Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung zur Übertragung eines Gegenstandes (Sachleistungsverpflichtung) ist mit dem für den Gegenstand maßgebenden steuerlichen Wert zu bewerten (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

BewG 1965 § 9

 

Tatbestand

Streitig ist die vermögensteuerliche Behandlung eines am Stichtag noch nicht vollzogenen Grundstücksverkaufs.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Sie verkauften mit notariellem Vertrag vom 5. November 1968 eine Wiese von 25 000 qm für 1 550 000 DM. Der Käufer erwarb die Wiese, um darauf eine Fabrik zu errichten. Die erste Kaufpreisrate von 1 000 000 DM war innerhalb von drei Monaten nach Kaufabschluß unter der Voraussetzung zu zahlen, daß die Behörden der Errichtung der Fabrik grundsätzlich zustimmten. War die Zustimmung innerhalb dieses Zeitraums nicht zu erreichen, sollte der Betrag auf ein Sperrkonto eingezahlt werden. Er war für die Kläger verfügbar, wenn die grundsätzliche Zustimmung innerhalb einer weiteren Frist von vier Monaten erfolgte. War auch dies nicht zu erreichen, sollte der Käufer innerhalb von drei Tagen von Kaufvertrag zurücktreten können. Trat er nicht zurück, stand den Klägern ein Rücktrittsrecht innerhalb von drei Monaten zu. Die zweite Kaufpreisrate war zwei Jahre nach der Beurkundung fällig. Außerdem erhielten die Kläger eine Zinsentschädigung von 75 000 DM, wovon am 5. November 1968 bereits 25 000 DM bezahlt waren.

Besitz, Nutzen, Lasten und Steuern sollten bei Bezahlung der ersten Kaufpreisrate auf den Käufer übergehen. Außerdem wurde eine Auflassungsvormerkung bewilligt und ihre Eintragung beantragt.

Das damals noch zuständige Finanzamt X schrieb den Einheitswert für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit Bescheid vom 29. April 1969 auf den 1. Januar 1969 fort. Dabei ließ es die Wiese außer Betracht.

Bei der gemeinsamen Veranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1969 setzte das FA X bei den Klägern die Kaufpreisforderung an. Den Einheitswert des Grundstücks und die Verpflichtung der Kläger zur Übereignung des Grundstücks ließ es außer Ansatz.

Das FA X war den Klägern nicht gefolgt, daß der Kaufvertrag unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 4 des Bewertungsgesetzes - BewG - 1965) abgeschlossen worden sei und daß statt der Kaufpreisforderung der Einheitswert des Grundstücks hätte angesetzt werden müssen.

Auch die Klage blieb erfolglos. Während des Klageverfahrens ist aufgrund organisatorischer Maßnahmen der Finanzverwaltung an die Stelle des FA X zunächst das FA Y, dann das FA Z (Beklagter und Revisionsbeklagter) getreten. Das Finanzgericht (FG) stellte den im Vertrag enthaltenen Rücktrittsvorbehalt einer auflösenden Bedingung (§ 5 BewG 1965) gleich. Den Ansatz der Kaufpreisforderung hielt es deshalb für zutreffend. Das Grundstück mit dem Einheitswert anzusetzen, hielt es dagegen nicht mehr für möglich, weil das Grundstück zum 1. Januar 1969 bereits dem Käufer zugerechnet sei (§ 232 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -). Den Einwand der Kläger, daß ihnen der Fortschreibungsbescheid vom 29. April 1969 nicht zugegangen sei, ließ es nicht gelten.

