Entscheidungsstichwort (Thema)

Unerlaubte Überlassung von Leiharbeitnehmern. Zahlungsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

In Fällen unerlaubter Überlassung von Leiharbeitnehmern ist Arbeitgeber im Sinne der RVO § 529 Abs 1, § 1428 Abs 1, AFG § 225 Abs 1 allein der Entleiher. Der unerlaubt handelnde Verleiher kann wegen seiner Unterlassung, Arbeitnehmer-Beitragsteile an die berechtigte Kasse abzuführen, nicht nach diesen Vorschriften bestraft werden.

 

Orientierungssatz

1. Zahlungsunfähigkeit nach GmbHG § 64 Abs 1, KO § 102 liegt vor, wenn ein Unternehmen mangels der erforderlichen Mittel dauernd außerstande ist, seine fälligen Geldschulden im wesentlichen zu berichtigen.

2. Bei der Prüfung der Zahlungsfähigkeit sind auch illegale Einkünfte zu berücksichtigen (Vergleiche BGH, 1952-01-29, 1 StR 158/51).

 

Normenkette

AÜG Art. 1 § 9 Nr. 1, § 10; AFG § 225 Abs. 1; RVO § 529 Abs. 1, § 1428 Abs. 1 Fassung: 1974-03-02; KO § 102; GmbHG § 64 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1931-08-06, § 84 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1980-07-04

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 27.08.1981; Aktenzeichen 105 Js (Wi)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 27. August 1981

1. aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Beitragsvorenthaltung verurteilt wurde. Insoweit wird der Angeklagte freigesprochen und fallen die Kosten des Verfahrens einschließlich der ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

2. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

  1. im Ausspruch über die mit der Strafe wegen Beitragsvorenthaltung gebildete Gesamtstrafe,
  2. soweit hinsichtlich der mit der Strafe wegen Verletzung der Konkursantragspflicht gebildeten Gesamtstrafe die Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt wurde.

Im Umfang der Aufhebung zu 2.) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verletzung der Konkursantragspflicht unter Einbeziehung rechtskräftiger anderer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Außerdem hat es ihn wegen unerlaubten Überlassens nichtdeutscher Arbeitnehmer in Tateinheit mit Beihilfe zum Vergehen gegen das Ausländergesetz, Beitragsvorenthaltung sowie (durch vorsätzliche Verletzung der Buchführungspflicht begangenen) Bankrotts ebenfalls unter Einbeziehung rechtskräftiger Strafen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Teil Erfolg.

I.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen Nichtabführens einbehaltener Arbeitnehmeranteile zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte Gesellschafter und Geschäftsführer der B-GmbH. Er stellte für die GmbH – in der Zeit vom 2. Juni 1976 bis zum 4. Mai 1977 zum großen Teil – deutsche und ausländische Arbeitnehmer ein, die keine Arbeitspapiere hatten. Solche Arbeitnehmer überließ er im genannten Zeitraum für insgesamt 8.671,75 Stunden anderen Baufirmen zur Arbeitsleistung, obwohl weder er noch die GmbH die hierfür gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hatte. Vereinbarungsgemäß erhielt der Angeklagte von den anderen Firmen 16,50 DM pro Mann und Stunde; den Arbeitnehmern zahlte er „mindestens 8 DM pro Stunde”. Er unterließ es, diese Arbeitnehmer bei dem zuständigen Sozialversicherungsträger anzumelden und für sie Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Er wollte die unerlaubte Verleihtätigkeit nicht offenbar werden lassen und die Einkünfte der GmbH nicht um die entsprechenden Beträge schmälern. Die Strafkammer hat den Gesamtbetrag der „einbehaltenen, jedoch nicht abgeführten Arbeitnehmer-Beitragsteile” (für Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) mit 11.446,39 DM errechnet (UA S. 8 bis 10). Die Beitragsteile wurden auch nicht von den Entleiherfirmen entrichtet.

