Leitsatz (amtlich)

Die lediglich durch eine verfügende Willenserklärung vorgenommene Übertragung eines Rechts, das zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehört, wird als sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, an dem der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübt.

 

Normenkette

UStDB 1951 § 7

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der Firma L, Gesellschaft des bürgerlichen Rechts - GdbR - (Firma L) in H. Die Firma L hatte mit einem ungarischen Außenhandelsunternehmen (A) in Budapest unter dem 11. Juli 1957 sowie mit einem tschechischen Außenhandelsunternehmen (B) in Prag am 19. Juni 1959 jeweils einen Rahmenvertrag abgeschlossen. Diese Verträge verpflichteten die Firma L einerseits zur Abnahme von Waren ungarischer bzw. tschechoslowakischer Herkunft innerhalb betragsmäßig festgelegter Grenzen; andererseits berechtigten die Verträge in gleicher Betragsgröße zur Lieferung teils bereits bestimmter, teils im einzelnen noch nicht bestimmter Waren westlichen Ursprungs.

In einem den Rahmenvertrag ergänzenden Vertrag mit A vom 29. Dezember 1960 ist außerdem folgende Vereinbarung getroffen worden:

"In bezug auf die durch die Firma L zu leistenden Warenlieferungen wird diese seitens der ungarischen Außenhandelsunternehmungen fallweise zur Offertstellung aufgefordert und die Firma L nimmt zur Kenntnis, daß durch ihre Vermittlung nur jene Waren bezogen werden, welche sowohl preislich als auch hinsichtlich Lieferfrist und Zahlungskonditionen konkurrenzfähig sind, d. h. nicht schlechter liegen, als die durch die ungarischen Außenhandelsunternehmungen von anderer Seite eingeholten Offerten. In diesem Zusammenhang hat die Firma L uns gegenüber kein Anrecht auf irgendwelche Spesenvergütung."

In ähnlicher Weise hat sich die B verpflichtet, wegen bereits von der Firma L getätigter Einkäufe, die von der Firma L in westlicher Währung beglichen worden waren, unter Einschaltung tschechoslowakischer Außenhandelsunternehmen bei der (oder durch die) Firma L Gegenkäufe in mindestens gleicher betragsmäßiger Höhe vorzunehmen.

Soweit die Firma L auf Grund der vorbezeichneten Rahmenverträge nicht selbst Waren lieferte, überließ sie die ihr vertraglich eingeräumte Möglichkeit zur Lieferung von Waren an die erwähnten Osthandelsunternehmen gegen Zahlung einer sogenannten Kompensationsprämie an Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) und in Österreich. Auf diese Weise konnten diese Unternehmen Waren nach Ungarn und in die Tschechoslowakei (CSSR) liefern, ohne ihrerseits Ostware abnehmen oder Verpflichtungen zur Abnahme von Ostwaren einlösen zu müssen. Die Kompensationsprämien wurden von diesen westlichen Unternehmen an die Firma L gezahlt, sobald ihnen die Außenhandelsunternehmen den Abschluß eines Exportgeschäfts oder die Freistellung von einer bereits eingegangenen Bezugsverpflichtung bestätigt hatten.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) zog die Klägerin im Anschluß an eine Betriebsprüfung in Höhe der der Firma L im Jahre 1961 zugeflossenen Kompensationsprämien von 215 825 DM zur Umsatzsteuer mit 4 v. H. (= 8 633 DM) heran, weil nach seiner Meinung diese Entgelte für erbrachte sonstige Leistungen der Firma L entrichtet worden sind. Die nach erfolglosem Einspruch gegen den Bescheid vom 26. August 1966 zum FG erhobene Klage führte antragsgemäß zur Herabsetzung der Steuer um 8 633 DM. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das FG ausgeführt:

Die sonstigen Leistungen der Firma L hätten darin bestanden, daß sie es zugunsten ihrer deutschen und österreichischen Vertragspartner unterlassen habe, ihr Recht selbst auszuüben, eine bestimmte Menge von Waren an die genannten Außenhandelsunternehmen oder von diesen benannte Abnehmer in Ungarn oder in der CSSR zu liefern. Sie habe dadurch eine sonstige Leistung i. S. von § 7 Abs. 2 UStDB 1951 im Wege der Unterlassung eigener Rechtsausübung (Recht zur Warenlieferung an Osthandelsunternehmen) bewirkt. Da nicht festzustellen sei, ob sie diese Lieferungen - hätte sie diese selbst bewirkt - vom Ausland oder vom Inland aus durchgeführt hätte, komme es darauf an, wo sich die überlassene Rechtsausübung wirtschaftlich auswirke. Der Ort der wirtschaftlichen Auswirkung läge in der CSSR oder in Ungarn, da die Firma L ihre deutschen und österreichischen Vertragspartner in die Lage versetzt habe, dort ihre Waren abzusetzen. Die Leistungen der Firma L, die diese gegen Zahlung einer Kompensationsprämie bewirkt habe, seien mithin nicht steuerbar.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des FA, das zu ihrer Begründung ausführt:

Die angefochtene Entscheidung beruhe auf unrichtiger Anwendung des § 1 Nr. 1 UStG 1951 i. V. m. § 7 UStDB 1951. Gleichgültig, ob die Firma L ihren deutschen und österreichischen Vertragspartnern Exporte nach Ungarn oder in die CSSR ohne gleichzeitige Abnahmeverpflichtung oder Freistellung von bereits eingegangenen Abnahmeverpflichtungen ermöglicht habe, sei eine positive Leistung gegeben. Die Übertragung der aus den Rahmenverträgen erworbenen Rechte zur Warenlieferung an die Osthandelsunternehmen sei ein von der möglichen Lieferung losgelöster Vorgang. Es komme deshalb allein darauf an, wo die entscheidenden Bedingungen zum Erfolg, nämlich die Überlassung der Rechtsposition, gesetzt worden seien. Dies sei im Inland am Sitz der Klägerin geschehen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie führt u. a. aus:

