Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die sogenannten "verlorenen Zuschüsse", die Mieter an die Vermieter von Wohnungen zahlen, stehen wegen der bürgerlich-rechtlichen Beurteilung auch steuerlich Mietvorauszahlungen gleich.

Hat ein Vermieter einen erhaltenen sogenannten "verlorenen Zuschuß" nach der in Abschn. 163 Abs. 2 Ziff. 1 Buchstabe b EStR 1958 getroffenen Regelung behandelt, so ist er für den ganzen Anwendungszeitraum des § 7 b EStG an diese Sachbehandlung gebunden.

 

Normenkette

EStG §§ 7b, 21; EStR Abschn. 163

 

Tatbestand

Der beschwerdeführende Ehemann (Bf.) hat 1954 und 1956 zwei Wohnhäuser gebaut, für die er die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 b EStG beansprucht und bekommen hat. Als Grundlage für die Bemessung dieser AfA dienten die tatsächlichen Baukosten, verringert um die von den Mietern gegebenen sogenannten verlorenen Baukostenzuschüsse, die bei dem einen Haus 73.000 DM und bei dem anderen 2.000 DM betrugen. Für 1958 beantragten die Bf., die AfA nach § 7 b EStG auch von den bisher nicht berücksichtigten, durch die Baukostenzuschüsse gedeckten Baukosten vorzunehmen. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Die Sprungberufung der Bf. hiergegen hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Verlorene Baukostenzuschüsse seien zwar zweckgebunden, beeinflußten aber nicht die Höhe der Miete. Das bedeute, daß in Höhe der Zuschüsse nicht der Vermieter, sondern der Mieter die Bauaufwendungen trage. Das habe zur Folge - wie bereits der Reichsfinanzhof im Urteil VI A 712/30 vom 4. Februar 1931 (RStBl 1931 S. 275, Slg. Bd. 28 S. 95) ausgeführt habe -, daß die Zuschüsse als Kapitalzuwendungen keine steuerpflichtigen Einnahmen des Vermieters seien, die Zuschüsse andererseits aber auch bei der Berechnung der AfA unberücksichtigt bleiben müßten. Das gelte auch für die Berechnung der AfA nach § 7 b EStG; denn die AfA nach dieser Vorschrift sei keine andere als nach § 7 EStG. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 28/59 U vom 18. August 1959 (BStBl 1959 III S. 448, Slg. Bd. 69 S. 502) ergebe sich nichts anderes. Diese Entscheidung betreffe die Rechtsfrage, ob die tatsächlichen Herstellungskosten bei der Berechnung der AfA nach § 7 b EStG maßgebend seien, auch wenn bei einem buchführenden Gewerbetreibenden ein als Ersatz errichtetes Gebäude wegen einer Rücklage für Ersatzbeschaffung mit einem niedrigeren Betrag als den tatsächlichen Herstellungskosten zu aktivieren sei. Aber selbst bei Zugrundelegung der Grundsätze dieses Urteils könnten die Bf. mit ihrem Antrag nicht durchdringen; denn ihre Herstellungskosten seien die Baukosten ohne die von den Mietern gegebenen Zuschüsse. Die Rechtslage sei allerdings anders, wenn die Zuschüsse auf die Miete angerechnet würden, da die Bf. dann im Ergebnis die Baukosten in voller Höhe trügen.

Die Bf. tragen zur Begründung ihrer Rb. vor: Der Bundesgerichtshof erkenne bei Mietern, die einen verlorenen Baukostenzuschuß gegeben hätten, bei vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses einen Anspruch auf Rückvergütung des noch nicht abgewohnten Teils des Zuschusses an. Zur Beseitigung der dadurch entstandenen Unklarheiten sei diese Frage durch das Gesetz zur änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 21. Juli 1961 (BGBl 1961 I S. 1041) geregelt worden, und zwar durch Anerkennung eines Rückforderungsanspruchs, wenn der von Mietern geleistete Baukostenzuschuß bei Beendigung des Mietverhältnisses noch nicht als getilgt gelte. Daß § 7 b EStG nicht eng ausgelegt werden dürfe und immer von den tatsächlichen Herstellungskosten bei der Bemessung der erhöhten AfA auszugehen sei, zeige das vom Finanzgericht angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs I 28/59 U a. a. O. In jener Entscheidung sei eine Kürzung der tatsächlichen Herstellungskosten um eine Rücklage für Ersatzbeschaffung abgelehnt worden. Ebensowenig entspreche es aber dem Willen des Gesetzgebers, bei einem Haus, das mit Hilfe von verlorenen Zuschüssen gebaut worden sei, diese für die Berechnung der Steuervergünstigung von den tatsächlichen Herstellungskosten abzusetzen. Der Hinweis des Finanzgerichts auf das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 138/55 U vom 20. Mai 1957 (BStBl 1957 III S. 343, Slg. Bd. 65 S. 285), daß der Begriff der AfA in § 7 b EStG kein anderer sei als in § 7 EStG, sei ein Trugschluß, der durch das Urteil I 28/59 U a. a. O. richtiggestellt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Nach § 11 EStDV 1958 sind zwar als Herstellungskosten im Sinne von § 7 b EStG die tatsächlichen Herstellungskosten vermindert um die Zuschüsse anzusetzen. Das gilt nach dem Wortlaut der Vorschrift aber nur für die nach § 7 c EStG bei den Zuschußgebern begünstigten Zuschüsse. Wie im Urteil des Bundesfinanzhofs VI 51/61 S vom 7. Juli 1961 (BStBl 1961 III S. 433, Slg. Bd. 73 S. 456) ausgeführt wurde, stehen die Steuervergünstigungen des § 7 b und die des § 7 c EStG in engem Zusammenhang. Nach den in diesem Urteil entwickelten Grundsätzen ist es nicht angängig, § 11 EStDV sinngemäß auch auf Zuschüsse anzuwenden, die nicht nach § 7 c EStG bei den Zuschußgebern begünstigt sind. Da die Bf. nach der Feststellung des Finanzgerichts keine nach § 7 c EStG begünstigten Zuschüsse erhalten haben, sondern sogenannte verlorene Zuschüsse, ist daher § 11 EStDV für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne Bedeutung.

