Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Kl. hat gegen den Bekl. keinen Rückforderungsanspruch gemäß E.7.3 AKB i.V.m. §§ 116 VVG, 426 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die erfolgte Regulierung. Der Bekl. ist für den geltend gemachten Regressanspruch zwar passivlegitimiert (dazu A.). Es liegt auch eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung seitens des Bekl. vor (dazu B.). Der Bekl. konnte jedoch den Kausalitätsgegenbeweis führen (dazu C.).

A. Der Bekl. ist passivlegitimiert.

Ein Anspruch der Kl. auf Regress kommt auch gegen den Bekl. als lediglich mitversicherten Fahrer im Sinne von A 1.2 lit. c), F 1. AKB aus übergegangenem Recht nach § 116 Abs. 1 Satz 2 VVG i.V.m. §§ 426 Abs. 2 Satz 1, 823 Abs. 1 BGB, § 18 StVG in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.1971 – IV ZR 42/69 –, Rn 5 f.; …

Soweit die Kl. in der Berufungsinstanz und insbesondere im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.5.2022 nunmehr ausführt, dass durch das Entfernen vom Unfallort nicht habe geklärt werden können, ob der Bekl. tatsächlich gefahren sei, versteht das Gericht dies nicht als Bestreiten dergestalt, der Bekl. sei tatsächlich nicht gefahren. Andernfalls wäre die Klage mangels Fahrereigenschaft unmittelbar abweisungsreif.

B. Zutreffend führt das AG sodann aus, dass der Bekl. gegen die Aufklärungsobliegenheit aus E.1.2 AKB verstoßen hat, indem er sich am 5.3.2020 vom Unfallort entfernte, ohne die Polizei zu verständigen. Allerdings geht das BG insoweit abweichend von der erstinstanzlichen Entscheidung – davon aus, dass der Bekl. diese Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat.

Der Bekl. hat durch das Entfernen vom Unfallort zumindest billigend in Kauf genommen, dass die erforderlichen Feststellungen am Unfallort nicht getroffen werden können.

Die in den AKB nach 2008 (hier 2017) formulierte Obliegenheit, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen (z.B. zum Alkohol- oder Drogenkonsum des Unfallfahrers) zu ermöglichen, geht ihrem Wortlaut nach über die strafrechtlich sanktionierten Pflichten hinaus (OLG Stuttgart, Urt. v. 16.10.2014 – 7 U 121/1 –). Der durchschnittliche VN wird die in den Bedingungen formulierte Forderung aber auf den ihm bekannten Straftatbestand der "Unfallflucht" gemäß § 142 StGB beziehen. Er darf deshalb weiterhin davon ausgehen, dass er seiner Aufklärungsobliegenheit grundsätzlich dann gerecht wird, wenn er die strafrechtlich sanktionierten und allgemein bekannten Handlungspflichten erfüllt. (OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.2.2016, 5 U 75/14, OLG München r+s 2016, 342, …).

Vorliegend wurde jedoch das Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen § 142 StGB gegen den Bekl. von der Staatsanwaltschaft Potsdam gerade eingestellt. Dies führt allerdings für sich genommen noch nicht dazu, dass der Vorsatz für die Aufklärungspflichtverletzung ausgeschlossen ist (LG Berlin, Beschl. v. 12.5.2003, 17 S 11/03; OLG Stuttgart, Urt. v. 16.10.2014 – 7 U 121/1). Vielmehr ist nach der Rechtsprechung bei Verlassen der Unfallstelle ohne dass die Polizei hinzugezogen wird, grundsätzlich davon auszugehen, dass dies bedingt vorsätzlich geschah, wenn nicht besondere Anhaltspunkte hinzutreten (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 11.4.2006, 17 S 37/06 sowie Beschl. v. 12.5.2003, 17 S 11/03).

Daran ändert nichts, das der Bekl. einen Zettel mit seinem Namen und seiner Mobiltelefonnummer an der Windschutzscheibe des geschädigten Pkw hinterlassen hat, wodurch die Feststellung seiner Personalien, seiner Unfallverursachung und des Schadens erst am darauffolgenden Tag ermöglicht wurde. Das Hinterlassen eines Zettels vermag eine Strafbarkeit nach § 142 StGB nicht generell auszuschließen. Auf die Frage der Präklusion des in der Berufungsinstanz nunmehr erstmalig vorgebrachten Einwandes gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, der Bekl. habe einen derartigen Zettel nicht hinterlassen, kommt es an dieser Stelle insoweit nicht an.

C. Der Bekl. konnte jedoch den gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG möglichen Kausalitätsgegenbeweis führen.

Zu Recht führt das AG in seinem Urteil aus, dass das Verhalten des Bekl., nämlich dass er nur einen Zettel am geschädigten Fahrzeug nach gegebenenfalls einer gewissen Wartezeit angebracht und nicht die Polizei verständigt hat, sich weder auf den Eintritt und die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Versicherung ausgewirkt hat.

Die Kl. ist mit dem erstmals in der Berufungsinstanz erfolgten Bestreiten, dass überhaupt ein Zettel hinterlassen wurde, präkludiert. Dieser Vortrag hätte ohne weiteres bereits in der 1. Instanz erfolgen können und müssen (§ 531 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

Das Bestreiten ist im Übrigen im Hinblick auf den insoweit substantiierten Vortrag des Bekl. unter Verweis auf Blatt 2 der polizeilichen Ermittlungsakte unerheblich. Der in Bezug genommene Zettel lag demnach der Ermittlungsakte bei und es ist davon auszugehen, dass der Bekl. diesen an der Windschutzscheibe befestigt hat, womit sich der Geschädigte zur Schadensmeldung an die Polizei ...

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