Entscheidungsstichwort (Thema)

Sparkassenmodell: Einschaltung einer Vorschaltgesellschaft bei Errichtung und Vermietung eines Betriebsgebäudes, Entgeltbegriff, keine Einbeziehung nicht vorsteuerbelasteter Kosten in die Mindestbemessungsgrundlage, Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts, Wahlrecht des Unternehmers hinsichtlich der für die Mindestbemessungsgrundlage anzusetzenden AfA-Art

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schaltet ein Kreditinstitut bei der Erstellung eines Betriebsgebäudes eine Gesellschaft ein, die das Gebäude auf einem von dem Kreditinstitut erworbenen Grundstück errichtet und anschließend unter Verzicht auf die Umsatzsteuerfreiheit an das Kreditinstitut vermietet und gewährt das Kreditinstitut der Gesellschaft, an der es als Kommanditist beteiligt ist, ein zinsloses Darlehen zur Finanzierung der Baumaßnahme, so sind Darlehen und Vermietung getrennt zu beurteilen, soweit das Darlehen als Gesellschafterbeitrag überlassen worden ist; zwischen der Darlehensgewährung und der Vermietung besteht in diesem Fall kein innerer (synallagmatischer) Zusammenhang.

2. Bei der Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage sind solche Kosten auszuscheiden, bei denen kein Vorsteuerabzug möglich ist. Daher bleiben z.B. Kreditzinsen bei den Kosten, die bei der Vermietung eines Gebäudes zu ermitteln sind, außer Betracht (Anschluß an EuGH-Urteil vom 25. Mai 1993 Rs.C-193/91, BStBl II 1993, 812).

3. Bei der Einbeziehung der auf die Dauer der Nutzung entfallenden AfA in Zusammenhang mit der Anwendung des § 10 Abs.4 und 5 UStG 1980 steht es dem Unternehmer frei, welche der ertragsteuerlich zulässigen Methoden er für die Kostenermittlung zugrunde legt (so auch Abschn.158 Abs.3 UStR 1996).

4. Bei der Beurteilung des Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts sind die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur "Vorschaltung" von Ehegatten auf die Vorschaltung von Gesellschaften entsprechend anzuwenden.

 

Orientierungssatz

1. Umsatzsteuerrechtlich ist das vereinbarte Entgelt ohne Rücksicht auf Angemessenheit oder Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung maßgebend; eine "unangemessene" Festlegung kann allenfalls über § 10 Abs.5 UStG 1980 oder nach § 42 AO 1977 korrigiert werden (vgl. Literatur).

2. Den Gesellschaftern einer Gesellschaft steht es frei, dieser einen Gegenstand entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen. Jedem Steuerpflichtigen, auch den Gesellschaftern einer Gesellschaft ist es unbenommen, sein Verhalten so einzurichten, daß es zu einer möglichst geringen Steuerbelastung kommt (vgl. BFH-Rechtsprechung zum Gestaltungsmißbrauch sowie zu Leistungen eines Gesellschafters gegen Sonderentgelt oder als Gesellschafterbeitrag).

3. Ausführungen zu der Frage, ob das sog. Sparkassenmodell zur Erlangung des Vorsteuerabzugs rechtsmißbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977 ist (u.a. zu § 12 KWG als im Einzelfall einen Gestaltungsmißbrauch ausschließenden außersteuerlichen Grund).

 

