Eine chronische Exposition gegenüber Gefahrstoffen, wie z. B. Metallen (Blei, Cadmium, Nickel, Zink), anorganischen Substanzen (Chlor, Kohlenstoffmonoxid, Ammoniumchlorid) oder Stäuben (Zement, Silikon), kann die Zellen der Riechschleimhaut schädigen und so das Riechvermögen beeinträchtigen. Man spricht dann von einer olfaktotoxischen Wirkung.[1]

Eine unmittelbar krankmachende Wirkung durch das Riechen, also den Sinnesvorgang selbst, wurde bislang nicht nachgewiesen. Eine Besonderheit stellen ekelerregende und Übelkeit auslösende Gerüche dar. Diese Einschätzung beruht auf einer Untersuchung von sehr intensiven und penetranten Gerüchen aus einem Champignonzuchtbetrieb. Der Geruch nach Pferdemist, Hühnerkot, Stroh und Naturgips führte bei den betroffenen Anwohnern zu einer extremen Geruchsbelästigung und sie gaben an, dass sie sich aufgrund des Geruchs sogar manchmal übergeben mussten.[2]

Der Geruchssinn funktioniert wie ein Objekterkennungssystem, das sehr stark von Lern- und Assoziationsprozessen beeinflusst wird. Dabei spielen Informationen über den Geruch eine besondere Rolle. So wird der Geruch von Isovaleriansäure beispielsweise als unangenehmer Schweißgeruch oder als wohlschmeckender Käsegeruch interpretiert, je nachdem ob er zusammen mit der Information "dreckige Socken" oder "Käse" präsentiert wird.[3]

Wird der Geruch als ungefährlich eingestuft, gewöhnen wir uns an den Geruch und nehmen ihn nach relativ kurzer Zeit nicht mehr wahr.

 
Praxis-Tipp

Angenehm oder unangenehm? Die Hedonik objektiv messen

Die "angenehm-unangenehm"-Qualität eines Geruchs wird als Hedonik bezeichnet. Eine objektive Methode zur Feststellung, ob es sich um einen angenehmen oder unangenehmen Geruch handelt, bietet die Methode der Polaritätenprofile.[4]

[1] Werner/Nies (2018): Olfactory dysfunction revisited: a reappraisal of work-related olfactory dysfunction caused by chemicals, Journal of Occupational Medicine and Toxicology 13(1):28, https://app.dimensions.ai/details/publication/pub.1106632113#readcube-epdf.
[2] Steinheider/Winneke/Schlipköter (1993): Somatische und psychische Wirkungen intensiver Geruchsimmissionen. Eine Fallstudie aus der Substratherstellung für die Champignonzucht, Staub-Reinhaltung der Luft 53(27): 425–431.
[3] Mayer (2013): Die gesundheitliche Relevanz von Innenraumbelastungen – Die Bedeutung von Gerüchen, Zbl Arbeitsmed 63: 312–323, www.bghw.de/arbeitsschuetzer/praevention-von-a-z/a-e/biologische-gefaehrdungen/redaktionsablage/ZB_2013_06_Mayer_Gerueche.pdf.
[4] Sucker/Brüning (2019): Duft oder Gestank am Arbeitsplatz, IPA Journal 02/2019, www.ipa-dguv.de/ipa/publik/ipa-journale/index.jsp.

2.1 Gerüche als Stressfaktor

Ein Geruch kann zum Stressfaktor werden, wenn er mit Sorgen über ein mögliches Gesundheitsrisiko verbunden ist. Die Gewöhnung an den Geruch bleibt aus. Stattdessen findet ein Sensitivierungsprozess statt. Dieser Prozess geht mit einer Steigerung der Empfindlichkeit einher, d. h., die Wahrnehmungsschwelle für den Geruch sinkt, sodass immer weniger Moleküle ausreichen, um den Geruch eindeutig zu erkennen. Gleichzeitig verändert sich die Aufmerksamkeit für Gerüche, d. h., man achtet stärker auf Gerüche als vorher. Die Erwartung negativer Auswirkungen auf die Gesundheit führt zu einer genaueren Überwachung der eigenen Körpersignale. Die Folge ist, dass auch unbedeutende Symptome, wie z. B. leichte Kopfschmerzen, die in einer anderen Situation vielleicht gar nicht bemerkt worden wären, im Sinne der Erwartung interpretiert werden. Die Symptome werden in diesem Fall nicht von dem Geruch verursacht, sondern dem Geruch als Ursache zugeschrieben ("Attribution").

Zudem lassen sich Gerüche besonders gut konditionieren. Konditionieren bedeutet "Reiz-Reaktions-Lernen" und kann bewusst, aber auch unbewusst erfolgen. Das zeitgleiche Auftreten eines Geruchs (z. B. Lackgeruch) und einer körperlichen Empfindung, z. B. Übelkeit aufgrund einer beginnenden Magen-Darm-Grippe, reicht aus, um eine dauerhafte starke Abneigung gegen diesen Lackgeruch zu entwickeln. Diese Abneigung kann sich auch entwickeln, wenn beide Ereignisse zeitversetzt auftreten und im Nachhinein der Geruch als Ursache für die Übelkeit interpretiert wird. Die Folge ist, dass der Lackgeruch anschließend selbst Übelkeit auslösen kann.

Die zugrunde liegenden psychobiologischen Mechanismen dieser Verstärkerprozesse gehören zu unserem evolutionären Erbe und sollen uns bei Gefahr schützen. Leider sind diese Mechanismen störanfällig. Die Verstärkerprozesse können über das Ziel hinausschießen und außer Kontrolle geraten.

Einige Studien stützen die Theorie der stressvermittelten Entstehung von körperlichen Symptomen durch die Wahrnehmung von Gerüchen. So wurden beispielsweise bei Betroffenen, die sich durch Gerüche stark belästigt fühlten, erhöhte Cortisolwerte bzw. erniedrigte Werte des Immunglobulins A (sIgA) gefunden. Das Stresshormon Cortisol hat eine dämpfende Wirkung auf das Immunsystem. IgA gehört zu den wichtigsten Antikörpern, da sie das Eindringen von Krankheitserregern in den Körper v...

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