Rz. 19

Die von Deutschland und anderen Vertragstaaten der OECD geschlossenen DBA auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern folgen in weiten Teilen dem vom Steuerausschuss der OECD konzipierten Musterabkommen von 1966. Die letzte überarbeitete Neufassung des Musterabkommens wurde im Jahr 1982 vom Fiskalausschuss der OECD verabschiedet. 1987 wurde die deutsche Übersetzung des Musterabkommens 1982 und des Berichts des Fiskalausschusses der OECD, einschließlich der darin enthaltenen umfangreichen Kommentierung, vom Bundesministerium der Finanzen herausgegeben.[1]

 

Rz. 20

Im Gegensatz zu Musterabkommen von 1966 wurden in die Neufassung von 1982 auch Steuern auf Schenkungen unter Lebenden in den Anwendungsbereich des Musterabkommens einbezogen. Wegen der ansonsten weitgehenden Übereinstimmung kann den in beiden Abkommen verwendeten Begriffen grundsätzlich dieselbe Bedeutung beigelegt werden. Gegen Teile der Neufassung des Abkommens 1982 haben einzelne OECD-Mitgliedstaaten Vorbehalte angemeldet, sodass in das Musterabkommen Ergänzungsklauseln für Sonderfälle aufgenommen wurden. Dennoch ist das OECD-MA 1966/1982 und der dazugehörende Bericht des Fiskalausschusses der OECD, einschließlich der darin enthaltenen Kommentierung, noch heute von grundlegender Bedeutung für die Interpretation der bestehenden DBA auf dem Gebiet der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern. Das gilt auch ungeachtet dessen, dass Deutschland in neuerer Zeit auch sog. "große" Abkommen geschlossen hat (DBA Dänemark, DBA Schweden), in denen die Vermeidung der Doppelbesteuerung auf den Gebieten des Einkommens, Vermögens und bei Erbschaften, Nachlässen und Schenkungen sowie die gegenseitige Amts- und Rechtshilfe abkommenstechnisch in einem Vertrag geregelt wurde.[2]

 

Rz. 21

Allerdings sind weder das Musterabkommen selbst noch der dazugehörige Kommentar völkerrechtliche Verträge. Deshalb besteht weder eine völkerrechtliche Verpflichtung, dem Musterabkommen beim Abschluss eines DBA zu folgen, noch kann der Kommentar zum Musterabkommen für die Auslegung als rechtsverbindlich angesehen werden. Zu beachten ist jedoch, dass der Rat der OECD eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen hat, dem Abkommensmuster mit der in den Kommentaren niedergelegten Auslegung bei der Abfassung von zweiseitigen DBA zu folgen.[3] Die praktische Relevanz von Musterabkommen und Kommentar basiert deshalb weitgehend auf völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätzen. Infolgedessen greift der BFH auch in seiner Rspr. sowohl auf das Musterabkommen als auch auf den Kommentar zum Musterabkommen als Auslegungshilfen zurück.[4] So sollte zumindest unter OECD-Mitgliedstaaten, wenn die Vertragsstaaten im betreffenden Abkommen den Text des Musterabkommens ganz oder teilweise übernommen haben, die Vermutung möglich sein, dass das Abkommen i. S. d. Musterabkommens und des Kommentars interpretiert werden muss, sofern die Vertragsstaaten nicht Vorbehalte angemeldet haben bzw. bewusst eine vom Musterabkommen bzw. vom Kommentar abweichende und nach innerstaatlichem Recht auszulegende Regelung schaffen wollten.[5]

[1] Abgedruckt bei Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, DBA, Teil 4 I OECD-MA/ErbSt.
[2] Gl. A. Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 2 Rz. 152.
[3] Wassermeyer, in Wassermeyer, MA Vor Art. 1, Rz. 34 m. w. N.
[5] Wassermeyer, in Wassermeyer, MA Vor Art. 1, Rz. 51.

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