Rz. 17

Mit der Klage anfechtbar ist nur der erlassene, d. h. gem. § 122 AO bekannt gegebene, Verwaltungsakt, da er gem. § 124 Abs. 1 AO erst mit der Bekanntgabe Rechtswirkungen erzeugt[1]. Die Klagefrist beginnt nach § 54 FGO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB um 0 Uhr des auf die Bekanntgabe folgenden Tages, da der Tag der Bekanntgabe in die Frist nicht eingerechnet wird (§ 54 FGO Rz. 10).

 

Rz. 17a

Maßgeblich ist die

  • Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung[2] in allen Fällen, in denen für die Klage (Rz. 2, 3) ein finanzbehördliches Einspruchsverfahren durchzuführen ist (§ 44 FGO Rz. 5).
  • Bekanntgabe des anzufechtenden Verwaltungsakts, soweit ein finanzbehördliches Einspruchsverfahren nicht gegeben ist (§ 348 AO; § 44 FGO Rz. 5) bzw. statt der Einspruchseinlegung nach § 357 AO eine Sprungklage nach § 45 FGO erhoben worden ist (§ 45 FGO Rz. 7).
  • Bekanntgabe der Allgemeinverfügung (Rz. 7a, 8, 19e).
 

Rz. 18

Der Beginn der Klagefrist setzt eine rechtswirksame Bekanntgabe des Verwaltungsakts bzw. der Einspruchsentscheidung voraus. Unerheblich ist die Form der Bekanntgabe, die aber den Bekanntgabezeitpunkt beeinflusst (Rz. 19).

 

Rz. 18a

Maßgeblich für den Fristbeginn ist ausschließlich die Rechtstatsache der Bekanntgabe, nicht die Datierung oder der Regelungsinhalt des angefochtenen Verwaltungsakts bzw. der Einspruchsentscheidung. Die Klagefrist beginnt auch, wenn z. B. im Steuerbescheid von der Steuererklärung abgewichen und auf diese Abweichung nicht hingewiesen worden ist[3], wobei die fehlende Erläuterung ggf. einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen kann.

 

Rz. 18b

Maßgeblich für den Fristbeginn ist bei wirksamer doppelter oder mehrfacher Bekanntgabe zu verschiedenen Zeitpunkten die zeitlich erste Bekanntgabe. Das gilt nicht nur bei der nochmaligen Bekanntgabe an denselben Empfänger[4], sondern auch bei Bekanntgabe an verschiedene Empfänger[5]. Auf die Kenntnis des Bevollmächtigten, dem später bekannt gegeben wird, von der vorangehenden anderen Bekanntgabe kommt es nicht an[6]. Bei Bekanntgabe an mehrere Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten ist die erste Bekanntgabe maßgebend[7].

 

Rz. 18c

Die Klagefrist beginnt erst mit der Bekanntgabe der vollständigen Einspruchsentscheidung[8].

 

Rz. 18d

Für die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten regelt § 122 Abs. 1 S. 1 AO, dass ein Verwaltungsakt grundsätzlich dem Beteiligten bekannt zu geben ist, wobei nach dem Ermessen der Behörde gem. § 122 Abs. 1 S. 3 AO der Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden kann. Im Rahmen der Ermessensausübung ist § 80 Abs. 3 S. 1 AO zu beachten. Liegt eine Empfangsvollmacht des Bevollmächtigen der Behörde vor, so ist diese bei der Bekanntgabe von Verwaltungsakten zu beachten[9]. Anderenfalls ist die Bekanntgabe unwirksam[10]. Die Behörde hat in diesem Fall i. d. R. kein Wahlrecht mehr zwischen der Bekanntgabe des Verwaltungsakts an den Beteiligten oder an den Bevollmächtigten, sondern muss den Verwaltungsakt an den Bevollmächtigten bekannt geben[11]. Eine Bekanntgabe an den Beteiligten direkt kommt im Einzelfall nur dann in Betracht, wenn besondere Gründe gegen die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten sprechen[12]. Diese Regelung greift stets ein, wenn der Bevollmächtigte eindeutig und unmissverständlich gerade auch als Bekanntgabeadressat bestimmt ist und sich dies unmittelbar aus der Vollmachtserteilung ergibt[13].

Liegt demgegenüber keine schriftliche Empfangsvollmacht des Bevollmächtigten der Behörde vor, so muss diese Verwaltungsakte dem Beteiligten selbst bekannt geben, es sei denn, dass die besonderen Umstände des Einzelfalls das Interesse des Beteiligten an einer Bekanntgabe gegenüber seinem Bevollmächtigten eindeutig erkennen lassen[14].

Die Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Zustellung nach § 122 Abs. 5 AO i. V. m. dem VwZG an den Bevollmächtigten regelt § 7 VwZG. Liegt keine schriftliche Vollmacht vor, kann sie an den Bevollmächtigten erfolgen[15]. Liegt eine schriftliche Vollmacht vor, hat die Zustellung an den Bevollmächtigten zu erfolgen, anderenfalls ist sie unwirksam (§ 8 VwZG). Dieser Zustellungsmangel i. S. v. § 8 VwZG wird aber dann geheilt, wenn der Bevollmächtigte den Verwaltungsakt tatsächlich erhalten hat[16].

 

Rz. 18e

Die Behörde hat im Zweifel die Bekanntgabe und deren Zeitpunkt zu beweisen[17].

[4] Hamburgisches OVG v. 20.9.1995, Bs IV 143/95, NJW 1996, 1226; Hamburgisches OVG v. 23.8.1995, Bs IV 183/95, NJW 1996, 1225; BVerwG v. 11.5.1979, 6 C 70/78, HFR 1980, 204.
[6] BVerwG v. 31.7.1998, 9 B 776/98, HFR 2000, 310.

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