Rn. 123

Stand: EL 169 – ET: 12/2023

Das EStG erfasst allgemein nur Tätigkeiten zwecks Einkünfteerzielung, nicht aber Tätigkeiten in der steuerlich irrelevanten Privatsphäre (Bereich der allgemeinen Lebensführung und persönlicher Neigungen); die der Privatsphäre zuzuordnenden verlustbringenden Tätigkeiten aus sog "Liebhaberei" sind steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung iSv § 12 Nr 1 EStG (allerdings kommen Zweifel auf angesichts des Big-Brother-Urteil des BFH vom 24.04.2012, BStBl II 2012, 581 Rz 30, wonach es für einkommensteuerliche Relevanz nicht auf einen ex ante positiven Erwartungswert ankomme, sondern nur auf die ex post Annahme einer Gegenleistung, hier bezogen auf § 22 Nr 3 EStG). Wie Westerfelhaus, DStZ 2005, 585 zutreffend feststellt, geht es bei der Ausgrenzung von verlustbehafteten Tätigkeiten nicht um "Liebhaberei" im Wortsinn, sondern ausschließlich um das Erkennen von "nicht abzugsfähigen Ausgaben", wie die Überschrift zu § 12 EStG es besagt. Der Begriff der "Liebhaberei" ist hierfür nur ein gebräuchliches "Synonym".

Der Dualismus der Einkunftsarten und einkunftsspezifische Besonderheiten machen es erforderlich, zunächst die Einkunftsart zu klären, bevor die Einkünfteerzielungsabsicht zu prüfen ist (BFH BStBl II 2002, 791). Eine die Einkunftsarten übergreifende Einkünfteerzielungsabsicht kennt das Gesetz nicht. Einkünfteerzielungsabsicht ist nur ein Oberbegriff für Überschuss- bzw Gewinnerzielungsabsicht: BFH vom 25.09.2008, BFH/NV 2009, 482.

Voraussetzung für einen Gewerbebetrieb ist gemäß § 2 Abs 1 S 2 GewStG iVm § 15 Abs 2 S 1 EStG ua Gewinnerzielungsabsicht. Fehlt diese Absicht, liegt steuerlich unbeachtliche sog Liebhaberei vor. Selbst eine fiktiv aufgrund einer Betriebsaufspaltung gewerbliche Besitz-PersGes kann keine steuerlich relevanten Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit erzielen, wenn es ihr an der Gewinnerzielungsabsicht fehlt: BFH vom 12.04.2018, BStBl II 2020, 118 Tz 23; BFH vom 13.11.1997, BStBl II 1998, 254 unter 2.f.).

Der steuerliche Begriff der Liebhaberei findet sich zwar nicht im EStG, es handelt sich jedoch um einen durch die Rspr entwickelten und inzwischen klar konturierten Rechtsbegriff: Kanzler, FR 2023, 241.

Die Rspr des BFH zur sog Liebhaberei ist – wie das BVerfG mehrfach entschieden hat – verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden: s BHF vom 27.11.2008, IV R 17/06, HFR 2009, 771 mwN zu II.3.g. der Begründung und zB BVerfG vom 30.09.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88.

Definition der "Gewinnerzielungsabsicht"

Eine die Einkunftsarten übergreifende Einkünfteerzielungsabsicht kennt das EStG nicht (Kanzler, FR 2023, 241). Im Rahmen von § 15 Abs 2 EStG ist demgemäß eine betriebsbezogene Liebhabereiprüfung – ggf eine nur partielle, als Segmentierung (s Rn 125a) bezeichnete – auf Vorliegen einer Totalgewinnerzielungsabsicht, erforderlich. Die Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht in ihrer spezifischen Form der Gewinnerzielungsabsicht ist im Wesentlichen eine Frage der Tatsachenwürdigung (BFH vom 23.08.2017, BFH/NV 2018, 36), dient der Abgrenzung der steuerbaren Erwerbssphäre von der nicht steuerbaren Privatsphäre (sog Liebhaberei, s § 12 EStG) und ist als subjektives Tatbestandsmerkmal konstitutives Merkmal des risikobehafteten Gewerbebetriebs, abgestellt

  • bei neu eröffneten Betrieben, trotz Abschnittsbesteuerung, auf einen Totalperiodengewinn auf der Vermögensebene: zur Definition s Rn 124, insbesondere zur generationsübergreifenden objekt- bzw nur subjektbezogenen Betrachtung
  • unter Einbezug des voraussichtlich – Prognose erforderlich, s BFH BFH/NV 2011, 804 – erzielbaren Veräußerungs- oder Aufgabegewinns,

und hat eine andere Zielrichtung als die Überschusserzielungsabsicht: BFH vom 09.03.2011, BFH/NV 2011, 1064.

Außerhalb des Hobbybereichs bedarf es allerdings zusätzlicher Anhaltspunkte dafür, dass Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden, an deren Feststellung sind keine hohen Anforderungen zu stellen (BFH vom 23.08.2017, aaO).

Es ist also eine zweistufige Prüfung notwendig, objektiv vorliegende Gewinnerzielungsabsicht und im Zweifel negative persönliche Komponente.

Bei verschiedenen, wirtschaftlich eigenständigen Betätigungen ist die Gewinnerzielungsabsicht im Wege der Segmentierung gesondert für die jeweilige Betätigung zu prüfen: BFH vom 23.08.2017, aaO; BFH vom 02.08.1994, BFH/NV 1995, 866; im Einzelnen s Rn 125a.

Das Tatbestandsmerkmal Gewinnerzielungsabsicht im Sinne eines normativ im Voraus gedachten Sachverhalts (so Weber-Grellet, Beiheft zu DStR Heft 39/2007, 40, 46) gebietet keine Feststellung einer sich hinter der Stirn des StPfl abspielenden inneren Tatsache im Sinne eines "gesteigerten Vorsatzes" (Weber-Grellet, DB 2002, 2568; glA BFH BStBl II 1986, 289 zu 2.b.); aA BFH BFH/NV 2004, 1381 zu II.1. und s weitere abweichende Rspr-Nachweise bei Weber-Grellet, Beiheft zu DStR Heft 39/2007, 48 Fn 76), sondern kann im Zweifel (Verlustanfall) positiv nur anhand von ex ante vorliegenden objektiven Beweisanzeichen für einen prognostizierbare...

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