Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Sonstiges Arbeitsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Darin, daß bei einer Anteilsvereinigung der Nachweis fehlender Steuerumgehungsabsicht mit steuerbefreiender Wirkung nicht möglich ist, liegt keine Verletzung der Menschenwürde.

Die Nichtanwendung des § 6 GrEStG im Falle der Vereinigung aller Anteile an einer (Familien)GmbH verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Für die Anwendung der Befreiungsvorschriften des § 3 Ziff. 2 bzw. 6 GrEStG bei einer Anteilsvereinigung ist nicht nur auf den letzten Anteilserwerb, sondern auf alle Erwerbsvorgänge abzustellen.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 3, § 3 Ziff. 2, § 3 Ziff. 6, § 6; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 3

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 16.05.1969; Aktenzeichen 1 BvR 600/66)

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) und seine Mutter waren seit der Gründung (1947) mit unveränderter Beteiligung Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, zu deren Vermögen Grundstücke gehörten. Durch notarielle Urkunde vom 18. November 1959 überließ und übertrug die Mutter ihren Geschäftsanteil von 1/6 schenkweise dem Stpfl., der somit alle Geschäftsanteile in seiner Hand vereinigte.

Das Finanzamt (FA) zog diesen Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG zur Grunderwerbsteuer heran, wobei es in Höhe von 1/6 Steuerfreiheit gemäß § 3 Ziff. 2 bzw. 6 GrEStG gewährte. Es wies den Einspruch des Stpfl. als unbegründet zurück.

Mit der Berufung beantragte der Stpfl. Freistellung von der angeforderten Grunderwerbsteuer. Eine wörtliche Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG, die keinen Gegenbeweis des Fehlens einer Steuerumgehungsabsicht zulasse, sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, weil eine so angewandte Vorschrift die Würde des Menschen nicht achte (Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -). Der Senat habe in dem Urteil II 226/59 vom 5. Juli 1961 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 73 S. 337 - BFH 73, 337 -, BStBl III 1961, 389) zwar ohne Begründung einen Verstoß gegen das GG verneint. Die "Mißbrauchsbekämpfungsvorschrift" des § 1 Abs. 3 GrEStG zwinge aber gerade diejenigen, die keine Grunderwerbsteuerumgehung beabsichtigten, sondern z. B. zur Erhaltung von Familienunternehmen vernünftige Erbschaftsregelungen vorwegnehmen müßten, zu überlegen, wie diese Steuer vermieden werden könne. - Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verlange die unterschiedslose Anwendung des § 6 GrEStG nicht nur auf Gesamthandgemeinschaften, sondern auf alle Gesellschaften ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, also auch auf Kapitalgesellschaften, da auch § 1 Abs. 3 GrEStG die Anteilsvereinigung bei allen Gesellschaftsformen ohne Rücksicht auf die Rechtsform besteuere. - Richtiger noch müsse nach der früheren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteil II A 226/27 vom 2. August 1927, Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Bd. 21 S. 312 - RFH 21, 312 -) völlige Steuerfreiheit in Anwendung des § 3 Ziff. 2 bzw. 6 GrEStG gewährt werden, weil nur die letzte Anteilsübertragung maßgebend sein dürfe. Wenn der RFH durch Urteil II A 654/30 vom 14. April 1931 (RFH 29, 33) abweichend auf alle, auch auf die vorangegangenen Anteilsübertragungen abgestellt und nur eine entsprechende anteilige Steuerbefreiung gewährt habe, so beruhe dies auf einer Verkennung erbschaftsteuerrechtlicher Grundsätze und führe zu ungereimten Ergebnissen je nach dem Zufall des Todeszeitpunktes und der Erbregelung.

Das Finanzgericht (FG) wies die Berufung als unbegründet zurück.

Mit der Rb. beantragt der Stpfl. erneut - im wesentlichen unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens - Freistellung von der angeforderten Grunderwerbsteuer.

 

Entscheidungsgründe

Auch die ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. kann keinen Erfolg haben.