Normenkette

AO 1977 § 42; KWG § 12; UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5, § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 Abs. 1; UStR 1996 Abschn. 158 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 12.12.1995; Aktenzeichen 5 K 2724/94)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine am 15. Januar 1980 gegründete KG, deren Gegenstand der Erwerb von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, deren Bebauung (insbesondere mit Sparkassengebäuden), Vermietung und Verpachtung sowie Durchführung aller damit zusammenhängenden Geschäfte ist. Komplementär (ohne Einlage) ist die Sparkassenförderungsgesellschaft R mbH. Kommanditistin mit einer Einlage von 50 000 DM ist die Kreissparkasse B (Sparkasse). Mit Kaufvertrag vom 11. Juli 1980 verkaufte die Sparkasse unter Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung das Anwesen "A" zu einem Preis von 3 355 657 DM. Davon entfielen 2 883 410 DM auf den teilweise fertiggestellten Rohbau des neuen Betriebsgebäudes der Sparkasse. Gleichzeitig gewährte die Sparkasse der Klägerin mit Vertrag vom 18. Juli 1980 ein zinsloses Darlehen in Höhe von 17 Mio DM, das zur Kaufpreiszahlung und in den Jahren 1980 bis 1982 der Finanzierung des Neubaus diente. Nach Fertigstellung vermietete die Klägerin das Grundstück ab 1. März 1982 an die Sparkasse unter Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 (Abs.1), § 4 Nr.12 Buchst.a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Die Höhe des Mietzinses wurde jeweils zum Jahresende nach den entstandenen Kosten berechnet. Anläßlich einer Außenprüfung für die Jahre 1987 bis 1989 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 20. Dezember 1990 IV A 2 -S 7300- 65/90 (BStBl I 1990, 924) seine Auffassung. Neben der tatsächlich geleisteten Miete erfaßte das FA auch den Zinsvorteil (6,5 %; netto) als Entgelt, was zu einer entsprechend höheren Umsatzsteuer führte. Die Einsprüche hatten insoweit Erfolg, als das FA den Zinsvorteil für 1990 nur noch mit 5,5 % ansetzte.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 617 veröffentlicht. Das FG führte u.a. aus: Es handele sich um einen tauschähnlichen Umsatz mit Baraufgabe. Die Klägerin sei eine typische Vorschaltgesellschaft, die überwiegend zur Erlangung des Vorsteuerabzugs gegründet worden sei. Die Klägerin sei am 15. Januar 1980 gegründet, das Projektgrundstück am 11. Juli 1980 erworben worden. Die Klägerin habe nur dieses eine Projekt durchgeführt. Bei der Beurteilung sei auch zu berücksichtigen, daß die Klägerin bereits im Vorfeld der Vermietung Leistungen für die Sparkasse erbracht habe, die bei der Bemessung der Gegenleistung zu berücksichtigen seien. Bei der Bewertung des Vorteils der Kapitalnutzung sei der marktübliche Zinssatz zugrunde zu legen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

1. Die Einbeziehung des Zinsvorteils als Entgelt sei rechtsfehlerhaft. Zwischen Leistung und Gegenleistung müsse eine "innere Verknüpfung" bestehen. Die Gewährung des Darlehens habe nicht im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluß des Mietvertrags gestanden. Die zinslose Überlassung sei ein Gesellschafterbeitrag, der nicht als Sonderentgelt erfaßt werden könne. Die Gesellschafterstellung sei die alleinige Motivation für die Zinslosigkeit des gewährten Darlehens. Der Zinsvorteil sei daher nicht Teil eines Leistungsaustausches (BStBl II 1988, 792, 794).

Eine Vergleichsmiete sei nicht zu ermitteln. Eine kostendeckende Miete könne als angemessen angesehen werden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Schreiben des Sparkassen- und Giroverbandes, in dem die Formulierung gebraucht werde, es werde ein "zinsloses Darlehen im Interesse der Verringerung der Kostenmiete" gewährt. Die Art der Finanzierung müsse der Klägerin freigestellt werden. Der gleiche Effekt wäre auch durch die Finanzierung mit einer Kapitaleinlage zu erreichen gewesen.

In dem Zinsvorteil wäre nur dann ein Entgelt für die Grundstücksüberlassung zu sehen, wenn die Darlehensgewährung rechtlich und tatsächlich an die Ausführung bestimmter Umsätze gebunden wäre. Der Zinsvorteil könne kein Entgelt sein, da insoweit überhaupt kein Leistungsaustausch vorliege.

Auch eine Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs.5 Nr.1 UStG 1980 könne nicht zu einer höheren Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer führen. Entgegen der Auffassung des BMF (Schreiben vom 29. Mai 1992) sei bei dieser Berechnung die Gebäude-AfA nicht in jedem Fall mit 4 % zu ermitteln.

2. Die Klägerin genieße Vertrauensschutz. Eine verbindliche Zusage könnte in einem Schreiben des Finanzministeriums Rheinland-Pfalz (FinMin) vom 27. Juni 1980 gesehen werden. In diesem Schreiben würde die Rechtsauffassung, die der Sparkassen- und Giroverband mit Schreiben vom 11. Juni 1980 dargelegt habe, nämlich daß als umsatzsteuerliches Entgelt die Kostenmiete anzusetzen sei, ausdrücklich geteilt.

3. In der Schlußbesprechung hätten sich die Beteiligten nicht auf ein Nettoentgelt von 6,5 % geeinigt. Im übrigen sei dieser Satz ein Bruttosatz, aus dem die Umsatzsteuer herauszurechnen sei.

