Leitsatz

Nutzung zweier Zimmer einer 4-Zimmer-Wohnung als Praxis?

 

Normenkette

§§ 13, 14 WEG

 

Kommentar

  1. In einer größeren Wohnanlage beabsichtigte eine Eigentümerin, ihre im 10. OG gelegene 4-Zimmer-Wohnung teilweise (im Bereich zweier Zimmer) als Praxis zu benutzen und dort eine Gäste-Toilette einzubauen. Der Verwalter erteilte hierzu seine in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Zustimmung, musste diese allerdings später wegen Widerspruchs verschiedener Eigentümer widerrufen. Die Eigentümerin stellte daraufhin in der Versammlung einen Antrag auf entsprechende Nutzungsgenehmigung, der jedoch mehrheitlich abgelehnt wurde. Das Amtsgericht hat diesen Beschluss aufgehoben und die Praxisausübung gestattet. Auf Beschwerde hin hat das LG die Entscheidung des AG aufgehoben; dieser Entscheidung widersprach wiederum das OLG und verwies den Streit an das LG zurück.
  2. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Nutzung zu anderen als zu Wohnzwecken die restlichen Eigentümer mehr stört oder beeinträchtigt, als eine Nutzung als Wohnung gem. Zweckbestimmungsvereinbarung, ist eine typisierende bzw. generalisierende Betrachtung entscheidend. Hierfür ist der Gebrauch nach seiner Art und Durchführung zu konkretisieren und auf die örtlichen (Umfeld, Lage im Gebäude) und zeitlichen (etwa Öffnungszeiten) Verhältnisse zu beziehen. Diese Betrachtungsweise bedeutet nämlich nicht, dass die konkreten Umstände des Einzelfalls für die Beurteilung des Vorliegens einer Mehrbelastung gänzlich außer Betracht zu bleiben haben. Das Entscheidungsermessen des Verwalters bzw. der Wohnungseigentümergemeinschaft unterliegt lediglich dem Verbot von Willkür und Missbrauch; eine Zustimmungsverweigerung ist nur gerechtfertigt, wenn diese ohne jeden vernünftigen Grund erfolgt. Zu prüfen wird deshalb im vorliegenden Fall nach Zurückverweisung sein, welche Art von Praxis in den Räumlichkeiten unterhalten wird und welchen Zuschnitt die Praxis aufweist (Einzel- oder Gemeinschaftspraxis bzw. Bestellpraxis). Mitzuberücksichtigen ist auch, dass wohl in der Anlage bisher weitgehend unbeanstandet in erheblichem Umfang auch anderes Wohnungseigentum geduldetermaßen gewerblich oder freiberuflich genutzt wird. U. U. kann deshalb nicht mehr ohne Weiteres von einem Wohncharakter des Hauses gesprochen werden.
 

Link zur Entscheidung

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.07.2005, 20 W 284/03OLG Frankfurt a. M. v. 21.7.2005, 20 W 284/03, NZM 4/2006, 144

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