Zwar ist § 1 Abs. 3 GrEStG - wie seine Vorgänger, § 3 des Zuwachssteuergesetzes (ZuwStG) vom 14. Februar 1911 (RGBl 1911 S. 33) und § 3 GrEStG 1919 / 1927 - auch in das GrEStG 1940 übernommen worden in dem Bestreben, Steuerumgehungen vorzubeugen. Aber schon durch § 3 ZuwStG wurden nicht nur Fälle der versuchten Steuerersparung erfaßt (Lion, Das Reichszuwachssteuergesetz, § 3 Tz. 1). Ebenso hatte der RFH ständig entschieden, daß das Vorliegen einer Umgehungsabsicht nicht zum Tatbestand des § 3 GrEStG 1919 / 1927 gehöre (vgl. z. B. II A 495/26 vom 9. November 1926, Mrozek-Kartei, § 3 Rechtsspruch 13; II A 258/28 vom 16. Juni 1928, Mrozek-Kartei, § 3 Rechtsspruch 30 bis 32), ja, daß nicht einmal das (mitunter gar nicht mögliche) Wissen um eine Anteilsvereinigung, sondern nur das sachliche Ergebnisse der Anteilsvereinigung entscheide (RFH-Urteil II A 281/31 vom 13. Oktober 1931, RStBl 1932, S. 27 = Mrozek-Kartei, § 3 Abt. III Rechtsspruch 7; vgl. auch Lion, Grunderwerbsteuergesetz 1919 / 1927, 2. Aufl., § 3 Anm. 6 Abs. 1). Dementsprechend steht auch das Schrifttum zu § 1 Abs. 3 GrEStG 1940 einhellig auf diesem Standpunkt (vgl. die Kommentare zum Grunderwerbsteuergesetz, Boruttau-Klein, 8. Aufl. § 1 Tz. 180; Jahn, § 1 Anm. 208; Neumann, 4. Aufl. § 1 Anm. 12; Ott, 4. Aufl. § 3 Anm. 5 Abs. 2; ferner Ludwig, Vereinigung aller Anteile einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft auf dem Gebiet der Grunderwerbsteuer, S. 4 mit weiteren Nachweisen; Laule, GmbH-Rundschau 1965 S. 47, 51 1. Sp.). Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG kommt es auf Beweggründe und Absicht der Beteiligten nicht an; der Tatbestand ist "objektiviert" und findet als Ergänzungstatbestand zu § 1 Abs. 1 und 2 GrEStG seine innere Rechtfertigung darin, daß Vereinigung und Weiterübertragung aller Anteile (im folgenden kurz: Anteilsvereinigung) einer Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich dem Erwerb des Grundstücks dieser Gesellschaft gleichzustellen sind. Unter diesen Umständen würde es dem im Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzes geradezu widersprechen, wollte man im Einzelfall den Nachweis, der Anteilsvereinigung liege eine Steuerumgehungsabsicht nicht zugrunde, mit der Wirkung zulassen, daß eine Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG entfiele.

Insbesondere kann deshalb auch nicht davon die Rede sein, § 1 Abs. 3 GrEStG enthalte ein gesetzgeberisches "übermaß der Mißbrauchsbekämpung" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (z. B. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 13, 290, 316; 13, 331, 345 BStBl 1962 I S. 492, 499 r. Sp.; S. 500, 503 r. Sp.), das zur verfassungskonformen Anwendung dieser Bestimmung die Zulässigkeit des Gegenbeweises fehlender Steuerumgehungsabsicht zwingend gebiete, anderenfalls aber die Würde des Menschen antaste. Art. 1 Abs. 1 GG schützt das Individuum zwar vor übergriffen jeder Art, gleichgültig, von wem sie ausgehen; er verpflichtet auch den Staat "zu einer situationsgerechten und sozialadäquaten Gesetzgebung" (Wertenbruch, Grundgesetz und Menschenwürde S. 177, 210). Im Kern ist hierbei aber vor allem an Schutz gegen Angriffe auf die Menschenwürde im Bereich der sittlichen Persönlichkeit (BVerfGE 9, 167, 171) gedacht. Jedenfalls kann der Stpfl. sich für den Streitfall nicht auf Lerche, übermaß und Verfassungsrecht, S. 190, berufen. Dort wird vielmehr dargelegt, die ausnahmsweise Anwendung einer generellen Ge- oder Verbotsnorm werde nur in höchst seltenen Fällen den Art. 1 Abs. 1 GG derart verletzen können, daß der Mensch als bloßes "Objekt ausgeliefert" werde (vgl. auch Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 1 Tz. 28, 34; Wertenbruch, a. a. O., S. 56, 100). Daß der Gesetzgeber aber mit der Vorschrift des § 1 Abs. 3 GrEStG über das Maß des Erforderlichen oder verhältnismäßigen unter Mißachtung der Menschenwürde hinausgegangen sei (vgl. BVerfGE 4, 7, 24; Lerche, a. a. O. S. 40 ff., 191), vermag der Senat nicht anzuerkennen. Mit dem BVerfG (BVerfGE 16, 203 = BStBl 1963 I S. 620 zu III 2) ist der Senat vielmehr der Meinung, daß die Besteuerung der Anteilsvereinigung als solche verfassungsrechtlich deshalb nicht zu beanstanden ist, weil es gerechtfertigt erscheint, den Erwerber aller Gesellschaftsanteile wie den Erwerber eines Grundstücks zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen, da diese - wie es das BVerfG allgemein ausdrückt - wirtschaftlich Eigentümer des Gesellschaftsgrundstücks werde. Durch diese Gleichstellung hat der Gesetzgeber den Bereich der von ihm zu beachtenden "äußersten Grenzen seiner gesetzgeberischen Freiheit" (BVerfGE 18, 121, 124) nicht überschritten. Auch das BVerfG hat in dem oben angegebenen Beschluß (BVerfGE 16, 203 zu III 1 a. E.) ausdrücklich hervorgehoben, daß gegen die steuerrechtliche Auslegung des BFH, wonach es auf das Vorliegen einer Steuerumgehungsabsicht nicht ankomme, keine Bedenken zu erheben seien.

