Erste Tätigkeitsstätte eines Müllwerkers

Für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte kommt es nicht auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit an. Dies gilt auch im öffentlichen Dienst. Streitfälle ergeben sich aber immer wieder hinsichtlich des erforderlichen Tätigkeitsumfangs. Nun hat der Bundesfinanzhof mit seiner Entscheidung bezüglich der erste Tätigkeitsstätte eines Müllwerkers für eine Überraschung gesorgt.

Die erste Tätigkeitsstelle bestimmt sich vorrangig anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Beamte/Angestellte am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er oder sie arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem ausgeübten Berufsbild gehören. Lesen Sie dazu auch unsere News "Schon wieder neue Urteile zur ersten Tätigkeitsstätte".

Überraschung im (vorläufig) letzten Sachverhalt aus dem öffentlichen Dienst

Fraglich war etwa die erste Tätigkeitsstätte eines Müllwerkers, der morgens immer zum Betriebshof des Arbeitgebers kommen muss. Das FG Berlin-Brandenburg hatte in der Vorentscheidung die Auffassung des Finanzamts bestätigt und eine erste Tätigkeitsstätte bejaht (Urteil v. 23.5.2019, 4 K 4259/17).

Der BFH (Urteil vom 02.09.2021 - VI R 25/19) sieht das aber – zumindest in der bisher bekannten Fallkonstellation – anders. Der Betriebshof ist keine erste Tätigkeitsstätte des Müllwerkers, wenn er dort lediglich die Ansage der Tourenleitung abhört, das Tourenbuch, Fahrzeugpapiere und -schlüssel abholt sowie die Fahrzeugbeleuchtung kontrolliert.

Allerdings ist die Sache damit noch nicht zu Ende: Der BFH hat die Angelegenheit nämlich an das Finanzgericht zurückverwiesen. Das soll im zweiten Rechtsgang belastbar feststellen, welche Tätigkeiten der Beschäftigte in den von ihm angegebenen Zeiträumen auf dem Betriebshof tatsächlich ausgeführt hat und ob er diese arbeitsrechtlich schuldete. Zudem sollte das Finanzgericht prüfen, ob diese zum Berufsbild des Klägers gehören. Eventuell könnte dann doch noch eine erste Tätigkeitsstätte zu bejahen sein.

Die Entscheidung des BFH ist ohnehin ein sogenanntes NV-Urteil, das nicht zur Veröffentlichung im Bundessteuerblatt und damit auch nicht zur allgemeinen Anwendung durch die Finanzverwaltung freigegeben ist.

Keine erste Tätigkeitsstätte, aber ein Sammelpunkt?

Liegt endgültig keine erste Tätigkeitsstätte für den Müllwerker vor, ist der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei mehr als achtstündiger Abwesenheit von zu Hause möglich. Um den Spesenansatz geht es im Streitfall. Damit ist aber immer noch nicht klar, in welcher Höhe Fahrtkosten für den Weg zum Betriebshof steuerlich geltend gemacht werden können. Ein Ansatz der Reisekostenpauschale in Höhe von 0,30 Euro bzw. ein steuerfreier Arbeitgeberersatz sind nur möglich, wenn auch ein sogenannter Sammelpunkt ausgeschlossen werden kann.

Hat ein Arbeitnehmender keine erste Tätigkeitsstätte und hat er oder sie nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen (sog. Sammelpunkt), ist nur die sogenannte Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro bzw. 0,35 Euro ab dem 21. Entfernungskilometer anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG). Viel spricht dafür, dass der Betriebshof zumindest einen solchen Sammelpunkt darstellt.

Tipp: Aktuell hat sich der Bundesfinanzhof mit der Frage auseinandergesetzt, was unter arbeitstäglich zu verstehen ist. Lesen Sie dazu unsere News "Fahrtkostenerstattung: Wann liegt ein Arbeitgeber-Sammelpunkt vor?".