Leitsatz

Die Veräußerung von Zahlungsansprüchen (ohne Fläche), die einem Landwirt aufgrund der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP-Reform) zugewiesen worden waren, unterliegt der Umsatzbesteuerung. Sie ist nicht gem. § 24 UStG nach Durchschnittssätzen zu besteuern und ist auch nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 8 Buchst. c, § 24 UStG, Art. 135 Abs. 1 Buchst. d, Art. 295 ff. MwStSystRL, Art. 3, Art. 4, Art. 33 ff., Art. 43 ff., Art. 46 EGVO Nr. 1782/2003

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Landwirt und unterwirft seine Umsätze der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG. Ihm stehen flächenbezogene Zahlungsansprüche nach §§ 43ff. der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rats vom 23.09.2003 zu. Er veräußerte im Streitjahr 2007 18,58 Zahlungsansprüche zu je 350 EUR, d.h. zu insgesamt 6 503 EUR an A.

Er war der Ansicht, dieser Umsatz unterliege als Hilfsumsatz der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG oder sei nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei.

Das FA unterwarf den Umsatz dem Regelsteuersatz. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Niedersächsische FG gab der Klage statt: Es handele sich um einen Umsatz im Geschäft mit Forderungen, der nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei sei (Niedersächsisches FG, Urteil vom 13.08.2009, 16 K 360/08, Haufe-Index 2271166, EFG 2010, 363).

 

Entscheidung

Die Revision des FA führte zur Aufhebung des FG-Urteils und Abweisung der Klage. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen bei der gebotenen restriktiven richtlinienkonformen Auslegung des § 24 UStG nur diejenigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse und landwirtschaftlichen Dienstleistungen, die in Art. 25 i.V.m. Anhang A und B der 6. EG-RL genannt sind (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 13.08.2008, XI R 8/08, BFH/NV 2008, 2149, BFH/PR 2009, 62).

An die Stelle von Art. 25 der 6. EG-RL sind mit Wirkung ab dem 01.01.2007 die Art. 295 ff. der MwStSystRL getreten.

Die Veräußerung von Zahlungsansprüchen nach Art. 43 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rats vom 23.09.2003 fällt eindeutig nicht unter die in Art. 295 ff. der MwStSystRL genannten "landwirtschaftlichen Erzeugnisse" oder "landwirtschaftlichen Dienstleistungen".

2. Soweit sich nach der früheren Rechtsprechung des BFH die Durchschnittsbesteuerung auch auf Hilfsumsätze erstreckt, so gilt dies nicht für die Veräußerung von Zahlungsansprüchen nach Art. 43 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003. Denn als Hilfsumsätze hat der BFH nur solche Umsätze angesehen, die die übrigen Umsätze im landwirtschaftlichen Betrieb unterstützen sowie abrunden und durch diese veranlasst sind (vgl. BFH, Urteil vom 20.10.1994, V R 24/92, BFH/NV 1995, 928).

Dies ist bei der Veräußerung der genannten Zahlungsansprüche nicht der Fall. Denn diese sind eine dem Betriebsinhaber zugewiesene, personenbezogene Beihilfe. Die Beihilfe erfolgt flächenbezogen, ist aber in der Folge nicht an die Bewirtschaftung bestimmter Flächen oder deren konkrete Nutzung gebunden. Der Betriebsinhaber kann die Zahlungsansprüche daher auch ohne eine Fläche veräußern.

3. Nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG sind die Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze steuerfrei, ausgenommen die Einziehung von Forderungen.

Die Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-RL bzw. seit dem 01.01.2007 auf dem an seine Stelle getretenen Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL. Diese Bestimmungen erfassen nur Finanzgeschäfte (vgl. EuGH, Urteil vom 19.04.2007, C-455/05"Velvet & Steel Immobilien", BFH/NV 2007, Beilage 3, 294).

Die Übertragung von Zahlungsansprüchen nach der Betriebsprämienregelung der Gemeinsamen Agrarpolitik durch Verkauf ohne Fläche ist kein Finanzgeschäft in diesem Sinn.

Davon gehen sowohl die Europäische Kommission als auch – mit großer Mehrheit – der Beratende Ausschuss für die Mehrwertsteuer aus. Sie sehen die Übertragung als Dienstleistung i.S.d. Art. 25 Buchst. a der MwStSystRL an. Nach dieser Bestimmung kann eine Dienstleistung auch in der "Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstands, gleichgültig, ob in einer Urkunde verbrieft oder nicht" gesehen werden (vgl. Europäische Kommission, Mehrwertsteuerausschuss, Arbeitsunterlagen Nr. 630 vom 09.09.2009 und Nr. 662 Final vom 09.09.2010).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.03.2011 – XI R 19/10

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