2. Nach § 529 Abs. 1 RVO sowie nach den von der Strafkammer nicht erwähnten Vorschriften § 1428 Abs. 1 RVO und § 225 Abs. 1 AFG macht sich strafbar, wer als Arbeitgeber Beitragsanteile, die er einbehalten oder erhalten hat, der berechtigten Kasse vorenthält.

Die Strafkammer hat den Angeklagten als Arbeitgeber im Sinne dieser Vorschriften angesehen. Sie nimmt zwar an, daß der Angeklagte bezüglich der hier in Rede stehenden Arbeitnehmer unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung betrieben hat mit der Folge, daß die Pflichten des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers einschließlich der aus den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften herrührenden Pflichten den Entleiher trafen; gleichwohl, so meint der Tatrichter, habe daneben der Angeklagte die Eigenschaft als Arbeitgeber nicht verloren, sondern sei nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses verpflichtet geblieben, die Beitragsanteile der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung einzubehalten und abzuführen.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

3. Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (ArbeitnehmerüberlassungsgesetzAÜG) vom 7. August 1972 (BGBl I 1393) bedürfen solche Arbeitgeber als Verleiher der Erlaubnis, die Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überlassen wollen, ohne damit Arbeitsvermittlung nach § 13 AFG zu betreiben.

a) Die Feststellungen lassen hinreichend deutlich erkennen, daß der Angeklagte Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Art. 1 § 1 AÜG und nicht Arbeitsvermittlung gemäß § 13 AFG betrieben hat. Dafür spricht vor allem, daß der Angeklagte und die Arbeitnehmer darauf bedacht waren, ausschließlich miteinander in vertragliche Beziehungen zu treten, daß der Angeklagte den Arbeitnehmern die ihnen versprochenen Löhne auszahlte und daß die Arbeitnehmer auch nach Beendigung ihres Einsatzes im Entleiherbetrieb darauf angewiesen waren, nur über den Angeklagten weitere Arbeit zu finden (zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitsvermittlung vgl. BVerfGE 21, 261; BSGE 31, 235; Becker/Wulfgramm, AÜG 2. Aufl. Art. 1 § 1 Rdn. 42 ff; Engelbrecht, Die Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von der Arbeitsvermittlung, Diss. Hamburg 1979).

b) Im Falle der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung bleibt der Verleiher Arbeitgeber, auch wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in der Betriebsstätte des Entleihers erbringt; das ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes, das insoweit den Entleiher als „Dritten” bezeichnet, so daß sich auch die Annahme einer Doppelarbeitgeberschaft von Verleiher und Entleiher verbietet (Becker/Wulfgramm aaO Rdn. 53). Dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Sozialversicherung wird dadurch Rechnung getragen, daß der Entleiher für die Erfüllung der Beitragszahlungspflichten des Arbeitgebers wie ein selbstschuldnerischer Bürge haftet (§ 393 Abs. 3 RVO idF des Art. 3 § 1 Nr. 2 AÜG).

c) Anders verhält es sich, wenn – wie hier – die Arbeitnehmerüberlassung ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben wird. Für diesen Fall bestimmt Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG, daß Verträge zwischen Verleiher und Entleiher sowie zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer unwirksam sind; stattdessen gilt nach Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen Entleiher und Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustandegekommen. Inhalt und Dauer des fingierten Arbeitsverhältnisses bestimmen sich nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen, doch hat der Leiharbeitnehmer gegen den Entleiher mindestens Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt (Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 4, 5 AÜG).

Diese Fiktion eines Arbeitsverhältnisses ist im Interesse des Leiharbeitnehmers geschaffen worden, der hierdurch einen stärkeren Schutz erhalten sollte als etwa durch eine subsidiäre Haftung des Entleihers für die Pflichten des Verleihers ihm gegenüber (Amtl. Begr. RegE, BTDrucks. VI/2303 S. 13). Das Bestreben, einen „gerechten Interessenausgleich zwischen den Beteiligten” zu erreichen, gebot aber nicht, ihm zwei für seine Ansprüche gleichermaßen haftende Arbeitgeber gegenüberzustellen. Dementsprechend soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Entleiher „der alleinige Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers mit allen sich daraus ergebenden Pflichten” sein (Amtl. Begr. RegE. aaO S. 14). Diese Intention kommt unter anderem in der Vorschrift des Art. 1 § 10 Abs. 2 AÜG zum Ausdruck. Sie gewährt dem Leiharbeitnehmer gegen den Verleiher nur einen Schadensersatzanspruch – z.B. für den Fall, daß der Entleiher der ihm gemäß Absatz 1 obliegenden Verpflichtung nicht nachkommt (Amtl. Begr. RegE. aaO S. 14) – und schließt selbst den Ersatzanspruch aus, wenn dem Leiharbeitnehmer das Fehlen der in Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG vorausgesetzten Erlaubnis bekannt war.