In der Übertragung des Rechts auf Lieferung an die Osthandelsunternehmen sei eine negative Leistung (ein Dulden oder Unterlassen) zu erblicken. Sie dulde nämlich die Ausnutzung dieser Rechte durch ihre deutschen und österreichischen Partner und unterlasse es gleichzeitig, selbst Lieferungen in das jeweilige Ostblockland durchzuführen. Ebenso wie bei der Überlassung von geschützten Rechten (Patentrechten, Urheberrechten) komme es daher darauf an, wo sich das übertragene Recht wirtschaftlich auswirke. Da das vertraglich erworbene Gegenlieferungsrecht auf die Einfuhr von Waren nach Ungarn und der CSSR gerichtet sei, könne es auch nur dort wirtschaftlich realisiert werden. Der zu beurteilende Sachverhalt dürfe nicht anders behandelt werden, als die vom RFH und BFH entschiedenen Fälle, in denen sich der Unternehmer für einen bestimmten Zeitraum oder für ein bestimmtes Warenkontingent der geschäftlichen Betätigung zu enthalten habe.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

1. Mit der uneingeschränkten und vorbehaltlosen Übertragung der ihr vertraglich eingeräumten Rechte an ihre deutschen und österreichischen Vertragspartner hat die Firma L diese in die Lage versetzt, im einen Falle Waren nach Ungarn und der CSSR zu liefern, ohne im gleichen Wert Waren ungarischer oder tschechoslowakischer Herkunft abnehmen zu müssen, im anderen Falle bereits eingegangene Abnahmeverpflichtungen durch Verrechnung mit den erworbenen Rechten zu tilgen. Sie hat damit - ohne daß es für die Entscheidung auf eine Qualifizierung dieser Rechte ankommt - ihren Vertragspartnern gegenüber sonstige Leistungen bewirkt, und zwar in der Form positiven Tuns. Denn mit der Abgabe der jeweiligen Willenserklärung durch die Firma L und deren Annahme durch ihre Vertragspartner in der Bundesrepublik und Österreich, die auf die vorbehaltlose Übertragung der aus den Verträgen mit den Außenhandelsunternehmen abgeleiteten konkreten Lieferungsrechte gerichtet war, hat sich die Firma L dieser Lieferungsrechte gänzlich entäußert. Insoweit verblieb der Firma L keine Rechtsposition, die eine Duldungsleistung zugunsten ihrer Vertragspartner erforderlich gemacht hätte. Diese Rechtsübertragung ist den Fällen der Überlassung von Patent-, Urheber- oder sonstigen geschützten Rechten nicht vergleichbar.

2. Eine solche positive sonstige Leistung wird nach § 7 Abs. 2 UStDB 1951 im Inland ausgeführt, wenn der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil im Inland tätig wird. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung könnte als Ort der Leistung der Ort in Betracht kommen, an dem der Unternehmer die auf die Rechtsübertragung gerichtete Willenserklärung abgegeben hat. Denn bei der Übertragung eines Rechts der hier gegebenen Art erschöpft sich die Tätigkeit des Unternehmers in der Abgabe dieser Willenserklärung. Wie aber die in der Vorschrift angeführten Beispiele (Vermittlungstätigkeit, Lohnveredelung) erkennen lassen, hat der Verordnungsgeber mit dem Begriff des Tätigwerdens durch positives Handeln zwar die Leistung von Diensten, nicht aber die Vollübertragung von Rechten regeln wollen. Für die sonstige Leistung, die lediglich in einer verfügenden Willenserklärung besteht, enthalten weder das Umsatzsteuergesetz 1951 noch die Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz 1951 eine ausdrückliche Regelung zur Bestimmung des Leistungsortes.

Diese Regelungslücke ist nach Auffassung des Senats in Anlehnung an den in § 4 UStDB 1951 zum Ort der Lieferung zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken in der Weise auszufüllen, daß der Sitz des Unternehmens als Ort der Rechtsüberlassung zu gelten hat. An diesem Ort ist nämlich das lediglich durch eine Willenserklärung zu übertragende Recht in einem übertragenen Sinne "belegen". Denn dieses Recht ist ein Vermögensgegenstand, der in die Rechtszuständigkeit des Unternehmers fällt. Denn es handelt sich hier um einen Unternehmer, der das in Rede stehende Recht im Rahmen seines Unternehmens erworben hat und um ein Recht, das seinem Betriebsvermögen zuzurechnen ist; dies zeigt sich besonders deutlich, wenn der Unternehmer sich seines Rechts entäußert. Denn mit der Übertragung auf einen anderen scheidet das Recht aus dem Betriebsvermögen seines bisherigen Inhabers aus.

Diese Auslegung geht in die Richtung der Lösung, die in den Art. 7 und 10 des Entwurfs einer Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern zum Ort der Dienstleistung i. S. dieser Richtlinie vorgeschlagen wird (vgl. Bundestags-Drucksache 7/913). Sie berücksichtigt auch den Grundsatz, daß nach Möglichkeit sowohl eine Doppel- wie auch eine Nichtbesteuerung der bewirkten Umsätze zu vermeiden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72201

BStBl II 1977, 269

BFHE 1977, 415

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