Mit der Revision rügen die Kläger eine Verletzung von materiellem und formellem Recht. Sie beanstanden, daß das FG den Grundstücksvertrag selbst ausgelegt habe, statt dazu den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien durch deren Vernehmung festzustellen. Dabei hätte sich nämlich ergeben, daß diese beabsichtigten, den Kaufvertrag nur unter einer aufschiebenden Bedingung abzuschließen. Das FG habe auch nicht ermittelt, ob ihnen der Fortschreibungsbescheid vom 29. April 1969 zugegangen sei. Das Urteil enthalte dazu noch nicht einmal Feststellungen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG vom 28. Oktober 1975 aufzuheben und die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1969 auf null DM festzusetzen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen, bis über die Zurechnung des Grundstücks rechtskräftig entschieden sei.

Das FA Z beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Der Ansatz der Kaufpreisforderung bei der Vermögensteuerveranlagung der Kläger ist nicht zu beanstanden. Das FG hat den notariellen Vertrag dahin ausgelegt, daß er sofort mit Vertragsabschluß wirksam werden sollte und daß sich die Vertragsparteien lediglich ein Rücktrittsrecht vorbehalten haben. Das FG hat dabei weder gegen Auslegungsgrundsätze verstoßen noch seine Ermittlungspflicht verletzt.

Für die Auffassung der Kläger, daß der Kaufvertrag nur aufschiebend bedingt abgeschlossen worden sei, gibt der Vertragstext nichts her. Nach seinem eindeutigen Wortlaut war der Vertrag nicht von der Zustimmung der Behörden zum Bau der Fabrik abhängig. Er konnte lediglich durch die Erklärung des Rücktritts für die Zukunft wieder aufgelöst werden. Die Vertragspartner waren dann verpflichtet, das inzwischen Erlangte einander wieder zurückzugewähren (vgl. unter VII des Vertrages). Ein Rücktritt konnte aber auch unterbleiben, selbst wenn die behördlichen Genehmigungen nicht erteilt würden.

Die Kläger haben bisher nicht behauptet, daß der Notar ihren Willen unrichtig beurkundet hätte. Folgerichtig haben sie auch beim FG nicht ihre und die Vernehmung des Käufers beantragt. Eine solche mußte sich dem FG auch nicht aufdrängen. Das FG hat deshalb nicht gegen seine Ermittlungspflicht verstoßen, wenn es seiner Auslegung lediglich den Vertragstext zugrunde gelegt hat.

Der Senat hat in seinem Urteil vom 27. Oktober 1967 III R 43/67 (BFHE 90, 515, BStBl II 1968, 116) entschieden, daß die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts bewertungsrechtlich einer Einigung über eine auflösende Bedingung gleichzustellen sei. Auflösend bedingte Erwerbe sind jedoch bewertungsrechtlich wie unbedingte zu behandeln (§ 5 Abs. 1 BewG 1965). Das machte es im vorliegenden Fall erforderlich, die Kaufpreisforderung bei der Vermögensteuerveranlagung der Kläger anzusetzen.

2. a) Für den Ansatz der Kaufpreisforderung bei der Vermögensteuerveranlagung der Kläger auf den 1. Januar 1969 ist es ohne Einfluß, ob die Zurechnungsfortschreibung des Grundstücks auf den Käufer wirksam erfolgt ist. Denn für die Frage, ob die Kaufpreisforderung anzusetzen war, kam es allein auf die Auslegung des Vertrags an. Die Wirksamkeit der Fortschreibungsveranlagung ist aber von Bedeutung für die Frage, ob und mit welchem Wert das Grundstück und die Verpflichtung der Kläger, dem Käufer das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen (Sachleistungsverpflichtung), bei der Vermögensteuerveranlagung der Kläger noch zu berücksichtigen war. Sollte die Behauptung der Kläger zutreffen, daß ihnen der Fortschreibungsbescheid vom 29. April 1969 nicht zugegangen ist, und sollte die Sachleistungsverpflichtung der Kläger nicht mit dem Einheitswert des Grundstücks, sondern - wie es der bisherigen Rechtsprechung des Senats entspricht (vgl. Urteile vom 24. August 1962 III 288/60 U, BFHE 75, 715, BStBl III 1962, 526, und vom 22. November 1968 III R 49/68, BFHE 94, 498, BStBl II 1969, 226) - mit dem gemeinen Wert anzusetzen sein, dann wäre dem Revisionsantrag der Kläger stattzugeben. Denn dann würden sich die Kaufpreisforderung der Kläger und ihre Sachleistungsverpflichtung (jeweils in Höhe von 1 550 000 DM) gegenseitig aufheben. Es bliebe dann lediglich das Grundstück mit dem Einheitswert anzusetzen.