Im Ergebnis läuft das Begehren des Stpfl. darauf hinaus, daß der Nachweis fehlender Umgehungsabsicht als weiteres Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 3 GrEStG zu betrachten sei. Eine solche, vom Wortlaut abweichende Gesetzesauslegung wäre aber, zugunsten wie auch zuungunsten des Stpfl., nur ausnahmsweise zulässig und geboten, wenn die wörtliche Auslegung dem Willen des Gesetzes offensichtlich widersprechen und zu einem mit der wirtschaftlichen Vernunft nicht in Einklang stehenden sinnwidrigen Ergebnis führen würde (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. Urteile des Senats II 154/61 U vom 16. Dezember 1964, zu II 1., BFH 81, 374, BStBl III 1965, 134; II 89/64 vom 16. Februar 1966, BStBl III 1966, 319). Diese Voraussetzungen sind jedoch, wie sich bereits aus den bisherigen Darlegungen ergibt, nicht erfüllt. Es trifft zu, daß § 1 Abs. 3 GrEStG eine gewisse Sonderstellung einnimmt, die es - wie der Senat noch neuerdings betonen konnte - gebietet, diese Vorschrift sinnvoll ab- und einzugrenzen (vgl. z. B. das Urteil II 5/62 vom 27. April 1966, BFH 86, 406, und insbesondere Urteil II 26/63 vom 16. März 1966, BStBl III 1966, 254, zur änderung der Rechtsprechung hinsichtlich der sog. Zwerganteile). Eine "Eingrenzung" in dem vom Stpfl. geforderten Umfang würde aber nicht nur dem Willen und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufen; sie erscheint - bei aller Anerkennung der Gestaltungsfreiheit auch im Rahmen von Familiengesellschaften (vgl. insoweit z. B. Urteil des Senats II 148/62 U vom 8. Dezember 1965 zu II 1, BStBl III 1966, 148) - auch nicht gerechtfertigt: Wenn die Beteiligten durch Vereinigung aller Anteile eine Einmann-GmbH erstreben - ein Gebilde also, das als solches handelsrechtlich anerkannt, rechtstheoretisch aber als nicht überzeugend begründbar (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - BGHZ - 21, 378, 384) und mit Unsicherheiten behaftet bezeichnet wird (vgl. Schilling in Hachenburg, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 6. Aufl. Anhang zu § 13 Anm. 1, 4; Brodmann, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 2. Aufl. § 2 Anm. 8) -, so müssen sie auch die eindeutig und klar in § 1 Abs. 3 GrEStG vorgesehene Besteuerung in Kauf nehmen. (In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, daß das BVerfG - BVerfGE 13, 153 = BStBl I 1961, 716 - auch § 3 Abs. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes - KVStG -, der ebenfalls Steuerumgehungen vorbeugen soll, ohne daß es im Einzelfall hierauf ankommt - Begründung RStBl 1934, 1460, 1466 I. Sp.; Urteil des Senats II 188/52 U vom 7. Januar 1953, BFH 57, 197, BStBl III 1953, 78 -, trotz Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs einer "durch die Sachlage gebotenen Kapitalzuführung" als mit dem GG vereinbar erklärt hat).

Mit seinem zweiten Einwand, der Gleichheitsgrundsatz (Art 3 GG) gebiete eine entsprechende Anwendung des § 6 GrEStG bei Vereinigung von Anteilen auch an Kapitalgesellschaften, kann der Stpfl. ebenfalls nicht durchdringen.