Diese Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem Verleiher, dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer verbietet es, entgegen dem eindeutigen Willen des Gesetzes das für unwirksam erklärte „Arbeitsverhältnis” zwischen dem ohne Erlaubnis handelnden Verleiher und dem Arbeitnehmer durch ein sogenanntes faktisches Arbeitsverhältnis zu ersetzen. Mit Hilfe dieses Rechtsinstituts können zwar solche Folgen der Unwirksamkeit eines Vertrages ausgeglichen werden, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sind und unbillig erscheinen. Für die Anwendung der entsprechenden Grundsätze ist aber dort kein Raum, wo der Gesetzgeber einen Vertrag für unwirksam erklärt und – wie hier geschehen – zugleich die ihm angemessen erscheinenden Regelungen trifft. Daß das faktische Arbeitsverhältnis keine Bindung für die Zukunft bewirkt und von jedem Beteiligten jederzeit beendet werden kann (BAG NJW 1962, 555; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts Bd. I, 7. Aufl. 1963 S. 125; Söllner, Arbeitsrecht, 7. Aufl. 1981 S. 204), somit im vorliegenden Fall sein Bestand nicht für die Dauer des gesetzlich fingierten Arbeitsverhältnisses gesichert werden könnte, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.

Dem steht nicht entgegen, daß in dem Umfang, in dem der unerlaubt tätige Verleiher Leistungen zugunsten des Leiharbeitnehmers bereits erbracht hat, also auch von seiner Seite den unwirksamen Vertrag durchgeführt hat, die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses angewandt werden. Damit wird das unbillige, dem Sinn des Gesetzes widersprechende Ergebnis vermieden, daß der Verleiher das Geleistete nach Bereicherungsrecht vom Arbeitnehmer zurückverlangen und ihn auf seine Forderungen gegen den (oder die mehreren) Entleiher verweisen kann; außerdem wird damit der – vom Gesetz nicht geregelte – Interessenausgleich zwischen Verleiher und Entleiher erzielt (vgl. BGHZ 75, 299 = NJW 1980, 452, 453; Cl. Becker, BB 1978, 363, 364; Fr. Becker/Wulfgramm aaO Art. 1 § 9 Rdn. 18 mit Nachw.). Eine Übertragung des hierfür gefundenen Lösungsweges auf den vorliegenden Sachverhalt zu dem Zweck, erst die Erfüllung der vom Gesetz für unwirksam erklärten Zusagen oder Verpflichtungen zu erzwingen, ist nicht angängig.

Aus dem vom Landgericht angeführten Urteil des Finanzgerichts Münster (Becker/Wulfgramm, Entscheidungssammlung zum AÜG – EzAÜG – Nr. 47) ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Da es für das Sozialversicherungsrecht an einer dem § 41 Abs. 1 AO vergleichbaren Vorschrift fehlt, läßt sich aus der Betrachtung des Verleihers als lohnsteuerrechtlichen Arbeitgeber nichts für die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung von Beitragsteilen zur Sozialversicherung herleiten.

