Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Dienstleistung, Dauerleistung, Periodenweise abgerechnete Beratungsleistungen ohne konkreten Leistungsinhalt, Leistungsbereitschaft, Steuerentstehung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Dienstleistung“ die Fälle von Abonnementverträgen über die Erbringung von Beratungsdienstleistungen, insbesondere im Rechts-, Wirtschafts- und Finanzbereich, gegenüber einem Unternehmen umfasst, in deren Rahmen sich der Leistende dem Auftraggeber für die Dauer des Vertrags zur Verfügung gestellt hat.

2. Bei Abonnementverträgen über Beratungsdienstleistungen wie denen des Ausgangsverfahrens sind die Art. 62 Abs. 2, 63 und 64 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass der Steuertatbestand und der Steueranspruch mit Ablauf des Zeitraums eintreten, für den die Zahlung vereinbart wurde, ohne dass es darauf ankommt, ob und wie oft der Auftraggeber die Dienste des Leistenden tatsächlich in Anspruch genommen hat.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 24 Abs. 1, Art. 62 Abs. 2, Art. 63, 64 Abs. 1

 

Beteiligte

Asparuhovo Lake Investment Company

Asparuhovo Lake Investment Company OOD

Direktor na Direktsia Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika Varna pri Tsentralno Upravlenie na Natsionalnata Agentsia za Prihodite

 

Verfahrensgang

Administrativen sad Varna (Bulgarien) (Beschluss vom 29.09.2014; ABl. EU 2014, Nr. C 439/24)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 24 Abs. 1, Art. 25 Buchst. b, Art. 62 Abs. 2, Art. 63 und Art. 64 Abs. 1 ‐ Begriff ‚Dienstleistung‘ ‐ Abonnementvertrag über die Erbringung von Beratungsdienstleistungen ‐ Steuertatbestand ‐ Erforderlichkeit des Nachweises der tatsächlichen Erbringung der Dienstleistungen ‐ Steueranspruch“

In der Rechtssache C-463/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad ‐ Varna (Bulgarien) mit Entscheidung vom 29. September 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Oktober 2014, in dem Verfahren

Asparuhovo Lake Investment Company OOD

gegen

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Asparuhovo Lake Investment Company OOD, vertreten durch J. Fitsev,

‐ des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite, vertreten durch A. Kirova als Bevollmächtigte,

‐ der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis und A. Magrippi als Bevollmächtigte,

‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, R. Campos Laires und A. Cunha als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Roussanov und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 24 Abs. 1, 25 Buchst. b, 62 Abs. 2, 63 und 64 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Asparuhovo Lake Investment Company OOD (im Folgenden: ALIC) und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis“ Varna bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen) (im Folgenden: Direktor) wegen Abzugs der Mehrwertsteuer, die als Vorsteuer auf den Erwerb von abonnierten Beratungsdienstleistungen erhoben wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;

…“

Rz. 4

Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbes...

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