Schon zu § 25 ZuwStG, dem Vorgänger des § 15 Abs. 1 GrEStG 1919 / 1927 und des § 6 GrEStG 1940, weist Lion (a. a. O. § 25 Tz. 3) zutreffend darauf hin, daß diese Vorschrift in den Fällen des § 3 ZuwStG (dem Vorgänger des § 1 Abs. 3 GrEStG 1940) für juristische Personen, z. B. Kapitalgesellschaften ausscheide; es handle sich um zwei völlig getrennte Rechtskreise: Bei § 3 ZuwStG komme - anders als bei § 25 ZuwStG - die übertragung von Vermögensanteilen auch auf irgendeine Person in Betracht. Insbesondere könne ein bestimmtes Grundstück der juristischen Person nicht als "gemeinschaftliches" Grundstück ihrer Mitglieder bezeichnet werden; bei der Gesamthandsgemeinschaft dagegen bilde jedes einzelne Mitglied das Rechtssubjekt, dem das Grundstück gehöre, gerade selbst mit. - Auch zu § 15 GrEStG 1919 / 1927 hat der RFH ständig entschieden, daß diese Bestimmungen nach dem klaren Wortlaut nur für Gesamthandgemeinschaften, nicht aber für juristische Personen gelte und daß eine entsprechende Anwendung des dem § 15 GrEStG 1919 / 1927 zugrunde liegenden Gedankens schon deshalb ausgeschlossen sei, weil dies dem Zweck des § 3 GrEStG 1919 / 1927 (§ 1 Abs. 3 GrEStG 1940) zuwiderlaufe (Entscheidungen des RFH II A 180/21 vom 28. Oktober 1921, RFH 7, 145 a. E.; II A 249/22 vom 17. November 1922, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz § 1, Rechtsspruch 7; II A 140/22 vom 16. Juni 1922, RFH 9, 337 = Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz § 15 Abs. 3, Rechtsspruch 1). Diese Auffassung wurde im Schrifttum zu § 15 GrEStG 1919 / 1927 (Boethke-Bergschmidt, § 15 Anm. 3; Lion, a. a. O., § 15 Anm. 3; Ott a. a. O., § 15 Anm. 3) und wird auch zu § 6 GrEStG 1940 einhellig gebilligt (Boruttau-Klein, a. a. O., § 6 Tz. 4, § 5 Tz. 17, 18; Jahn § 5 Anm. 7; Neumann a. a. O., § 5 Anm. 1, § 6 Anm. 1 a).

Art. 3 GG zwingt nicht zu einer änderung dieser Rechtsauffassung. Der Umstand, daß nach § 1 Abs. 3 GrEStG unterschiedslos die Vereinigung der Anteile an Personengesellschaften und an Kapitalgesellschaften grundsätzlich grunderwerbsteuerbar ist, ist für sich allein noch kein hinreichender Anlaß, daß gewisse Vergünstigungen ebenso unterschiedslos auf beide Gesellschaftsformen angewendet werden müssen. Die gesamte Struktur der beiden Gesellschaftsformen, insbesondere die der Eigentums-, aber auch der Haftungsverhältnisse, ist wesentlich verschieden und kann dementsprechend auch eine verschiedene steuerrechtliche Behandlung gebieten oder rechtfertigen. Das Gesamthandeigentum im Sinne der §§ 5, 6 GrEStG ist im Grunde ein in besonderer Weise gebundenes Sondervermögen aller Gesellschafter selbst. Nicht zu Unrecht konnte darauf hingewiesen werden, daß die Umwandlung solchen Gesamthandeigentums in Mit- oder auch Alleineigentum im Grunde nur eine änderung der Eigentumsform darstelle. Unter Berücksichtigung dieser Sonderverhältnisse sollen durch die §§ 5, 6 GrEStG gewisse Härten vermieden werden (vgl. Begründung RStBl 1940, 387, 398 r. Sp.). Diese Gesichtspunkte treffen aber für Kapitalgesellschaften, bei denen zwischen dem Eigentum der Gesellschaft und dem der Gesellschafter streng geschieden ist, jedenfalls nicht in dem Umfang zu, daß die unterschiedliche Behandlung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften im Rahmen der Besteuerung nach § 1 Abs. 3, § 6 GrEStG als außerhalb des Rahmens des freien gesetzgeberischen Ermessens liegen und somit als Verstoß gegen Art. 3 GG im Sinn der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (z. B. BVerfGE 1, 14, 52; 3, 162, 182; 4, 144, 155; 18, 38, 46 und 121, 124) bezeichnet werden müßte.

