Rz. 10

Die verlängerbaren Fristen können vor ihrem Beginn, während ihres Laufs oder nach ihrem Ablauf verlängert werden. Die Fristverlängerung nach Fristablauf ist mit Rückwirkung möglich.[1] Diese rückwirkende Fristverlängerung setzt nicht voraus, dass ein Verlängerungsantrag bereits vor Fristablauf gestellt worden ist.[2] Entgegen der früher häufig vertretenen Auffassung[3] ist eine Verlängerung auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der durch die Verlängerung Begünstigte schuldhaft die Antragstellung vor Fristablauf versäumt hat. Fristverlängerungen können regelmäßig auch ohne Antrag gewährt werden, sodass der Antrag und die Umstände seiner Abgabe nicht allein maßgebend sein können. Allerdings sind die Möglichkeit eines rechtzeitigen Verlängerungsantrags und das Verschulden seiner Versäumung im Rahmen der Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Fristverlängerung zu berücksichtigen[4], da eine Rückwirkung vom Gesetz insbesondere für den Fall der Unbilligkeit der durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen vorgesehen ist.[5] Die Zahlungsfrist (Fälligkeit) kann durch Stundung verlängert werden, und zwar auch rückwirkend.[6]

 

Rz. 11

Die Wirkung der Fristverlängerung vor Fristablauf besteht darin, dass die Frist innerhalb einer längeren Dauer gewahrt werden kann, insbesondere die Ausschlusswirkung und die anderen Folgen vermieden werden. Die rückwirkende Fristverlängerung beseitigt darüber hinaus die durch Fristablauf bereits eingetretenen Rechtsfolgen. So werden die schon verwirkten Säumniszuschläge für nicht rechtzeitig geleistete Zahlung durch rückwirkende Stundung wieder zum Erlöschen gebracht oder es wird die Präklusionswirkung des § 364b Abs. 2 S. 1 AO wieder aufgehoben. Gerade wegen der der Billigkeit entsprechenden Beseitigung bereits eingetretener negativer Rechtsfolgen kann die Anordnung einer Rückwirkung angebracht sein.

 

Rz. 12

Die Berechnung der verlängerten Frist richtet sich nach § 190 BGB in entsprechender Anwendung.[7] Die sich durch die Fristverlängerung ergebende Frist wird in der Weise berechnet, dass die neue Frist "von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet" wird. Das bedeutet, dass die Verlängerungsfrist unmittelbar an das Ende der ursprünglichen Frist angehängt wird. Die Ablaufverschiebung des § 108 Abs. 3 AO auf den nächstfolgenden Werktag, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt, ist nicht zu berücksichtigen, da sie lediglich für das tatsächliche Ende der Frist gedacht ist und gilt.[8] Ursprüngliche und Verlängerungsfrist bilden nämlich eine Einheit.[9] Ohne Bedeutung für die Berechnung der Frist bei Fristverlängerung sind der Zeitpunkt eines etwaigen Verlängerungsantrags und die Zeit der Bekanntgabe des Verlängerungsverwaltungsakts. Für die Verlängerung von Festsetzungs- und Zahlungsverjährungsfristen durch Ablauf- oder sonstige Hemmungen bzw. Unterbrechungen enthalten §§ 171, 231 AO Sonderregelungen.

[1] Abs. 1 S. 2.
[2] H. M.; vgl. z. B. Klein/Brockmeyer, AO, 14. Aufl. 2016, § 109 Rz. 2; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 109 AO Rz. 6.
[3] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 109 AO Rz. 34 f .
[5] Abs. 1 S. 2.
[6] Ebenso Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 109 AO Rz. 5.
[8] Ebenso Palandt/Danckelmann, BGB, 75. Aufl. 2016, § 190 Rz. 1; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 109 AO Rz. 68; Hofmann, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 21. Aufl. 2015, § 109 AO Rz. 1.
[9] So auch Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 109 AO Rz. 67.

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