Kündigung wegen sexueller Belästigung auch ohne sexuelles Motiv

Eine Kündigung wegen sexueller Belästigung setzt keine sexuelle Motivation des Handelnden voraus. Es reicht aus, wenn durch die Belästigung die Würde des Betroffenen verletzt wird.

Ein Arbeitgeber hatte seinem Arbeitnehmer fristlos gekündigt, weil dieser nach Ansicht des Arbeitgebers einen Leiharbeitnehmer sexuell belästigt habe.

Der Leiharbeitnehmer hatte berichtet, dass der Arbeitnehmer ihm von hinten schmerzhaft in den Genitalbereich gegriffen und anschließend die Bemerkung gemacht habe, er habe „dicke Eier“. Der Arbeitnehmer jedoch bestritt ein Fehlverhalten. Er habe den Leiharbeitnehmer lediglich unabsichtlich am Hinterteil berührt. Der Arbeitgeber war der Ansicht, dass hier ein schweres Fehlverhalten vorliege und kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos und vorsorglich ordentlich. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage.

BAG: Entwürdigende Bemerkung mit sexuellem Inhalt reicht für sexuelle Belästigung aus

Die Kündigungsschutzklage hatte vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) keinen Erfolg.

Das BAG hat entschieden, dass hier ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB für eine fristlose Kündigung vorliegt. Das Verhalten des Klägers erfüllt den Tatbestand der sexuellen Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG. Dieser Verstoß gegen das AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine vertragliche Pflichtverletzung dar, die als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung geeignet ist. Sowohl der zielgerichtete Griff des Klägers in die Genitalien des Mitarbeiters der Fremdfirma als auch die anschließende entwürdigende Bemerkung sexuellen Inhalts stellen eine sexuelle Belästigung nach § 3 Abs. 4 AGG dar.

Dabei kommt es nach Auffassung des BAG bei der Frage, ob eine Handlung sexuell bestimmt sei, nicht nur allein auf das subjektiv erstrebte Ziel des Handelnden an. Auch eine sexuelle Motivation des Handelnden ist nicht erforderlich. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Verhalten die Würde des Betroffenen verletzt. Dies war hier der Fall.

(BAG, Urteil v. 29.6.2017, 2 AZR 302/16)

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