Schließlich können die Ausführungen des Stpfl. zur Anwendung der Befreiungsvorschriften des § 3 Ziff. 2 bzw. 6 GrEStG im Falle des § 1 Abs. 3 GrEStG den Senat nicht dazu veranlassen, von der letzten Rechtsprechung des RFH (Urteil II A 654/30 vom 14. April 1931, a. a. O.) abzuweichen, wonach ohne Rücksicht auf die zeitliche Reihenfolge auf alle einzelnen Anteilsübergänge abzustellen und Steuerfreiheit demgemäß insoweit zu gewähren ist, als deren Voraussetzungen jeweils bei dem einzelnen übergang gegeben sind. Diese Rechtsprechung wird vom Schrifttum ausnahmslos gebilligt (Boruttau-Klein, a. a. O., § 1 Tz. 226/227; Jahn, a. a. O., § 1 Anm. 260; Ott, a. a. O., § 3 Anm. 21 und Steuer und Wirtschaft - StuW - 1934 Sp. 402; Ludwig, a. a. O., S. 43 mit weiteren Nachweisen). Auch das BVerfG (BVerfGE 16, 203 zu III 1 und 2) geht bei seinen überlegungen zu § 1 Abs. 3 GrEStG offenbar davon aus, daß es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn zwar der letzte Erwerbsvorgang die Steuer auslöst, hierdurch zugleich aber die Steuerpflicht für die übrigen Erwerbsvorgänge "nachgeholt" wird, wobei es nicht darauf ankommen könne, wer gerade bei diesem letzten Akt als Erwerber auftrete.

Wollte man nur auf die - unter Umständen zufällige oder auch bewußt gelenkte - Art des vielleicht nur geringfügigen letzten Erwerbs abstellen, so wäre es unbillig, in solchen Fällen volle Steuerpflicht nur deshalb eintreten zu lassen, weil zwar fast alle Anteile von Verwandten in gerader Linie erworben wurden, zuletzt aber ein kleiner Anteil von einem Fremden; umgekehrt wäre es ebenso ungerechtfertigt, völlige Steuerfreiheit nur deshalb zu gewähren, weil z. B. nur dieser letzte (entgeltliche) Erwerb zwischen Verwandten in gerader Linie (§ 3 Ziff. 6 GrEStG) stattfindet. Diese Frage kann sachgemäß für alle Befreiungsmöglichkeiten nur einheitlich beantwortet werden, also auch für § 3 Ziff. 2 GrEStG mit etwaigen Auswirkungen auf die Belastung mit der Erbschaft-(Schenkung)Steuer. Schon deshalb kann der Stpfl. mit seiner Behauptung, der RFH sei mit der Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung einem erbschaftsteuerrechtlichen Trugschluß erlegen, keinen Erfolg haben. Außerdem ist bei dem Beispiel des Stpfl.:

A und B sind zu 75 und 25 v. H. an einer GmbH beteiligt; Fall 1: A vererbt seine 75 v. H. auf seinen Sohn C, der später die 25 v. H. von B erwirbt; Fall 2: A erwirbt noch selbst die 25 v. H. von B und vererbt alle Anteile an C -

folgendes zu bedenken: Bei Maßgeblichkeit nur des letzten Erwerbs träte im Fall 1 zwar "volle" Erbschaftsteuerpflicht (hinsichtlich der 75 v. H. GmbH-Anteile und des noch im Nachlaß vorhandenen Kaufpreises für den Erwerb der restlichen 25 v. H.), aber auch volle Grunderwerbsteuerpflicht des C ein, ebenso aber im Falle 2 volle Grunderwerbsteuerpflicht für A und volle Erbschaftsteuerpflicht für C. Bei Maßgeblichkeit aller Anteilsübergänge hingegen ändert sich zwar im Falle 2 nichts an der Gesamtbelastung des A und des C bzw. im Fall 1 nichts an der Belastung des C mit Erbschaftsteuer; im Fall 1 bleibt aber immerhin C mit dem Anteilserwerb von 75 v. H. grunderwerbsteuerfrei. Dieser grunderwerbsteuerrechtliche Unterschied beruht aber auf der verschiedenen zivilrechtlichen Gestaltung durch A mit allen auch handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Rechtsfolgen für A und C.

Nach allem war die Revision zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412162

BStBl III 1966, 554

BFHE 1966, 520

BFHE 86, 520

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