0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist gemäß Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zum 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft getreten. Sie übernimmt im Wesentlichen den bisherigen § 72 Abs. 1 BSHG. Der neue Satz 2 2. Alternative stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass auch die Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII (also einschließlich der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Volljährige) Vorrang vor Leistungen nach § 67 hat (vgl. insoweit zum früheren Recht BVerwG, FEVS 49 S. 99).

Durch Art. 13 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) ist in § 67 Satz 2 ein Verweis auf das SGB IX aufgenommen worden. Dadurch soll sichergestellt werden (so die Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9522 S. 337), dass nach der Neuregelung der Eingliederungshilfe im SGB IX die im Rahmen dessen erbrachten Leistungen weiterhin vorrangig gegenüber den Leistungen nach dem 8. Kapitel des SGB XII zu gewähren sind und Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nur gewährt werden können, soweit diese Leistungen nicht bereits durch Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht werden oder erbracht werden können.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Regelung ist aus der "Hilfe für Gefährdete" des BSHG hervorgegangen. Diese Hilfeart wurde auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG v. 18.7.1967 (2 BvF 5/62, 2 BvF 6/62, 2 BvF 7/62 u. a.) umfassend umgestaltet. Das BVerfG führte in der genannten Entscheidung aus, dass es nicht Aufgabe des Staates sei, seine Bürger zu "bessern", und er deshalb auch nicht das Recht habe, ihnen die Freiheit zu entziehen, nur um sie zu "bessern", ohne dass sie sich selbst oder andere gefährdeten, wenn sie in Freiheit blieben.

Die Vorschrift findet sich im 8. Kapitel des SGB XII und benennt den leistungsberechtigten Personenkreis. Dieser wird in § 1 der auf § 69 gestützten Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (DVO) konkretisiert. In § 68 sind demgegenüber Art und Umfang der Leistungen benannt.

2 Rechtspraxis

2.1 Rechtsanspruch und Umfang der Hilfe

 

Rz. 3

Die Vorschrift vermittelt einen gebundenen Rechtsanspruch ("sind zu erbringen") auf Leistungen, wenn die in § 67 und in der DVO (abgedruckt bei § 69) genannten Voraussetzungen vorliegen. Der Anspruch besteht jedoch nur dem Grunde nach. Welche konkrete Hilfe im Einzelfall erbracht wird, steht im Ermessen des Sozialhilfeträgers (§ 17 Abs. 2 Satz 1; sog. Auswahlermessen). Darüber hinaus bringt die Vorschrift das allgemeine Nachrangprinzip des Sozialhilferechts (§ 2) zum Ausdruck, in dem zum einen die Leistungspflicht nicht eintritt, wenn der Hilfesuchende aus eigener Kraft fähig ist, die Schwierigkeiten zu überwinden (§ 67 Satz 1 HS 3). Zum anderen sind gemäß Satz 2 die Hilfen nachrangig gegenüber jeder anderen Form der Hilfe nach dem SGB XII und dem SGB VIII. Dies gilt grundsätzlich sowohl für die Pflicht- als auch für Ermessensleistungen. Allerdings genügt für diesen Nachrang nicht die bloß theoretische Möglichkeit einer anderen Anspruchserfüllung. Das Gesetz stellt mit der Formulierung "gedeckt wird" vielmehr darauf ab, dass die Hilfe nach § 67 als eine Deckung durch Leistungen im Sinne einer tatsächlichen Befriedigung bzw. verbindlichen Zusage real gesichert ist. In Streitfällen sind Kompetenzkonflikte nicht zulasten der Hilfesuchenden, sondern durch die Anwendung des § 43 SGB I – vorläufige Leistungen des angegangenen unzuständigen Trägers – und Ausgleich nach § 102 SGB X zu lösen.

2.2 Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen

 

Rz. 4

Mit der Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten soll die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gesichert werden. Der Anspruch setzt dabei voraus, dass besondere Lebensverhältnisse bestehen, die mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind und die dazu führen, dass ein Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt wird. Darüber hinaus darf der Hilfesuchende nicht in der Lage sein, die Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu beseitigen. Bei den in der Vorschrift gebrauchten Formulierungen der "besonderen Lebensverhältnisse" und der "sozialen Schwierigkeiten" handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die voll gerichtlich überprüfbar sind. Dem Sozialhilfeträger steht mithin kein Beurteilungsspielraum zu (vgl. Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 67 Rn. 6).

2.2.1 Soziale Schwierigkeiten

 

Rz. 5

"Soziale Schwierigkeiten" liegen nach § 1 Abs. 3 DVO vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, insbesondere im Zusammenhang mit der Erhaltung oder Beschaffung einer Wohnung, mit der Erlangung oder der Sicherung eines Arbeitsplatzes, mit familiären oder anderen sozialen Beziehungen oder mit Straffälligkeit. Wie der Begriff "insbesondere" zeigt, ist diese Aufzählung nicht abschließend. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 Satz 1 ist ein Zusammenhang von besonderen Lebensverhältnissen und sozialen Schwierigkei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge