Der Vergleich mit dem aktuellen Stand der Lärmminderungstechnik hat eine große Bedeutung, weil man je nach Ergebnis ggf. auf alle nachfolgenden Schritte verzichten kann. Die Einhaltung des Standes der Technik bedeutet, dass es derzeit keine geeigneten technischen Lärmschutzmaßnahmen für die entsprechenden Arbeitsplätze gibt. D.h. man muss zunächst die gegebene Lärmbelastung und die damit verbundenen Risiken akzeptieren und die Beschäftigten mit Gehörschutz versorgen. Es ist dann allerdings erforderlich, die Lärmsituation regelmäßig auf mögliche Fortschritte in der Lärmminderungstechnik zu überprüfen und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt geeignete Lärmminderungsmaßnahmen zu planen und durchzuführen.

Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutz-Verordnung [1] definiert in § 2 (8) den Stand der Technik als "Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind."

In diesem Schritt des Lärmminderungsprogramms ist nun also zu klären, ob die für die Lärmbelastung relevanten Maschinen und Werkzeuge sowie die Raumakustik dem fortschrittlichen Stand der Lärmminderungstechnik entsprechen. Als Hilfe bei dieser Entscheidung wird auf vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen verwiesen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind. Diese Beurteilung erfordert demnach entsprechende branchenspezifische Erfahrungen in der Produktionstechnik und der Schallschutztechnik.

Zur Beurteilung der Geräuschemission von Maschinen einer bestimmten Art lassen sich die Geräuschemissionskennwerte, wie der Schallleistungspegel (z. B. nach der Normenreihe ISO 3740ff. [6]) oder der Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz (Normenreihe ISO 11200ff. [8]) heranziehen. Um den aktuellen Stand der Lärmminderungstechnik für eine bestimmte Art von Maschinen zu ermitteln, bedarf es genau genommen der Erfassung der Geräuschemission einer repräsentativen Auswahl der jeweiligen Maschinengruppe. Dabei sind die Geräuschemissionsdaten in Abhängigkeit von bestimmten Leistungsparametern, z. B. Nennleistung, Nenndrehzahl oder Gewicht, systematisch auszuwerten. Erfahrungsgemäß können die Geräuschemissionen der von unterschiedlichen Herstellern angebotenen Maschinen einer Art bei vergleichbaren Betriebsbedingungen um 5 bis 20 dB(A) differieren. Die gezielte Auswahl einer leisen Maschine kann sich deshalb ganz wesentlich auf die Lärmsituation an den entsprechenden Arbeitsplätzen auswirken.

In vielen Betrieben hat sich bei der Beschaffung von neuen Arbeitsmitteln eine Praxis durchgesetzt, die auf entsprechende Festlegungen in den Durchführungsanweisungen der 2007 zurückgezogenen Unfallverhütungsvorschrift (UVV) "Lärm" [9] zurückgeht. So wird vielfach gefordert, dass der Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz der Maschine oder der 1 m-Messflächenschalldruckpegel den Wert von 70 dB(A) unterschreitet. Diese Anforderung bedeutet, dass sich an den entsprechenden Arbeitsplätzen bei Überlagerung mehrerer entsprechender Lärmquellen und Schallreflexion an den Raumbegrenzungsflächen in der Regel ein Schalldruckpegel von weniger als 80 dB(A) ergibt. Auch wenn man daraus streng genommen nicht folgern kann, dass damit die fortschrittlichen Regeln der Lärmminderungstechnik erfüllt sind, so sollten sich zumindest gehörgefährdende Lärmbelastungen vermeiden lassen.

Für verschiedene Arbeitsmittel kann der Stand der Lärmminderungstechnik auch durch die Beschreibung des prinzipiellen Aufbaus oder konstruktiver Details eines Bauteiles oder eines Werkzeuges definiert werden. Das kann z. B. in maschinenspezifischen Normen festgelegt sein. Beispiele für entsprechende Lösungen finden sich auch in einigen Publikationen und Lärmschutz-Arbeitsblättern, unter anderem zu geräuschgeminderten Sägeblättern [10], Diamanttrennscheiben (IFA-LSA 02-375) [11] und Druckluftdüsen [12]. Darüber hinaus können auch sekundäre Lärmminderungsmaßnahmen wie Kapselungen oder Abschirmungen als Stand der Lärmminderungstechnik gelten (IFA-LSA 01-243 [13]).

In der Literatur finden sich zahlreiche Beispiele für "lärmarme Arbeitsverfahren", die als Stand der Technik zu verstehen sind, wenn sie mit Erfolg in der Praxis erprobt wurden. Einige dieser Beispiele sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt, die in dieser Form auch in die TRLV Lärm, Teil 3 übernommen wurde [5]:

Verfahren/Arbeitsprinzip
lärmarm geräuschintensiv
Ablegen Abwerfen
Absaugen Abblasen
Bohren Stanzen
Drehschrauber Schlagschrauber
Elektroantrieb Verbrennungsmotor
Gießen Schmieden
Gleitlager Wälzlager
hydraul. Verformen (Kraftformer) Bördeln mit Hammer
hydraul. Ziehen/Drücken Richten mit Hammer
Kleben Nieten
Optische Signalgebung Akustische Signalgebung
Plasmaschneiden Trennen mechanisch
Pressen Schla...

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