beteiligungsverfahren der Stadt, das erste angestoßen aus dem Herzen der Zivilgesellschaft und es wurde in enger Kooperation mit der Stadt Bonn umgesetzt. Eines der außergewöhnlichsten Projekte dieser Art in Deutschland.

Aus diesem partizipativen Verfahren, in enger Kooperation mit verschiedensten Stakeholdergruppen und Sektoren können wir viel für die Green Transformation lernen: für die enge Beteiligung der Zivilgesellschaft, für die Vernetzung mit der Politik, die Einbindung von Wissenschaft in die Wirtschaft und vor allen Dingen für den nachhaltigen Veränderungserfolg unserer Unternehmen.

Der Prozessablauf – Bonn4Future

Angefangen hat bei den Akteuren alles mit der Frage: Was muss passieren, damit die Menschen in Bonn sagen: „Das war wirklich ein guter Prozess, wie Bonn klimaneutral wurde.”

Im Kontext dieser Zukunftsfrage fand eine kontinuierliche Reflektion des Prozess- und Kommunikationsdesigns statt. In vier großen Klimaforen erarbeiteten die Bürger:innen gemeinsam mit Akteur:innen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, der Wissenschaft und Forschung sowie Mitarbeitenden der Stadtverwaltung und städtischer Betriebe einen Klima-Aktionsplan für eine lebenswerte und klimaneutrale Stadt.

Das Verfahren bestand aus einem Mix verschiedener Formate und Bausteine:

  • den Klimatagen, die vorhandene Initiativen in der Region im Klimaschutz zusammenbringen, um gemeinsame Zukunftsbilder 2035 zu entwickeln,
  • den darauf aufbauenden vier Klimaforen, auf denen je 100 zufällig ausgewählte Bürger:innen zusammen mit Expert:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik konkrete Vorschläge zum Umgang mit der Klimakrise erarbeiten,
  • einer digitalen Nachhaltigkeitsplattform, die Initiativen und Aktivitäten für eine nachhaltige und faire Stadt sichtbar macht und Bürger:innen dazu anregt, selbst aktiv zu werden und
  • einem aktivierenden Kommunikationsnetzwerk, um über alle Schritte und Ergebnisse zu informieren und aufzuklären

Zudem fand mit der Jugend Projektwerkstatt die Einbindung von Schüler:innen und deren Sicht auf die Entwicklung der Stadt zur Klimaneutralität statt.

Auf dem letzten der vier Klimaforen entstand der Klimaaktionsplan der Bonner Bürger:innen. Dieser beinhaltet 36 Aktionspläne mit über 200 konkreten Schritten zur Beantwortung der Frage: Wie können wir es gemeinsam schaffen? Der Klimaplan der Stadt, der in einem Konsortium rund um das Wuppertal Institut erstellt wurde, umfasst 67 Steckbriefe. Diese beiden Stränge werden nun auf Gemeinsamkeiten überprüft und wo sinnvoll zusammengeführt oder ergänzt. Darüber hinaus entstand noch der Klimaplan für die städtischen Betriebe zum Beispiel Stadtwerke, Abfall, Wasser/Abwasser, Energie, Gebäudemanagement und weitere für ihren Weg in die Klimaneutralität.

Ende März 2023 wurden die Bonn4Future-Klimaaktionspläne an den Stadtrat übergeben. Das Projekt wurde im April 2023 (in dieser Form) abgeschlossen. Informationen zu dem Vorgehen, zu den Formaten, den Ergebnissen, dem Aktionsplan und weitere Informationen finden Sie unter beteiligung.bonn4future.de Ein Blick (oder mehrere) lohnt sich auf die umfangreichen Informationen.

Das Ziel des Mitwirkungsverfahrens

Ziel war es, eine Kultur der Kooperation zwischen Zivilgesellschaft, Politik, Stadtverwaltung und gesellschaftlichen Akteur:innen zu schaffen. Und eine gute Verständigung über die besten Ideen und Wege wie Bonn klimaneutral, lebenswert und fair werden kann, ist gelungen. Ein in Deutschland beispielhafter Prozess, wie partizipative Zusammenarbeit erfolgreich umgesetzt werden kann.

Das Beteiligungsverfahren wurde kürzlich für den taz Panter Preis 2023 nominiert. Damit würdigt die taz Panter Stiftung zivilgesellschaftliche Initiativen, die beim Klimaschutz soziale Gerechtigkeit mitdenken. Die Auszeichnung erfolgt im September 2023.

Beteiligungsverfahren als Vorbild für Unternehmen?

Stellen Sie sich vor, Sie könnten ähnlich erfolgreich von Ihrem Projekt der nachhaltigen Transformation in Ihrem Unternehmen berichten? Wie Sie es geschafft haben Ihre vielen Stakeholdergruppen alle in den Prozess einzubinden? Wie Sie eine große Gruppe Mitarbeitende mit deren Sicht und Meinung mitwirkend in den Prozess integriert haben? Wie Sie von Ihren Vorständen und Geschäftsführenden mit Budget, Ressourcen und persönlichem Commitment unterstützt wurden? Wie ein fundierter und sehr detaillierter Aktionsplan nach Erstellung in die Tat umgesetzt wird? Und wie Sie Menschen durch die partizipative Gestaltung des Prozesses bereits zu Beteiligten für die Umsetzung gemacht haben?

Ich bin sicher es gibt einige spannende Good Practices des Gelingens nachhaltiger Veränderungen. Wollen Sie Ihre mit uns teilen? Und sollten Sie Interesse haben partizipative Projekte aufzusetzen und diese zum Erfolg zu führen, dann lassen Sie uns sprechen. Denn für eine enkelfähige Zukunft brauchen wir viele solcher Beispiele.