Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzere tatsächliche Nutzungsdauer bei Gebäuden

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die in § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG typisierte (Regel-)Nutzungsdauer eines Gebäudes beginnt unabhängig von dessen Alter bei jedem Eigentümerwechsel erneut, mit der Folge, dass sich Abschreibungszeiträume ergeben können, die über die im Bewertungsrecht unterstellte (bei Mietwohngrundstücken 80jährige) Gesamtnutzungsdauer weit hinausreichen.

2) Ob den AfA gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen ist und wie diese zu bemessen ist, ist eine dem Tatrichter obliegende Entscheidung, die unter Abwägung aller individuellen Umstände des konkret zu beurteilenden Sachverhalts zu treffen ist.

3) Die tatsächliche Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie durch rechtliche Gegebenheiten.

4) Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer. Ist ein Gebäude vor Ablauf seiner technischen Nutzungsdauer aufgrund greifbarer Anhaltspunkte objektiv wirtschaftlich verbraucht, ist diese kürzere Nutzungsdauer zugrunde zu legen.

 

Normenkette

EStDV § 11c; EStG § 7 Abs. 4

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei Vornahme der AfA für das im Jahr 2012 (Streitjahr) erworbene Vermietungsobjekt des Klägers „A-Straße …” in H eine gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG verkürzte Nutzungsdauer von 40 Jahren zugrunde zu legen ist.

Der mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Kläger erzielte im Streitjahr als … Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und – in geringem Umfang – aus Gewerbebetrieb. Daneben war er selbständig (freiberuflich) tätig und erzielte Einkünfte aus der Vermietung diverser Immobilien. Ausweislich einer in den Vertragsakten befindlichen Veräußerungsanzeige erwarb der Kläger mit notariellem Vertrag vom …. September 2012 das in H, Gemarkung B belegene, mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück „A-Straße …” zu einem Kaufpreis von 510.000 € (ohne Erwerbsnebenkosten). Der Übergang von Nutzungen und Lasten erfolgte zum 1. November 2012. Im Zeitpunkt des Erwerbs waren alle (sechs) Wohneinheiten des Mehrfamilienhauses vermietet. Dabei bestand eines der Mietverhältnisse bereits seit dem Jahr 2000, die übrigen in den Vertragsakten abgehefteten Mietverträge waren im Laufe des Streitjahres noch von den Voreigentümern abgeschlossen worden. Aus den dort niedergelegten Vereinbarungen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, ergeben sich Nettokaltmieten i.H. von 390 € (für eine 47 qm-Wohnung im 2. Obergeschoss), 480 € (für 2 ZKDB im 2. Obergeschoss), 580 € (für eine 72 qm-Wohnung im 1. Obergeschoss) und 820 DM (für 49 qm im 1. Obergeschoss rechts). Den Mietverträgen ist ferner zu entnehmen, dass die Wohnungen jeweils in unrenoviertem Zustand an die Mieter übergeben worden sind. Für zwei Mieteinheiten bestanden nach Angaben des Klägers mündliche Mietverträge.

Im Rahmen der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger für das Vermietungsobjekt „A-Straße …” in H einen Werbungskostenüberschuss i.H. von 219 € geltend. Dabei stellte er den mit 4.955 € bezifferten Mieteinnahmen Werbungskosten i.H. von 5.174 € gegenüber. Hinsichtlich der Berechnung der mit 2.039 € angesetzten AfA verwies er auf eine separate Anlage, in der er ausgehend von Gesamtanschaffungskosten (Kaufpreis zzgl. Erwerbsnebenkosten) i.H. von 554.863, 65 € einen Anteil von 407.547, 28 € (= 73,45 %) dem Erwerb des Gebäudes zuordnete und den Restbetrag von 147.316,37 € (= 26,55 %) der Anschaffung des Grund und Bodens (Fläche: 723 qm). Für die Abschreibung der auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten (i.H. von 407.547,28 €) begehrte er gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG die Zugrundelegung einer (nur) 33jährigen Nutzungsdauer mit der Folge, dass sich für das Streitjahr ein Abschreibungsbetrag von 2.058,28 € ergab.

Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 5. Februar 2014 setzte der Beklagte Einkommensteuer i.H. von 19.233 € gegen den Kläger und seine Ehefrau fest. Dabei wich er u.a. insoweit von den Erklärungsangaben der Eheleute ab, als er – ausgehend von der in § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG gesetzlich typisierten Regelnutzungsdauer von 50 Jahren und einer abweichenden Aufteilung der Gesamtanschaffungskosten – AfA i.H. von lediglich 999 € zum Abzug zuließ. Die Anwendung der 50jährigen Regelnutzungsdauer begründete er mit dem Fehlen „anderer Informationen”, die hätten geprüft werden können. Im Übrigen verwies er auf eine dem Kläger übersandte abweichende „Berechnung der Kaufpreisaufteilung”. Darin vertrat der Beklagte die Auffassung, dass die Gesamtanschaffungskosten für das 1966 erbaute Mietwohngrundstück i.H. von 554.864 € im Verhältnis von 46% (= 255.237 €) zu 54 % (= 299.627 €) auf Grund und Boden bzw. Gebäude aufzuteilen seien. In den vordruckmäßigen Erläuterungen wurde abschließend darauf hingewiesen, dass bei der Ermittlung der typisierten Herstellungskosten hinsichtlich der Gebäudeart, der Sta...

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