Das Finanzamt und das Finanzgericht sind nach Abschnitt 163 Abs. 2 Ziff. 1 Buchstabe b EStR 1958 verfahren, der insbesondere auf dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 712/30 a. a. O. beruht. Da sich die Auffassungen über das Wesen der sogenannten "verlorenen Baukostenzuschüsse" seit dem Ergehen dieses Urteils geändert haben, geht es nicht an, die Grundsätze dieses Urteils des Reichsfinanzhofs auch jetzt noch auf die von Mietern an Vermieter zur Erlangung von Wohnungen gegebenen Baukostenzuschüsse anzuwenden.

Im Schrifttum wird bereits seit längerer Zeit die Auffassung vertreten, derartige Zuschüsse seien ein Teil des Mietzinses, also eine Form von Mietvorauszahlungen (so z. B. Bertermann, Juristische Rundschau 1951 S. 19; Roquette, Mietrecht, 4. Aufl., S. 267; Oschmann-Pergande, "Baukosten und Abstandszahlung", 1958, S. 18, 75). Der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung gefolgt. Er hat bei vorzeitiger Beendigung eines Mietvertrags anerkannt, daß einem Mieter, der einen sogenannten verlorenen Zuschuß gegeben hat, ein Erstattungsanspruch nach Bereicherungsgrundsätzen zusteht (Urteil des Bundesgerichtshofs VIII ZR 54/58 vom 12. Februar 1959, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 29 S. 289), der bei einem Konkurs des Mieters zu dessen Konkursmasse gehört (Urteil des Bundesgerichtshofs VIII ZR 91/58 vom 3. Februar 1959, Neue Juristische Wochenschrift 1959 S. 872). Der Gesetzgeber ist ebenfalls bereits bei dem Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet der Zwangsvollstreckung vom 20. August 1953 (BGBl 1953 I S. 952, 961), durch den § 57 c in das Zwangsversteigerungsgesetz eingefügt wurde, davon ausgegangen, daß der Mieter durch die Hingabe eines sogenannten Baukostenzuschusses für die Dauer des Mietvertrags fortwirkende Rechte gegenüber dem Vermieter erlangt. Die gleiche Erwägung liegt § 19 Abs. 2 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet des Mietpreisrechts vom 27. Juli 1955 (BGBl 1955 I S. 458 - erstes Bundesmietengesetz -) zugrunde. Wesentlich ist aber insbesondere, daß nach Art. VI des Gesetzes zur änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, anderer wohnungsbaurechtlicher Vorschriften und über die Rückerstattung von Baukostenzuschüssen vom 21. Juli 1961 (BGBl 1961 I S. 1041) ein Mieter, dessen Baukostenzuschuß bei Beendigung des Mietverhältnisses noch nicht als getilgt gilt, einen Rückforderungsanspruch hat.

Der erkennende Senat hat wegen dieser bürgerlich-rechtlichen Beurteilung der sogenannten "verlorenen Baukostenzuschüsse" bereits in den Urteilen VI 160/59 S und VI 200/59 S vom 20. Mai 1960 (BStBl 1960 III S. 309 und S. 310, Slg. Bd. 71 S. 160 und S. 164) ausgeführt, daß ein derartiger Zuschuß mit der Hingabe nicht "verloren", sondern erst nach Beendigung der vertraglich festgelegten Mietdauer verbraucht sei. Während der vertraglich festgelegten Mietzeit mindert sich der Anspruch, den der Mieter gegen den Vermieter aus der Hingabe des Geldes erlangt hat, um einen der gesamten Mietdauer entsprechenden Teilbetrag. Es ist also nicht anders als bei Mietvorauszahlungen, von denen auf Grund vertraglicher Festlegung jeweils ein Bruchteil auf die vereinbarte Miete angerechnet wird. Ob und in welcher Höhe die vereinbarte Miete mit Rücksicht auf einen sogenannten "verlorenen Zuschuß" niedriger festgesetzt wird, braucht in den Fällen der Zuschußgewährung nicht festgestellt zu werden.