b) Der Senat kann indessen die Frage, ob die Kläger den Fortschreibungsbescheid vom 29. April 1969 erhalten haben, dahingestellt sein lassen. Denn er hat inzwischen dem II. Senat des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. dessen Urteil vom 30. März 1977 II R 143/66, BFHE 122, 152, BStBl II 1977, 556) gegenüber erklärt, daß er an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Bewertung von Sachleistungsverpflichtungen (und Sachleistungsansprüchen) nicht mehr festhält. Grund dafür waren die unbefriedigenden Ergebnisse, die sich bei der Erbschaftsteuer ergaben, wenn der Erbe ein Vermächtnis auf ein zum Nachlaß gehörendes Grundstück zu erfüllen hatte. Es handelt sich dabei um eine Sachleistungsverpflichtung, die nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats mit dem gemeinen Wert zu bewerten war. Da das Grundstück mit dem Einheitswert anzusetzen ist, wurde das Vermögen häufig in einem Ausmaß vermindert, das nicht mehr den rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Übertragungsverpflichtung an dem Grundstück entsprach. Die Sachleistungsverpflichtung kann aber nach Auffassung des Senats auf das übrige Vermögen, soweit es nicht in dem zu leistenden Gegenstand besteht, keine Auswirkungen haben. Diese Problematik besteht übrigens auch bei der Vermögensteuer, wenn bei dem Steuerpflichtigen ein am Stichtag noch nicht erfülltes Schenkungsversprechen zu berücksichtigen ist. Der Senat ist deshalb mit dem II. Senat des BFH der Auffassung, daß die Verpflichtung auf Übereignung eines Gegenstandes (Grundstücks) nicht anders bewertet werden kann als der Gegenstand selbst. Für die Bewertung des Sachleistungsanspruchs gilt das gleiche. Damit gewinnt die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs - RFH - (vgl. Urteil vom 3. November 1939 III e 14/39, RStBl 1940, 363) wieder Bedeutung. Bei der Beurteilung von Grundstückskaufverträgen im Rahmen der Vermögensteuer bedeutet dies im Ergebnis, daß der Käufer zu einem früheren Zeitpunkt in den Genuß des (meist niedrigeren) Einheitswerts des Grundstücks kommt, als es nach der bisherigen Rechtsprechung der Fall war.

c) Geht man im vorliegenden Fall davon aus, daß das Grundstück am 1. Januar 1969 noch nicht wirksam auf den Käufer fortgeschrieben war, so waren bei den Klägern neben der Kaufpreisforderung sowohl das Grundstück als auch ihre Sachleistungsverpflichtung anzusetzen. Der Ansatz dieser beiden Vermögenswerte erfolgte mit dem Einheitswert; die Werte hoben sich jedoch gegenseitig wieder auf. Es blieb lediglich die Kaufpreisforderung, die mit dem Nennwert (1 550 000 DM) anzusetzen war.

Nimmt man dagegen an, daß die Fortschreibung des Grundstücks wirksam erfolgt ist, so konnte das Grundstück bei den Klägern nicht mehr angesetzt werden. Es entfiel dann auch der Ansatz der Sachleistungsverpflichtung (vgl. BFH-Urteil III R 49/68). Es war lediglich die Kaufpreisforderung zu berücksichtigen.

Die Frage, ob die Kläger den Fortschreibungsbescheid vom 29. April 1969 erhalten haben, konnte somit offenbleiben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72761

BStBl II 1978, 398

BFHE 1979, 75

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