4. Die gewählte Konstruktion könne nicht als Rechtsmißbrauch gewertet werden; sie sei im Hinblick auf § 12 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) gewählt worden. Es sei --im Unterschied zu der engen Auffassung des BMF-- durchaus legitim, wenn eine Sparkasse sich durch die Konstruktion des "Sparkassenmodells" Spielraum im Rahmen des § 12 KWG verschaffe, z.B. um künftige Beteiligungserwerbe zu ermöglichen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide insoweit zu ändern, als in die Bemessungsgrundlage für die Vermietung des Grundstücks A ersparte Zinsen einbezogen worden sind, hilfsweise den Zins in Höhe von 5,5 % als Bruttoentgelt anzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen, und trägt vor:

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege eine innere Verknüpfung zwischen dem Zinsvorteil und der Miete vor. Die Gesellschafterstellung der Sparkasse sei im Rahmen des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsaustausches irrelevant; denn auch der Gesellschafterbeitrag sei, sofern er nicht in Geld bestehe, eine Lieferung oder sonstige Leistung im Sinne des UStG. Seitens der Klägerin sei ein Bündel von Leistungen erbracht worden, das lediglich die Schaffung und Bereitstellung von Geschäftsräumen bezweckt habe. Der Wert der zinsfreien Darlehensgewährung sei in die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

Gegen die Ansicht der Klägerin, es handele sich um einen Gesellschafterbeitrag in der Form einer Kapitaleinlage, spreche die von der Klägerin selbst vorgenommene Bilanzierung als Verbindlichkeit, nicht als Kapitaleinlage.

Im Hinblick auf § 12 KWG sei zweifelhaft, ob das Vorhaben bei einer Kapitaleinlage habe durchgeführt werden können.

Hinsichtlich der Höhe des Zinsvorteils in Höhe von 6,5 % netto sei im Rahmen der Schlußbesprechung (31. Oktober 1991) eine tatsächliche Verständigung zustande gekommen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat den Wert der zinsfreien Darlehensgewährung zu Unrecht als weiteres Mietentgelt beurteilt. Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um die Rechtsfragen des Streitfalls vollständig beurteilen zu können; das FG hat --was bei seiner Sicht auch nicht notwendig war-- keine Feststellungen zum (möglichen) Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts und zur Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben getroffen.

1. Die der Klägerin zugute gekommenen Zinsvorteile gehören nicht zum Vermietungsentgelt.

Gemäß § 10 Abs.1 Satz 2 UStG 1980 ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.

Bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu unterscheiden zwischen Leistungen, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden, und solchen, die als Gesellschafterbeitrag i.S. des § 706 des Bürgerlichen Gesetzbuches durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind und die durch die Beteiligung an Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1993 XI R 44/90, BFHE 171, 114, BStBl II 1993, 529, m.w.N.). Die Beteiligten haben es weitgehend in der Hand, Leistungen als --durch die Beteiligung an Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegoltenen (unentgeltlichen)-- Gesellschafterbeitrag zu vereinbaren oder die entsprechenden Leistungen auf der Grundlage eines echten Austauschvertrages gegen Sonderentgelt zu erbringen (vgl. Palandt/Thomas, Bürgerliches Gesetzbuch, 55.Aufl., 1996, § 706 Rdnr.5; Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2.Aufl., 1986, § 706 Rdnr.4). Eine Personengesellschaft und ihre Gesellschafter können daher frei entscheiden, wie sie ihre Rechtsbeziehungen gestalten wollen (BFH-Urteile vom 24. August 1994 XI R 74/93, BFHE 176, 75, BStBl II 1995, 150; vom 8. November 1995 XI R 63/94, BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114); sie können diese Beziehungen gesellschaftsrechtlich, aber auch auf schuldrechtlicher Basis regeln. Im Streitfall haben die Klägerin und die Sparkasse die Hingabe des zinslosen Darlehens als Gesellschafterbeitrag geregelt, die Vermietung hingegen in Gestalt eines Mietvertrags; sie haben bewußt die Einbeziehung des Zinsvorteils in den mit der Vermietung verbundenen Leistungsaustausch unterlassen. Diese Gestaltung ist als solche umsatzsteuerrechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere besteht keine Veranlassung, Gesellschafterbeiträge in Entgeltsbestandteile umzuqualifizieren. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, daß zwischen der Darlehensgewährung und der Vermietung kein innerer (synallagmatischer) Zusammenhang im Sinne eines "do ut des" besteht. Umsatzsteuerrechtlich ist das vereinbarte Entgelt ohne Rücksicht auf Angemessenheit oder Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung maßgebend; eine "unangemessene" Festlegung kann allenfalls über § 10 Abs.5 UStG 1980 oder nach § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) korrigiert werden (Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 10 Bem.25).

