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Die Vorschrift basiert auf der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss des Bundestages). Damit werden Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung bei Verdacht auf eine Misshandlung, einen sexuellen Missbrauch, einen sexuellen Übergriff, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung Bestandteil des gesetzlichen Anspruchs auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V i. d. F. des Masernschutzgesetzes.

Nach § 27 besteht ein Versorgungsanspruch der Versicherten, die Opfer einer Vergewaltigung, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Misshandlung, einer sexuellen Nötigung oder einer Misshandlung sind. Sehr häufig von sexueller Gewalt betroffen sind Frauen, aber auch andere Gruppen wie alte Menschen oder Menschen mit Behinderung.

Der Versorgungsanspruch umfasst das ärztliche Gespräch, die körperliche Untersuchung – einschließlich der Feststellung von Verletzungen und Spuren, um Spät- und Langzeitfolgen zu begrenzen –, die ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, die Abklärung von Maßnahmen zum gesundheitlichen Schutz (Impfungen bei offenen Wunden etc.), die Dokumentation sowie ggf. einen Arztbrief zur notwendigen Weiterbehandlung. Darüber hinaus schließt der geltende Versorgungsanspruch die Versorgung mit den weiteren in § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 aufgeführten Leistungen ein.

Betroffene sind aber nach einer Vergewaltigung häufig orientierungslos, stehen unter Schock, sind traumatisiert und die wenigsten Betroffenen können direkt nach der Tat vernunftorientiert handeln. Die Entscheidung, den Täter anzuzeigen, überfordert die meisten Betroffenen, erst recht, wenn unmittelbar nach der Tat darüber entschieden werden muss und wenn es sich bei dem Täter um einen nahen Angehörigen handelt. Betroffene müssen sich daher soviel Zeit nehmen dürfen, wie sie für diesen Schritt benötigen. Deshalb ist die anonyme, vertrauliche Spurensicherung eine unabdingbare Maßnahme gegen sexualisierte Gewalt. Eine Spurensicherung ist für die Beweisführung in etwaigen späteren straf- oder zivilrechtlichen Verfahren unbedingt erforderlich.

Anlass für die Einführung der Vorschrift sind auch die Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention, die mit der Ratifizierung in Deutschland seit dem 1.2.2018 im Rang des Bundesrechts anzuwenden ist. Art. 25 dieser Konvention verpflichtet dazu, Opfern von Vergewaltigung und sexuellen Übergriffen medizinische und gerichtsmedizinische Untersuchungen, Traumahilfe und Beratungen anzubieten.

Vor der Einführung der Vorschrift gab es in Deutschland einzelne Modellprojekte, aber nicht flächendeckend Einrichtungen, in denen die vertrauliche bzw. anzeigenunabhängige Spurensicherung angeboten wurde. Die Situation war je nach Bundesland sehr verschieden. So gab es bis dahin z. B. in Sachsen 2 Gewaltopferambulanzen am Institut für Rechtsmedizin der Universität Leipzig in Chemnitz und Leipzig, in Bayern die Münchner Ambulanz für Gewaltopfer und Kinderschutzambulanz am Institut für Rechtsmedizin der Ludwigs-Maximilians-Universität München, während z. B. in Bremen der Klinikverbund Gesundheit Nord mit dem Verein "notruf" in 3 Klinikeinrichtungen das Angebot sicherstellte und das Netzwerk "ProBeweis" in Niedersachsen die vertrauliche Beweisführung in einer von 10 Partnerkliniken sowie die anschließende Lagerung an den Instituten für Rechtsmedizin der Hochschule Hannover ermöglichte.

Angebote, die eine Spurensicherung für die Opfer kostenlos vornehmen, bestehen nach der Gesetzesbegründung noch nicht in ausreichendem Umfang.

Zu den Bundesländern, welche die vertrauliche Spurensicherung bisher finanzierten, gehörten etwa Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen und Brandenburg. Eine Finanzierung erfolgte in den übrigen Ländern gelegentlich auch durch das lokale Engagement von Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt. Nur in Fällen, in denen eine vorausgehende bzw. gleichzeitige Strafanzeige bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden erfolgt, ist die Kostentragung durch die Polizei sichergestellt.

Von verschiedenen Seiten wurde daher immer wieder eine einheitliche Regelung zur Kostenübernahme der Leistungen der vertraulichen Spurensicherung bei Misshandlungen und sexualisierter Gewalt durch die Krankenkassen gefordert.

Der GKV-Spitzenverband hatte sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gegen die Vorschrift ausgesprochen, weil die vertrauliche Spurensuche eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Staates sei und nicht der Erhaltung, der Wiederherstellung oder Verbesserung der Gesundheit diene und damit auch keine Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung als Solidargemeinschaft gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 sei. Vielmehr liege die Verantwortung für eine Spurensicherung im Zusammenhang mit Straftaten bei der zuständigen Strafverfolgungsbehörde und gehöre damit zum Regelungsbereich der Länder, zumal nach der Begründung die weiteren Bestandteile der Spurensicherung, wie z. B. die Materialkosten, notwendige Fortbildungen sowie mögliche spätere Analy...

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