Das erwähnte Ergebnis wird schließlich auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums das die Versicherungspflicht auslösende Beschäftigungsverhältnis (vgl. z.B. § 1248 Abs. 3 RVO) als ein Rechtsverhältnis eigener Art betrachten (BSGE 1, 115, 117 ff; 2, 164, 175 f; 13, 263 f; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, 1. Bd. 1965 S. 309 bis 311 m. Nachw.; Heußner DB 1973, 1800; Franzheim, JR 1982, 89), das auch dann vorliegen könne, wenn ein Arbeitsverhältnis – allerdings meist als Arbeitsvertrag verstanden – fehle (so Wannagat aaO S. 311). Abgesehen davon, daß nach Anerkennung des Rechtsinstituts des faktischen Arbeitsverhältnisses die Berechtigung der aus einer „vertraglichen Betrachtungsweise des Arbeitsrechts” herrührenden Unterscheidung zunehmend in Zweifel gezogen wird (so insbes. Gitter in Festschrift für Georg Wannagat, 1981 S. 141 m. Nachw. in Fußn. 3, 5), ist Gegenstand dieser Erörterungen jeweils die Frage, ob eine bestimmte Beschäftigung grundsätzlich versicherungspflichtig und damit Anlaß ist, den Beschäftigten in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen. Darum geht es aber im vorliegenden Fall nicht. Denn daß der Leiharbeitnehmer hinsichtlich der im Entleiherbetrieb ausgeübten Tätigkeit der Versicherungspflicht unterliegt, ist unzweifelhaft. Ebenso eindeutig folgt aus Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG, daß der Entleiher insoweit zur Abführung der Sozialversicherungs-Beitragsteile verpflichtet ist (Becker/Wulfgramm, AÜG aaO Art. 1 § 10 Rdn. 53; LSG Berlin, Urt. vom 31. August 1977, Becker/Wulfgramm, EzAÜG Nr. 37). Dem für die erwähnte Diskussion maßgebenden Anliegen, in Fällen einer Erwerbsminderung oder krankheitsbedingten Ausgabenerhöhung die Daseinsgrundlage des Betroffenen sicherzustellen (Wannagat, aaO S. 309), ist somit grundsätzlich Rechnung getragen.

Will man dennoch die hier zu entscheidende Frage dahin stellen, ob der Leiharbeitnehmer nicht nur zum Entleiher, sondern außerdem zum Verleiher in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht, so ist sie gerade aus den im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zum Ausdruck gekommenen sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten zu verneinen: Für den Fall der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung hat der Gesetzgeber des AÜG die (Mit-)Haftung des Entleihers als Bürge mit der Einfügung des § 393 Abs. 3 RVO ausdrücklich festgelegt. Für den Fall der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung, in dem gemäß Art. 1 § 10 Abs. 2 AÜG die Arbeitgeberpflicht zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge den Entleiher trifft, wurde auf die Einfügung einer den Verleiher betreffenden entsprechenden Vorschrift verzichtet. Daraus kann nur entnommen werden, daß eine derartige Haftung nicht begründet werden sollte, sondern daß der Gesetzgeber – wie es dem Normalfall eines Arbeits- und Versicherungsverhältnisses entspricht – nur einen für die Einbehaltung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verpflichteten Arbeitgeber bestimmen wollte.

Unter den gegebenen Umständen trifft es zwar zu, daß nur der erlaubt, nicht aber der unerlaubt tätige Verleiher für die Versicherungsbeiträge haftet und für deren Nichtabführung bestraft werden kann. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß (nur) der unerlaubt Handelnde infolge der Unwirksamkeit seines mit dem Entleiher geschlossenen Vertrages gegen diesen keinen Anspruch hat, also unter anderem auch nicht die abzuführenden Beitragsteile von ihm verlangen kann. Andererseits ist in derartigen Fällen die Alleinhaftung des Entleihers deswegen nicht unbillig, weil er sich durch Wahrnehmung seiner Informationsmöglichkeiten absichern kann (Art. 1 §§ 11, 12 AÜG; vgl. hierzu § 317 a RVO i.d.F. Art. 3 § 1 Nr. 1 AÜG über die Meldepflicht des Entleihers sowie die Amtl. Begr. RegE. aaO S. 14) und nur bei einer Nachlässigkeit insoweit Nachteile erleiden kann.

II.

