Rz. 60

Als Rechtsfolge bestimmt § 174 Abs. 1 AO, dass der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern ist. Der rechtmäßige Bescheid kann nicht geändert werden, auch wenn der unrichtige Bescheid wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr geändert werden kann. In diesem Fall kann die widerstreitende Steuerfestsetzung nicht beseitigt werden.[1] Fehlerhaft ist der Steuerbescheid, in dem der Sachverhalt berücksichtigt worden ist, obwohl dies nach den Steuergesetzen nicht hätte geschehen dürfen. Zu ändern oder aufzuheben ist also der Steuerbescheid, in dem der Grund für die widerstreitende Steuerfestsetzung liegt. Ohne Bedeutung ist, ob einer der beiden Steuerbescheide darüber hinaus aus Gründen fehlerhaft ist, die mit der widerstreitenden Berücksichtigung des Sachverhalts nicht zusammenhängen. Es ist also immer der unrichtige Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern. Ist dies nicht möglich – etwa wegen eingetretener (gerichtlicher) Rechtskraft – hat es bei der widerstreitenden Steuerfestsetzung zu verbleiben. Nicht möglich ist, den richtigen Steuerbescheid zu ändern, um die Doppelbelastung zu vermeiden.[2]

 

Rz. 61

In den Fällen der örtlichen Unzuständigkeit einer der Finanzbehörden (vgl. Rz. 23) ist der Steuerbescheid der unzuständigen Finanzbehörde aufzuheben, auch wenn dieser Steuerbescheid sachlich richtig, der der zuständigen Finanzbehörde sachlich unrichtig war.[3] Hat also die unzuständige Finanzbehörde die Steuer unter fälschlicher Einbeziehung des fraglichen Sachverhalts rechnerisch richtig ermittelt, die zuständige Finanzbehörde dagegen bei Einbeziehung des fraglichen Sachverhalts rechnerisch falsch, ist der Bescheid der unzuständigen Finanzbehörde nach § 174 Abs. 1 AO zu ändern, der (ebenfalls unrichtige) Bescheid der zuständigen Finanzbehörde dagegen nicht, wenn nicht eine sonstige Änderungsvorschrift eingreift.

 

Rz. 62

Auch in den Fällen des Zuständigkeitswechsels haben es die beteiligten Finanzbehörden nach § 26 S. 2 AO nicht in der Hand, durch eine Vereinbarung zu bestimmen, welche Behörde zuständig und damit welche Steuerfestsetzung bestehen bleiben soll. Die Vereinbarung nach § 26 S. 2 AO ist an enge Voraussetzungen gebunden (einfache und zweckmäßige Durchführung des Verfahrens), die hier nicht vorliegen. Auch durch eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO mit Zustimmung des Stpfl. ist es nicht möglich, daraufhin einzuwirken, welche Behörde unzuständig und welche Steuerfestsetzung daher aufzuheben ist. Die Zuständigkeitsvereinbarung entfaltet keine Rückwirkung und ändert daher an der Zuständigkeit für die in der Vergangenheit erlassenen Steuerbescheide nichts. Unrichtig und daher zu ändern oder aufzuheben ist danach der von der nach den §§ 17ff. AO unzuständigen Behörde erlassene Steuerbescheid.

 

Rz. 63

Hat die gleiche Finanzbehörde versehentlich für das gleiche Jahr zwei Steuerfestsetzungen in der gleichen Steuerart vorgenommen, ist unabhängig vom sonstigen Inhalt die zweite Steuerfestsetzung unrichtig und daher aufzuheben, da nach einer Steuerfestsetzung keine zweite für die gleiche Steuerart und den gleichen Besteuerungszeitraum mehr ergehen kann.[4]

[2] A. A. wohl FG Münster v. 8.12.1981, VI 393/77 E, EFG 1982, 352; vgl. Gosse, FR 1983, 164.
[3] Weber-Grellet, StBp 1982, 29; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, zu § 174 AO Rz. 18; zum Hinweis von Macher, DStR 1979, 548 auf § 127 AO vgl. Rz. 31; unklar ist die Ansicht von Macher, dass nicht die unrichtige Steuerfestsetzung zu ändern sei, sondern die mit der höheren Steuerbelastung für den Stpfl.
[4] FG Düsseldorf v. 23.5.1977, II 203/77 F, EFG 1978, 55 zu dem Sonderfall, dass zwei widersprechende Steuerbescheide zur gleichen Zeit bekannt gegeben werden; für diesen Sonderfall ist es richtig, beide Bescheide aufzuheben, da nicht mit hinreichender Sicherheit entschieden werden kann, welcher Bescheid wirksam ist.

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