Die bisherige Rechtsprechung des BFH steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Mit Beschluß vom 12. November 1987 V B 52/86 (BFHE 151, 474, BStBl II 1988, 156) hat der V.Senat entschieden, daß als Entgelt auch der Vorteil zu erfassen sei, der durch ein zugleich erhaltenes niedrig verzinsliches Darlehen bedingt sei. Im konkreten Fall hatte der Betreiber eines Parkhauses für die Übernahme von Garagenbaulasten ein niedrig verzinsliches Darlehen erhalten. Der BFH erfaßte den Vorgang als tauschähnlichen Umsatz. Mangels besonderer Bewertungsvorschriften sei der Vorteil der Kapitalnutzung nach den §§ 13 bis 16 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu ermitteln. Das Urteil vom 28. Februar 1991 V R 12/85 (BFHE 164, 485, BStBl II 1991, 649) betraf einen vergleichbaren Fall: Eltern bestellten ihren Kindern einen Nießbrauch; diese ihrerseits überließen den Eltern unverzinsliche Darlehen. Der BFH war auch hier der Auffassung, daß ein tauschähnlicher Umsatz gegeben sei. In dem Fall des Urteils vom 31. August 1992 V R 47/88 (BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046) buchte eine Rechenzentrums-GmbH, die im Auftrag ihrer Gesellschafter tätig wurde, bereits vor der Zeit Lohnnebenkosten ab und legte diese verzinslich an. Die Zinsen wurden als zusätzliches Entgelt erfaßt. Diese Handhabung beruhte auf in Geschäftsbesorgungsverträgen getroffenen Vereinbarungen. Die aufgeführten Fälle sind mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Allein der Fall in BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046 betrifft ein Gesellschaftsverhältnis, wobei hier die Leistungen nicht auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage erbracht wurden.

2. Die von der Klägerin angesetzten Kosten entsprechen der nach § 10 Abs.4, Abs.5 UStG 1980 zu ermittelnden Mindestbemessungsgrundlage.

a) Gemäß § 10 Abs.5 UStG 1980 gilt Abs.4 entsprechend für Leistungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter. Nach Abs.4 Nr.2 wird der Umsatz in den Fällen des Eigenverbrauchs i.S. des § 1 Abs.1 Nr.2 Satz 2 Buchst.b nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten bemessen.

Diese Kosten sind bei der Anwendung des Abs.4 die tatsächlichen Kosten, die dem Unternehmer entstanden sind (Wagner in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., § 10 Bem.373 ff.). Ob bei der Anwendung des Abs.5, der die entsprechende Anwendung des Abs.4 anordnet, auf die bei der Ausführung dieser Umsätze üblicherweise entstehenden Kosten abzustellen ist, kann im Streitfall mangels Entscheidungserheblichkeit offen bleiben.

b) Bei der Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage sind solche Kosten auszuscheiden, bei denen kein Vorsteuerabzug möglich ist. Daher bleiben z.B. Kreditzinsen bei den Kosten, die bei der Vermietung eines Gebäudes zu ermitteln sind, außer Betracht (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 25. Mai 1993 Rs.C-193/91, BStBl II 1993, 812; Abschn.158 Abs.4 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 1996). Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, daß die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs.5 UStG 1980 anhand objektiver Drittmaßstäbe zu ermitteln sein sollte. Sind keine Zinsen angefallen, da --wie im Streitfall-- der Mieter-Gesellschafter ein zinsfreies Darlehen gewährt hatte, so ist bei der Beurteilung der (fiktiven) Kreditzinsen vom gesetzlichen Regelfall auszugehen. Gemäß § 4 Nr.8 Buchst.a UStG 1980 ist die Gewährung von Krediten steuerfrei; die nach § 9 Abs.1 UStG 1980 mögliche Option ist insoweit ohne Bedeutung.

