Die Entscheidung befasst sich mit der Anrechnung von Familienzulagen nach dem EU-Beamtenstatut auf den Kindesunterhalt. EU-Bedienstete erhalten sie zusätzlich zu einer großzügigen Grundvergütung; hinzu kommen andere Zulagen und Vorteile etwa bei Urlaub, Umzug, Dienstreisen, Versicherung und Steuern. Familienzulagen gibt es kumulativ in drei Formen: als Kinder-, Haushalts- und Erziehungszulage.

Nach deutschem Recht ist das Gesamtnettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen Bemessungsgrundlage des Unterhalts. Familienzuschläge nach Beamtenrecht und TVöD, aber auch Zuschläge privater Arbeitgeber steigern das Nettoeinkommen, wirken sich aber nur zu einem Bruchteil auf den Unterhalt aus. Dagegen wird das deutsche Kindergeld, wenn es nach dem Obhutsprinzip an den betreuenden Elternteil ausgezahlt wird, hälftig auf den Kindesunterhalt/-bedarf angerechnet (§§ 1612b, c BGB). Vergleichbare Leistungen staatlicher oder privater Stellen, die über das Kindergeld hinausgehen, vergrößern als sog. Differenzkindergeld das Nettoeinkommen des Pflichtigen, haben aber keine unmittelbare Bedeutung für den Unterhalt. Sollte der Pflichtige dadurch auf eine höhere Stufe der Düsseldorfer Tabelle kommen, kann sich im Einzelfall der Kindesunterhalt geringfügig erhöhen.

Eine Scheidung hat nach deutschem Beamtenrecht und TVöD u.U. Folgen für die Familienzuschläge; sie ändert aber nichts daran, dass die (ggf. verminderten) Zuschläge weiterhin an den Bediensteten ausgezahlt werden. Im Gegensatz dazu sieht das EU-Beamtenstatut seit 1983 vor, dass Familienzulagen nach Scheidung "auf Rechnung und im Namen des EU-Bediensteten" nunmehr an die sorgeberechtigte Person ausgezahlt werden, die das unterhaltsberechtigte Kind betreut.[1]

Ob diese Auszahlung an den Sorgeberechtigten auf den Kindesunterhalt anzurechnen ist, war bislang unklar. Es gab dazu nur eine Entscheidung des OLG Koblenz[2] und eine weitere des OGH Wien[3]: Das OLG Koblenz bejahte 1995 eine hälftige Anrechnung der Kinderzulage auf den Kindesunterhalt; Erziehungs- und Haushaltszulage wollte es voll anrechnen. Der OGH Wien nahm 2001 an, dass die gesamten EU-Familienzulagen auf den Kindesunterhalt anzurechnen seien: Sie seien nach Art. 62 EU-Beamtenstatut Bestandteile der Vergütung des Bediensteten. Auch wenn sie an den Sorgeberechtigten ausgezahlt würden, der das unterhaltsberechtigte Kind betreue, erfolge dies nur "auf Rechnung und im Namen des Bediensteten", vermindere also voll den Unterhaltsanspruch des Kindes.

Die jetzige Entscheidung des OLG Koblenz[4] trägt der Entwicklung der Rechtsprechung insbesondere des EuGH im letzten Jahrzehnt zur Vergleichbarkeit nationaler Familienleistungen Rechnung und beendet insoweit auch einen Streit zwischen den Oberlandesgerichten Koblenz[5] und Saarbrücken[6] zur Anrechenbarkeit von staatlichen Familienleistungen des Herzogtums Luxemburg. Konkret geht sie in ihren tragenden Gründen über die familienrechtlichen Streitigkeiten zwischen EU-Bediensteten hinaus und gibt auch Lösungen für Unterhaltsstreitigkeiten zwischen unterhaltspflichtigen EU-Bediensteten und Unterhalts-/Sorgeberechtigten außerhalb dieses Personenkreises.

Unmittelbare Bedeutung der Entscheidung

Im Fall des OLG Koblenz waren sowohl der unterhaltspflichtige, nichteheliche Vater als auch die sorgeberechtigte, betreuende Mutter Bedienstete der EU; die Unterhaltspflicht beurteilte sich nach deutschem Recht, weil die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten; die Mutter erhielt die vollen Familienzulagen.

Soweit die Kinderzulage das deutsche Kindergeld übersteigt, ist sie nach Auffassung des OLG Koblenz anders als der deutsche Orts-/Kinder-/Familienzuschlag nicht bloß dem Nettoeinkommen des Bediensteten zuzurechnen, sondern muss dem unterhaltspflichtigen Bediensteten und dem betreuenden Sorgeberechtigten jeweils hälftig zugutekommen.
Die der Mutter als EU-Bediensteter – mit Rücksicht auf die zu ihrem Haushalt gehörenden Kinder gezahlte – Haushaltszulage hat nach dem OLG Koblenz schon im Ansatz keine Relevanz für den Kindesunterhalt.
Soweit eine Erziehungszulage gewährt wird, verringert sich der Mehrbedarf des Kindes. Wie der nicht abgedeckte Bedarf zu tragen ist, beurteilt sich nach den Kriterien, die von der deutschen Rechtsprechung hierzu entwickelt worden sind, nämlich danach ob die Betreuungsmaßnahme dazu dient, dem betreuenden Elternteil eine berufliche Tätigkeit zu ermöglichen, oder ob sie pädagogische Zwecke gegenüber dem Kind verfolgt.[7]

Für den Fall, dass sowohl der unterhaltspflichtige Vater als auch die sorgeberechtigte Mutter EU-Bedienstete sind, ist damit die unterhaltsrechtliche Relevanz der Familienzulagen geklärt. Ob sie Beamte, Vertrags- oder Zeitbedienstete sind, spielt keine Rolle; ohne Bedeutung ist auch, ob das unterhaltsberechtigte Kind ehelich oder nichtehelich ist.

Ist nur die sorgeberechtigte Mutter, nicht aber der zum Unterhalt verpflichtete Kindesvater EU-Bediensteter, ergeben sich keine Abweichungen: Der Vater muss Unterhalt nach seinem Nettoeink...

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