A. Grundlagen

Die nicht abdingbaren[1] §§ 1385 f. BGB erlauben unter bestimmten Voraussetzungen beiden Ehegatten,[2] einseitig die zwischen ihnen bestehende Zugewinngemeinschaft vorzeitig – d.h. vor Rechtskraft des die Ehe beendenden Scheidungsurteils – durch richterliches Gestaltungsurteil beenden zu lassen. Dem ausgleichsberechtigten Ehegatten geben sie weitergehend die Möglichkeit, per kombinierter Gestaltungs- und Leistungsklage vorzeitigen Zugewinnausgleich geltend zu machen. Folge ist der Eintritt von Gütertrennung (§ 1388 BGB). Voraussetzung ist, dass (mindestens) einer der – abschließenden[3] – Tatbestände des § 1385 BGB vorliegt und der aufgrund dessen hierzu berechtigte Ehegatte einen entsprechenden Antrag stellt. Die §§ 1385 f. BGB durchbrechen die Systematik des ehelichen Güterrechts, die sich dadurch auszeichnet, dass eine Änderung des Güterstands grundsätzlich der Zustimmung beider Ehegatten bedarf. Weil die Vorschriften in der Praxis oftmals eher unbekannt sind, erörtert der folgende Beitrag, in welchen Fällen sie eingreifen und welche Vor-, aber auch Nachteile sie gegenüber anderen möglichen Wegen aufweisen.

[1] Vgl. BeckOK-BGB/Siede, § 1385 Rn 28; NK-BGB/Fischinger, §§ 1385, 1386 Rn 44.
[2] Für Lebenspartner gelten die Vorschriften entsprechend, § 6 S. 2 LPartG.
[3] MüKo-BGB/Koch, §§ 1385, 1386 Rn 8; Prütting/Wegen/Weinreich/Weinreich, Vor §§ 1385–1388 Rn 2.

B. Die einzelnen Tatbestände des § 1385 BGB

I. Dreijährige Trennung (§ 1385 Nr. 1 BGB)

Jeder Ehegatte kann die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen, wenn die Ehegatten bereits drei Jahre oder länger getrennt leben (§ 1567 BGB), § 1385 Nr. 1 BGB. Angesichts des Zerrüttungsprinzips ist auch der Ehegatte zur Antragstellung berechtigt, der den maßgeblichen Grund für die Trennung gesetzt hat.[4] Mit § 1385 Nr. 1 BGB wird der Tatsache Rechnung getragen, dass bei einer langen Trennungszeit der den Zugewinnausgleich tragende Grund – die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft[5] – weggefallen ist.[6]

"Attraktiv" kann das Vorgehen über §§ 1386, 1385 Nr. 1 BGB zum Beispiel sein, wenn wegen schwieriger güterrechtlicher Fragen ein langes Scheidungsverfahren droht. Zwar ermöglicht § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Verzögerung des Scheidungsausspruchs die Abtrennung einer Folgesache vom Verbund, wenn ein weiterer Aufschub eine unzumutbare Härte für den Antragsteller bedeuten würde. Der Weg über § 140 Abs. 2 S. 2 FamFG ist aber insoweit problematisch, als insbesondere[7] die Anforderungen an die "außergewöhnliche Härte" hoch sind.[8] Das gilt namentlich bei langer Ehedauer,[9] aber auch ganz allgemein, muss doch das Interesse des Antragstellers an einer schnellen Scheidung nach (wohl) h.M. deutlich schwerer wiegen als das Interesse des anderen Ehegatten an einer umfassenden Verbundentscheidung.[10] Verglichen mit diesen hohen Hürden stellen die §§ 1386, 1385 Nr. 1 BGB weit geringere materielle Hürden.[11]

Das gilt insbesondere, wenn man mit der zutreffenden herrschenden Literatur – die jüngst vom BGH bestätigt wurde[12] – für § 1385 Nr. 1 BGB allein eine dreijährige Trennungszeit voraussetzt.[13] Im Schrifttum wird das zwar vereinzelt anders gesehen, wenn zwischen den Ehegatten bereits ein Scheidungs- oder Scheidungsverbundverfahren rechtshängig ist. Argumentiert wird, dass in einer solchen Konstellation eine Aushöhlung des § 1365 BGB drohe. Der (potentielle) Ausgleichsschuldner könne den Antrag daher nur stellen, wenn er für ihn ein berechtigtes Interesse geltend machen könne.[14] Es überzeugt jedoch nicht, aus der bloß theoretisch-abstrakten Möglichkeit, dass der Ausgleichsverpflichtete ein Gesamtvermögensgeschäft i.S.v. § 1365 BGB vornehmen könnte, ihm entgegen dem klaren Wortlaut der §§ 1385 Nr. 1, 1386 BGB generell das Recht zu versagen, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufheben zu lassen. Überdies ist das von der Gegenauffassung in den Mittelpunkt gerückte Erfordernis eines "berechtigten Interesses" nicht hinreichend präzise. Schließlich ist der Ausgleichsgläubiger auch auf dem Boden der hier vertretenen Ansicht nicht schutzlos. Denkbar wäre zum einen, § 1365 BGB analog bis zur rechtskräftigen Scheidung anzuwenden; ob das überzeugt, kann im vorliegenden Kontext aus Platzmangel nicht abschließend geklärt werden. Jedenfalls aber steht dem Ausgleichsgläubiger stets die Möglichkeit offen, seine Zugewinnausgleichsforderung über einen Arrest zu sichern.[15]

[4] Soergel/Lange, § 1385 Rn 3; Staudinger/Thiele, § 1385 Rn 11.
[5] Vgl. BGH v. 11.7.1979 – IV ZR 159/77, FamRZ 1979, 905.
[6] NK-BGB/Fischinger, §§ 1385, 1386 Rn 7.
[7] Auch das Merkmal "außergewöhnliche Verzögerung" ist mit gewissen Prognoseschwierigkeiten behaftet, vgl. BeckOK-FamFG/Weber, § 140 Rn 10.
[8] OLG Karlsruhe v. 28.7.2015 – 18 UF 246/13, NJW 2016, 652; OLG Frankfurt v. 13.3.2013 – 4 UF 211/12, FamFR 2013, 427; OLG Hamm v. 1.12.2006 – 12 UF 168/06, FamRZ 2007, 651; MüKo-FamFG/Heiter, § 140 Rn 57; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, § 140 Rn 21.
[9] OLG Köln v. 24.6.1997 – 14 UF 215/96, NJW-RR 1997, 1366; MüKo-FamFG/Heiter, § 140 Rn 63.
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