1. Der Schuldspruch wegen unerlaubter Überlassung nichtdeutscher Arbeitnehmer in Tateinheit mit Beihilfe zu einem Vergehen nach dem Ausländergesetz ist nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat, ohne eine Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG zu besitzen, sieben nichtdeutsche Arbeitnehmer, die keine Aufenthaltserlaubnis hatten, anderen Firmen zur Arbeitsleistung überlassen und ihnen dafür pro Mann und Stunde geleisteter Arbeit mindestens 8 DM bezahlt. Damit hat er die Voraussetzungen des Art. 1 § 15 AÜG und des § 47 AuslG in Verbindung mit § 27 StGB erfüllt.

2. Auch gegen den Strafausspruch bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat die unerlaubte Verleihtätigkeit als besonders schweren Fall im Sinne des Art. 1 § 15 Abs. 2 AÜG gewertet. Sie hat die Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit festgestellt. Mit den Ausführungen, der Angeklagte habe „der B-GmbH jahrelang durch Überlassen von Ausländern eine dauernde Einnahmequelle verschafft” (UA S. 30), hat das Gericht keinen zu langen Tatzeitraum angenommen (siehe UA S. 31 unten). Vielmehr hat es diesen Umstand in zulässiger Weise nur als Indiz dafür angeführt, daß auch sein Verhalten in der Zeit vom 3. Dezember 1976 bis 4. Mai 1977 – trotz der verhältnismäßig langen Pause vom 18. Dezember 1976 bis 24. April 1977 – die Verwirklichung eines Jahre zuvor gefaßten, auf dauernde Einnahmeerzielung gerichteten Gesamtvorsatzes war.

Im übrigen hat das Gericht das Vorliegen eines Regelfalles des Art. 1 § 15 Abs. 2 AÜG nicht nur auf Grund des Merkmals der Gewerbsmäßigkeit, sondern „unter Berücksichtigung der übrigen Tatumstände” bejaht (UA S. 29). Die Strafkammer hat auch die nur „bei der Zumessung der Einzelstrafen” näher erörterten Umstände (UA S. 30 bis 33) gemeint und bereits in die Erwägungen zur Auswahl des Strafrahmens einbezogen. Wenn sie den dort zuungunsten des Angeklagten angeführten Gesichtspunkten das überwiegende Gewicht beigemessen hat, ist dies nicht zu beanstanden.

III.

Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen eines Vergehens nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG nF hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

Nach dieser Vorschrift macht sich der Geschäftsführer einer GmbH strafbar, wenn er es unterläßt, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen.

Die Kammer nimmt zwar rechtsfehlerhaft an, daß bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der B-GmbH die Einkünfte der GmbH aus der illegalen Arbeitnehmerüberlassung unberücksichtigt zu bleiben hätten. Sie meint, es sei lediglich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, die sich aus einer gesetzmäßigen Geschäftsführung ergeben.

Damit wird jedoch übersehen, daß der Zweck der Vorschrift nicht darin besteht, die Beobachtung von Gesetz und Recht im Wirtschaftsleben zu sichern. Vielmehr soll das Interesse von Gesellschaftsgläubigern, Gesellschaftern oder dritten Personen an wirtschaftlich gesunden Gesellschaften geschützt werden (Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Vorbem. 2 b zum GmbH-Gesetz). Solange eine Gesellschaft ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommt, ist es unerheblich, aus welcher Quelle ihre Einnahmen stammen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1952 – 1 StR 158/51). Dies schließt allerdings nicht aus, bei der Prüfung der Frage, ob die Zahlungsfähigkeit auf Dauer gewährleistet ist, die Unsicherheit illegaler Einkünfte zu berücksichtigen.

Die weiteren Feststellungen des angefochtenen Urteils reichen jedoch aus, um die Zahlungsunfähigkeit der GmbH in dem von der Kammer angenommenen Zeitpunkt zu bejahen.