c) Bei der Einbeziehung der auf die Dauer der Nutzung entfallenden Absetzungen für Abnutzung --AfA-- (BFH-Urteile vom 20. Juli 1988 X R 8/80, BFHE 154, 255, BStBl II 1988, 1012, unter 4.b; vom 15. September 1994 XI R 82/92, BFH/NV 1995, 645; EuGH-Urteil in BStBl II 1993, 812) steht es dem Unternehmer frei, welche der ertragsteuerlich zulässigen Methoden er für die Kostenermittlung zugrunde legt (so auch Abschn.158 Abs.3 UStR 1996). Im Streitfall hat die Klägerin die AfA degressiv ermittelt. Das ist nicht zu beanstanden.

d) Im Ergebnis sind die (fiktiven) Kreditzinsen nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Im übrigen ergeben sich nach den vom FG getroffenen Feststellungen keine Hinweise darauf, daß weitere Kosten nicht oder zu gering angesetzt worden sind.

3. Ob ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) vorliegt, kann anhand der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

a) Ein Mißbrauch im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Die Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; vom 21. Juli 1994 V R 102/92, BFH/NV 1995, 741).

aa) Wie der BFH bereits mehrfach entschieden hat, steht es den Gesellschaftern einer Gesellschaft frei, dieser einen Gegenstand entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen. Jedem Steuerpflichtigen, auch den Gesellschaftern einer Gesellschaft, ist es unbenommen, sein Verhalten so einzurichten, daß es zu einer möglichst geringen steuerlichen Belastung kommt (BFH-Urteile vom 7. November 1991 V R 116/86, BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269; vom 16. März 1993 XI R 52/90, BFHE 171, 117, BStBl II 1993, 562).

Der V.Senat hat durch Urteil in BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269 dahin erkannt, daß im Regelfall kein Mißbrauch i.S. des § 42 AO 1977 vorliegt, wenn Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und die GbR die Gebrauchsüberlassung eines Gegenstandes nicht als Gesellschafterbeitrag, sondern als Mietverhältnis gestalten. Die Gesellschafter einer GbR können daher wählen, ob sie einen Gegenstand an die Gesellschaft verkaufen, vermieten oder ihn selbst bzw. seine Nutzung als Einlage einbringen. Entsprechendes gilt im Verhältnis der Gesellschafter einer GmbH zu ihrer Gesellschaft (BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 741). So ist in der Überlassung von PKW durch die GmbH an den Geschäftsführer zur (auch privaten) Benutzung, sofern keine besonderen Umstände vorliegen, kein die Annahme eines Gestaltungsmißbrauchs rechtfertigender Grund zu sehen (BFH-Urteile vom 16. März 1993 XI R 45/90, BFHE 171, 122, BStBl II 1993, 530; vom 9. September 1993 V R 88/88, BFHE 172, 231, BStBl II 1994, 56, unter 3., und in BFH/NV 1995, 741).

bb) Andererseits hat es der BFH in ständiger Rechtsprechung (Urteile in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; vom 10. September 1992 V R 104/91, BFHE 169, 258, BStBl II 1993, 253; vom 22. Oktober 1992 V R 33/90, BFHE 169, 555, BStBl II 1993, 210; vom 28. Januar 1993 V R 46/90, BFH/NV 1994, 62; vom 10. Dezember 1992 V R 90/92, BFH/NV 1994, 200, und vom 28. Juli 1993 XI R 105/90, BFH/NV 1994, 205) als unangemessene Gestaltung des Rechts angesehen, wenn ein Unternehmer, der einen Gegenstand für sein Unternehmen benötigt, die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel seinem Ehegatten zur Verfügung stellt, damit dieser den Gegenstand erwirbt, um ihn an den Unternehmer-Ehegatten zu vermieten. Der Vermieter-Ehegatte wird unter diesen Umständen gewissermaßen "vorgeschaltet", um unter Vermeidung eigener Anschaffung das wirtschaftliche Ergebnis aus den Leistungsbezügen zu erzielen, indem der Mieter-Ehegatte die Aufwendungen wirtschaftlich so trägt, als hätte er den fraglichen Gegenstand angeschafft. Eine derartige "Vorschaltung" liegt danach vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Erhaltung des vermieteten Gegenstandes nicht aus der Miete und aus sonstigem eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. von Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen muß. Anders soll es sich verhalten, wenn der Mieter-Ehegatte dem Vermieter-Ehegatten beim Erwerb des Grundstücks oder bei Errichtung des Gebäudes finanzielle Mittel in ausreichender Höhe überläßt (z.B. durch Schenkung), die dem Vermieter-Ehegatten die Lastentragung aus eigener wirtschaftlicher Kraft ermöglicht (BFH-Urteil vom 4. Mai 1994 XI R 67/93, BFHE 175, 139, BStBl II 1994, 829).