Die nach bürgerlichem Recht vorhandene ähnlichkeit der sogenannten "verlorenen Zuschüsse" mit den Mietvorauszahlungen muß auch bei der steuerlichen Beurteilung berücksichtigt werden. Die sogenannten "verlorenen Baukostenzuschüsse" sind daher grundsätzlich auch bei der Einkommensteuer nicht anders zu behandeln wie Mietvorauszahlungen, deren steuerliche Behandlung seit langem in Abschnitt 163 Abs. 2 Ziff. 1 Buchstabe a EStR 1958 geregelt ist. Soweit dabei eine Verteilung der Vorauszahlungen auf die Dauer des Mietverhältnisses zugelassen wird, bedeutet dies eine von § 11 EStG abweichende Milderung der Besteuerung, die jedoch als mögliche Auslegung des Gesetzes vertretbar ist.

Diese rechtliche Würdigung führt jedoch nicht zu der von den Bf. begehrten Gewährung der erhöhten AfA nach § 7 b EStG von den vollen, nicht um den Betrag der Zuschüsse gekürzten Herstellungskosten. Die Bf. haben für die ersten Jahre nach der Bezugsfertigkeit der Wohngebäude nicht, wie es in Abschnitt 163 Abs. 2 Ziff. 1 Buchstabe b EStR 1958 vorgesehen ist, die erhöhten AfA beantragt und erhalten. Die als Zuschuß erhaltenen Beträge haben sie auch nicht als Mieteinnahmen behandelt. Sie begehren nunmehr die AfA nach § 7 b EStG von den ungekürzten Herstellungskosten, ohne auf der Einnahmeseite entsprechende Folgerungen zu ziehen. Dem kann nicht gefolgt werden. Es geht nicht an, daß während des für die erhöhte AfA nach § 7 b EStG in Betracht kommenden Zeitraums eine änderung der steuerlichen Behandlung eintritt. Die Bf. würden sonst jeweils lediglich die Vorteile der beiden Regelungen unter a und b der angeführten Verwaltungsanweisung ohne deren ungünstige Auswirkungen erhalten. Die Steuerpflichtigen müssen sich zu Beginn des nach § 7 b EStG für die erhöhten AfA in Betracht kommenden Zeitraums entscheiden, wie sie vorgehen wollen. Mit Rücksicht auf die unter Umständen erheblichen Auswirkungen, die sich durch die verschiedene Behandlung der sogenannten "verlorenen Zuschüsse" bei den Einnahmen und den erhöhten AfA nach § 7 b EStG ergeben, kann ein Wechsel nicht zugelassen werden. Hat ein Steuerpflichtiger die für ihn im Gesamtergebnis im allgemeinen günstigere Regelung nach Abschnitt 163 Abs. 2 Ziff. 1 Buchstabe a EStR 1958 für das Erstjahr gewählt, in dem er von der erhöhten AfA nach § 7 b EStG Gebrauch machen kann und die erhaltenen sogenannten Zuschüsse weder im Jahr des Zuflusses in voller Höhe entsprechend § 11 EStG noch anteilig als Mieteinnahme versteuert, so ist er für den ganzen Zeitraum an diese Sachbehandlung gebunden. Die erhöhte AfA nach § 7 b EStG kann er nach den tatsächlichen und ungekürzten Herstellungskosten nur beanspruchen, wenn er sich von vornherein hierzu entschließt und den Betrag der Zuschüsse entweder in voller Höhe nach § 11 EStG sofort bei der Vereinnahmung oder in den folgenden Jahren den nach dem Mietvertrag auf jedes Jahr entfallenden Anteil als Mieteinnahme versteuert. Daß die Bf. in den Jahren, in denen sie sich danach für eine dieser beiden steuerlichen Möglichkeiten hätten entscheiden müssen, möglicherweise der Auffassung waren, die in den EStR für Mietvorauszahlungen vorgesehene Regelung komme für sie nicht in Betracht, ändert hieran nichts; denn die unter b in Abschnitt 163 Abs. 2 Ziff. 1 EStR getroffene Regelung wirkt sich im allgemeinen im Gesamtergebnis nicht zum Nachteil der Steuerpflichtigen aus.

Da die Sachbehandlung in den zurückliegenden Jahren nicht geändert werden kann, haben die Bf. auch im Streitjahr nicht mehr die Möglichkeit, die erhöhten AfA nach § 7 b EStG von den ungekürzten Herstellungskosten der Wohnhäuser zu verlangen. Das Urteil des Finanzgerichts war daher im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410684

BStBl III 1963, 120

BFHE 1963, 329

BFHE 76, 329

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