Zahlungsunfähigkeit nach § 64 Abs. 1 GmbHG, § 102 KO liegt vor, wenn ein Unternehmen mangels der erforderlichen Mittel dauernd außerstande ist, seine fälligen Geldschulden im wesentlichen zu berichtigen (RG JW 1934, 841; BGH KTS 57, 12; BGH bei Herlan GA 1958, 46; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG 6. Aufl. § 63 Rdn. 3, 4; Mentzel/Kuhn, KO 9. Aufl. § 102 Rdn. 2). Daß der Schuldner noch in der Lage ist, einzelne Gläubiger zu befriedigen, stellt seine Zahlungsunfähigkeit nicht in Frage, wenn er sich im übrigen außerstande sieht, seinen allgemein fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen (RGZ 50, 41; BGH, Urteil vom 25. September 1957 – 2 StR 313/57; Scholz/Karsten Schmidt aaO § 63 Rdn. 4).

Die festgestellte Entwicklung des Zahlungsverhaltens der GmbH läßt jedoch keinen anderen Schluß zu, als daß auch die erzielten Einnahmen aus der illegalen Arbeitnehmerüberlassung, soweit sie dem Geschäftsbetrieb der GmbH überhaupt zur Verfügung standen (vgl. UA S. 17), bei weitem nicht ausreichten, den laufenden Verbindlichkeiten der GmbH nachzukommen.

Die GmbH wurde bereits 1975 mit einer hohen Wechselforderung überzogen, die am 6. Juli 1977 auf DM 126.000 aufgelaufen war (UA S. 15). Diese Schuld konnte auch in der Folgezeit bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs der GmbH nicht beglichen werden. Ab 1976 war die GmbH einer Fülle von Vollstreckungsversuchen ausgesetzt, die selbst bei Beträgen unter DM 1.000 erfolglos blieben (UA S. 5). Bereits Ende Juli 1976 sah der Gerichtsvollzieher von einem Vollstreckungsversuch ab, weil er die GmbH für amtsbekannt pfandlos hielt (UA S. 5). Bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs der GmbH kam es noch zu 14 weiteren Vollstreckungsversuchen. Der Gerichtsvollzieher erschien in dieser Zeit elfmal, um den Angeklagten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verhaften (UA S. 6). Diese Umstände waren dem Angeklagten bekannt (UA S. 17, 15).

IV.

Im übrigen hat die Überprüfung des Urteils zu den Schuld- und Strafaussprüchen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

Jedoch muß die Entscheidung der Strafkammer, mit der sie eine Aussetzung der nunmehr rechtskräftigen Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr abgelehnt hat, aufgehoben werden, weil das Gericht die Ablehnung auch mit der vom Senat aufgehobenen Verurteilung wegen Beitragsvorenthaltung begründet hat (UA S. 36). Der Senat kann nicht mit Sicherheit beurteilen, ob das Gericht die Strafaussetzung schon allein auf Grund der anderen Erwägungen versagt hätte.

Soweit an Stelle der aufgehobenen Gesamtstrafe eine neue Gesamtstrafe zu bilden ist und die einzubeziehenden drei Geldstrafen aus den Erkenntnissen des Amtsgerichts Diez wieder zu einer Gesamtfreiheitsstrafe zusammengefaßt werden, empfiehlt sich eine ausdrückliche Erörterung, weshalb von der Möglichkeit des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB kein Gebrauch gemacht wird.

 

Fundstellen

BGHSt 31, 32-39 (LT1)

BGHSt, 32

BB 1982, 1671-1671 (LT1)

DB 1982, 2617-2619 (LT1)

HFR 1982, 481-482 (LT1)

NJW 1982, 1952

NJW 1982, 1952-1954 (LT1)

LM ArbeitnehmerüberlassungsG, Nr. 2 (LT1)

LM RVO § 529, Nr. 2 (L1)

DOK 1983, 255

NStZ 1982, 383-384 (LT1)

NStZ 1983, 368-369 (L1)

USK, 8298 (LT1)

wistra 1982, 189-191 (LT1)

AP AÜG § 10, Nr. 4

EzAÜG AÜG § 1, Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung Nr. 16

EzAÜG AFG, Nr. 15

EzAÜG, Nr. 111

MDR 1982, 686-687 (LT1)

StV 1982, 470

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