Rn 2

Auch im Parteiprozess ist die Vertretung durch Rechtsanwälte der Regelfall, die sich wie auch sonst durch Untervertreter vertreten lassen können. Rechtsanwälte können im Parteiprozess darüber hinaus Referendaren, die bei ihnen iRd Vorbereitungsdienstes beschäftigt sind, für die Verhandlung Vollmacht erteilen (§ 157). Rechtsanwälte in diesem Sinne sind auch Rechtsanwaltsgesellschaften (s § 78 Rn 4) und europäische Rechtsanwälte (s § 78 Rn 5). Die sonstigen vertretungsberechtigten Personen sind in Abs 2 abschließend aufgezählt (›darüber hinaus‹; vgl aber § 27 II Nr 2, III Nr 2 WEG), eine Vertretung durch beliebige prozessfähige Personen erlaubt das Gesetz seit 1.7.08 nicht mehr. Die mit der Norm verfolgten Zwecke, die Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Parteien im gerichtlichen Verfahren und der Ordnung des Prozesses (BGH NJW 11, 929 Rz 23) rechtfertigen einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (BGH NJW 22, 2336 Rz 30) und erlauben eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (EuGH Urt v 10.3.21 – C-739/19, ECLI:EU:C2021:185 = NJW 21, 1515 Rz 22; Urt v 18.5.17 – C-99/16, ECLI:EU:C:2017:391 = NJW 17, 3285 Rz 30) mit der Folge, dass ausländische Rechtsanwälte und Rechtsbeistände wirksam von der Vertretung ausgeschlossen sind (Köln Beschl v 2.1.20 – 7 VA 26/19 Rz 17 zu § 10 FamFG; Zö/Althammer § 79 Rz 1). Die Ausnahmen in Abs 2 S 2 Nr 1–4 sind dem Regelungszweck entsprechend eng auszulegen (Anders/Gehle/Weber ZPO § 79 Rz 5). Immobilienmakler können daher nicht als Gläubigervertreter im Zwangsversteigerungsverfahren auftreten (BGH NJW 11, 929, 931 [BGH 20.01.2011 - I ZR 122/09]). Auch die Berechtigung einer Haftpflichtversicherung zur Prozessführung (AHB 5.2) gibt dieser keine über Abs 2 S 2 hinausgehende Vertretungsbefugnis (BGH NJW 22, 2336 [BGH 10.03.2022 - I ZR 70/21] Rz 6). Die Möglichkeit der Zulassung in Abs 2 nicht genannter Personen besteht nicht, diese Beschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass einer solchen Person durch eine vertretungsberechtigte Person Vollmacht erteilt wird (Musielak/Voit/Weth § 79 Rz 7).

I. Beschäftigte (Abs 2 Nr 1).

 

Rn 3

Die Rechtsform, in der die Genannten handeln, ist für die Anwendung der Norm ohne Bedeutung. Nach dem Wortlaut kommt es auch nicht darauf an, ob das Beschäftigungsverhältnis öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, ob es zeitlich befristet und welcher Art die Beschäftigung ist und ob der Beschäftigte mit der Streitsache befasst ist oder eine Position mit Entscheidungsbefugnissen bekleidet. Maßgebend ist allein, dass es sich um einen Prozess des Geschäftsherrn (Dienstherrn) handelt. Behörden und juristische Personen des Öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen oder Zusammenschlüssen vertreten lassen. Damit wird für eine nicht mehr überschaubare Vielzahl von Personen die Möglichkeit einer Vertretung eröffnet, was für das Gericht im Einzelfall eine erhebliche und durch die Sache kaum gerechtfertigte Mühe bei der Klärung der Vertretungsbefugnisse bedeuten kann (zu Recht krit Anders/Gehle/Weber ZPO § 79 Rz 11f). Eine besondere Qualifikation wird nicht verlangt.

II. Angehörige ua (Abs 2 Nr 2).

 

Rn 4

Die Vorschrift betrifft eine Mischung verschiedenster Personen. Der Kreis der volljährigen Familienmitglieder ist durch die Bezugnahme auf § 11 LPartG und § 15 AO umschrieben: Verlobte, (ehemalige) Ehegatten, Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie, Geschwister und Geschwisterkinder, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Geschwister der Eltern sowie Pflegeeltern und Pflegekinder (§ 15 AO). Weiter können Personen mit der Befähigung zum Richteramt (§ 5 I DRiG) Vertreter sein (s.a. § 6 II RDG). In beiden Fällen kommt es nicht darauf an, ob eine solche Vertretung einmalig ist oder wiederholt stattfindet (Zö/Althammer § 79 Rz 7). Schließlich kann auch eine Vertretung durch Streitgenossen erfolgen, was va bei der einfachen Streitgenossenschaft Bedeutung hat und ermöglicht, die Prozessführung in einer Hand zu konzentrieren, ohne dass ein gemeinsamer Prozessbevollmächtigter bestellt werden muss. In allen Fällen ist eine Vertretung nur zulässig, wenn kein Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit besteht, es darf also kein Zusammenhang mit einem gezahlten oder zu zahlenden Entgelt bestehen, auch wenn die Vertretung selbst nicht zu vergüten ist (Zö/Althammer § 79 Rz 7). Im Einzelnen ist noch vieles unklar (Anders/Gehle/Weber ZPO § 79 Rz 18), das Merkmal ist jedenfalls nicht mit dem Merkmal der Unentgeltlichkeit in § 516 BGB deckungsgleich (Zö/Althammer § 79 Rz 7), sondern autonom auszulegen. Deshalb kann eine Versicherung ihren Versicherungsnehmer auch bei einer Streitgenossenschaft nicht vertreten, sie bleibt auf die Befugnisse als Streitgenossen beschränkt, denn die Abwehr der Ansprüche durch die Versicherung steht im Zusammenhang mit dem gegen Entgelt gewährten Versicherungsschutz (§ 100 VVG) und ist somit Teil einer entgeltlichen Vertragsbe...

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