Diese Grundsätze sind auf das Verhältnis Gesellschaft-Gesellschafter zu übertragen (so auch Salzberger, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1994, 453, 458), wenn der Mieter-Gesellschafter, der einen Gegenstand für sein Unternehmen benötigt, die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel seiner Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung stellt, damit diese den Gegenstand erwirbt oder errichtet, um ihn an den Gesellschafter zu vermieten. Auch in diesem Fall wird über die Vorschaltung einer Gesellschaft ein Umweg gewählt. Die Unangemessenheit dieses Umwegs ergibt sich im Streitfall insbesondere aus folgenden Umständen: Der Rohbau des Betriebsgebäudes war bei Veräußerung von der Sparkasse an die Klägerin bereits teilweise erstellt. Die Klägerin war erst ein halbes Jahr vor dem Erwerb des Grundstücks gegründet worden und die Sparkasse ist ihre einzige Kommanditistin. Die Komplementär-GmbH ist kapitalmäßig nicht beteiligt. Die Klägerin hat kein anderes Bauprojekt durchgeführt; trotz des weit gefaßten Gesellschaftszwecks hat sie sich --nach den Feststellungen des FG-- ausschließlich mit dieser einen Baumaßnahme befaßt. Zeitgleich mit der Veräußerung gewährte die Sparkasse der Klägerin ein zinsloses Darlehen in Höhe von 17 Mio DM, das zur Kaufpreiszahlung und zur Finanzierung der Fertigstellung des Neubaus genutzt werden sollte.

b) Zur Beurteilung, ob die Gestaltung durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe zu rechtfertigen ist, fehlen ausreichende Feststellungen.

Wie der BMF in dem Schreiben vom 29. Mai 1992 IV A 2 -7300- 63/92 (BStBl I 1992, 378) zutreffend ausgeführt hat, kann im Einzelfall die Beachtung des § 12 KWG ein ausreichender beachtlicher außersteuerlicher Grund sein. Nach dieser Vorschrift dürfen die nach Buchwerten berechneten dauernden Anlagen eines Kreditinstituts (u.a. auch die Anlagen in Grundstücken und Gebäuden) insgesamt das haftende Eigenkapital nicht übersteigen (vgl. im einzelnen Bähre/Schneider, Kommentar zum Gesetz über das Kreditwesen, 3.Aufl., 1986, § 12 Anm.1 und 3). Würde das Betriebsgebäude durch das Kreditinstitut selbst errichtet, bestünde die Gefahr, daß diese Grenze bald erreicht sei; insbesondere bei kleinen Kreditinstituten, die im Verhältnis zu ihrem haftenden Eigenkapital hohe Beträge für die Errichtung von Betriebsgebäuden aufzuwenden hätten und keine Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs.3 KWG erhielten, könne das der Fall sein.

Wie die Verhältnisse im Streitfall zu beurteilen sind, kann der Senat nicht entscheiden. Das FG hat zu diesem Komplex keine Feststellungen getroffen, da es aus seiner Sicht auf einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht ankam. Dem Senat ist es insoweit verwehrt, eigene Feststellungen zu treffen (vgl. § 118 Abs.2 FGO).

c) Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Satz 2 AO 1977; dazu BFH-Urteil in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541 unter II.3.c cc).

4. Schließlich fehlen jegliche Feststellungen zu der Frage, ob das FA gegenüber der Klägerin konkret Vertrauenstatbestände gesetzt hatte, die von der Klägerin zur Grundlage von Vermögensdispositionen gemacht worden sind (dazu vgl. Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16.Aufl., Stand Oktober 1992, § 4 AO 1977 Tz.55 ff., 63 ff.). Für den Fall, daß das FG einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bejahen sollte, wären auch diese Fragen von Bedeutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66018

BFH/NV 1997, 274

BStBl II 1997, 374

BFHE 182, 395

BFHE 1997, 395

BB 1997, 873-876 (Leitsatz und Gründe)

DB 1997, 1449 (Leitsatz)

DStR 1997, 427 (Leitsatz)

DStRE 1997, 427 (Leitsatz)

DStZ 1997, 536-537 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 503-505 (Leitsatz)

StE 1997, 240-241 (Kurzwiedergabe)

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