Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang eines Teilbetriebs. Getränkehandel

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 17.02.2000; Aktenzeichen 11 Sa 1170/99)

ArbG Essen (Urteil vom 16.02.1999; Aktenzeichen 2 Ca 3454/98)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. Februar 2000 – 11 Sa 1170/99 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen in Folge eines Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis besteht und der Kläger deshalb Vergütungsansprüche gegen die Beklagte hat.

Der Kläger war seit 1991 bei der Firma D., Brauerei- und Getränkevertretungen (fortan: Firma D.) als kaufmännischer Angestellter gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 5.750,00 DM beschäftigt.

Die Firma D. hatte mit den Betreibern von ca. 120 Gaststätten in mehreren Städten im Großraum Ruhrgebiet Getränkebelieferungsverträge abgeschlossen. Etwa 30 der belieferten Gaststätten standen im Eigentum der Firma D. bzw. der Firma D. KG, die restlichen belieferten Gaststätten hatte die Firma D. von den jeweiligen Eigentümern gepachtet und an verschiedene Gaststättenbetreiber unterverpachtet. Zudem gewährte die Firma D. einigen Gaststättenbetreibern Darlehen größeren Umfangs. Sie belieferte die Gaststätten mit Getränken durch eigene Fahrzeuge, die in einem eigenen Lager auf dem Betriebsgelände an der K. Straße beladen wurden. Dort befand sich auch die Buchhaltung und Personalverwaltung der Firma D.

Im November 1997 trat die Firma D. sämtliche ihr zustehenden Rechte und Forderungen aus den Getränkebezugsvereinbarungen und Miet-, Pacht- und Darlehensverträgen zur Darlehensabsicherung an die Volksbank Essen ab. Am 6. Juli 1998 trat die Volksbank Essen ihrerseits die ihr von der Firma D. sicherheitshalber abgetretenen Rechte an die Beklagte ab. Hierüber unterrichtete die Volksbank Essen unter dem 6. Juli 1998 die Geschäftspartner der Firma D. Mit Schreiben vom 31. Juli 1998 wies die Beklagte die früheren Kunden der Firma D. darauf hin, daß ihre Getränkebezugsverpflichtung durch die erfolgten Abtretungen nunmehr ihr gegenüber bestehe.

Der Kläger erbrachte bis zum 6. Juli 1998 seine Arbeitsleistung gegenüber der Firma D. Am 7. Juli 1998 beantragte die Geschäftsführerin der Beklagten beim Amtsgericht die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma D. Das Konkursverfahren wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Essen vom 24. Juli 1998 eröffnet. Mit Schreiben vom 24. Juli 1998 kündigte der Konkursverwalter das zwischen dem Kläger und der Firma D. bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 1998. Die Verwertung des Fuhrparks und der sonstigen Einrichtungen der Firma D. durch den Konkursverwalter ergab einen Erlös in Höhe von 300.000,00 DM.

Die Beklagte betreibt einen Getränkehandel und beliefert insbesondere Gaststätten mit Bier und nichtalkoholischen Getränken. Die benötigten Getränke kauft die Beklagte bei der Getränke S. GmbH und beauftragt diese mit der Auslieferung der Waren. Die Beklagte verfügt, anders als die Firma D., weder über ein Betriebsgelände, Lagerhallen, Fuhrpark oder sonstige nennenswerte sachliche Betriebsmittel. Die Geschäftsführerin der Beklagten betreibt das Unternehmen von ihrer Privatwohnung aus.

Mit seiner am 18. September 1998 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß mit der Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestehe und hat Vergütungsansprüche für die Monate Juli, August und September 1998 geltend gemacht. Er hat vorgetragen, daß die Beklagte den Kernbereich des Geschäfts der Firma D. und damit die wesentlichen Bestandteile des Betriebs und das wesentliche Vermögen der Firma D. gegen einen Kaufpreis von 15 Mio. DM übernommen habe. Der Kernbereich habe aus dem Verkauf, der Belieferung von Kunden, der Übernahme des qualifizierten Personals, der Verwaltung, der Buchhaltung, dem Außendienst, dem know-how der Firma D., den Fach- und Branchenkenntnissen ihres ehemaligen Personals, dem good-will des Unternehmens, dem Bekanntheitsgrad und der Markteinführung, bestanden. Die Verkaufsorganisation oder das Warenangebot hätten sich nicht wesentlich verändert und die nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten seien qualitativ und quantitativ identisch. Mit der Betriebsübernahme seien eine Vielzahl von Getränkebelieferungs-, Pacht- und Darlehensverträgen auf die Beklagte übergegangen. In den Fällen, in denen einzelne der ca. 100 Gastronomen ihren Abnahmeverpflichtungen nicht nachgekommen seien, habe die Beklagte das jeweilige Pachtverhältnis fristlos gekündigt. Die Beklagte habe von der Firma D. die Kunden- und Lieferlisten mit sämtlichen Gastronomen, sonstigen Kunden, Pächtern und Darlehensnehmern erhalten und übernommen. Des weiteren sei die Beklagte in den Besitz sämtlicher Preislisten, Kalkulationsgrundlagen, Listen über Lieferanten und Getränkebezugsquellen gelangt. Zur Bearbeitung der Vertragsangelegenheiten, insbesondere der Bier- und Getränkelieferungsverträge und deren Abwicklung würde die Beklagte dieselbe Software wie vormals die Firma D. verwenden. Die Getränkelieferungen seien nach dem Betriebsübergang unverändert erfolgt. Der einzige Unterschied habe darin bestanden, daß die Lieferungen nunmehr durch die Beklagte im Zusammenwirken mit der Getränke S. GmbH durchgeführt worden seien.

Der Kläger hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, beantragt,

  1. festzustellen, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis zu den zwischen dem Kläger und der Firma D., Brauerei- und Getränkevertretungen vereinbarten Bedingungen bestehe;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.250,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 30. September 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, sie habe lediglich einige von der Firma D. an die Volksbank Essen abgetretene Rechte erworben. Es seien auch nicht sämtliche Kunden der Firma D. übergegangen. Sie habe keinen Betriebsübergang herbeiführen wollen und habe auch den Wirten in dem Schreiben vom 31. Juli 1998 keinen Betriebsübergang erklärt. Die Gaststättenbetreiber seien lediglich davon in Kenntnis gesetzt worden, daß die sie betreffende Getränkebezugsverpflichtung nunmehr gegenüber der Beklagten zu erfüllen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Eine Übernahme des Gesamtbetriebs der Firma D. durch die Beklagte scheide aus. Es fehle an der Ähnlichkeit der vor und nach dem vom Kläger behaupteten Betriebsübergang verrichteten (Gesamt-)Tätigkeiten. Die Firma D. habe auf der Grundlage verschiedener Vertragskonstellationen Gaststättenbetriebe, Getränkehändler, Großhändler, Märkte, Firmen sowie Endkunden mit im Handel erhältlichen Getränkemarken beliefert. Zur Getränkeauslieferung habe die Firma D. eigene Fahrzeuge benutzt, die durch von ihr beschäftigte Arbeitnehmer gefahren wurden. Die Beklagte liefere demgegenüber selbst keine Getränke aus und betreibe keinen eigenen Fuhrpark.

Auch ein Betriebsteilübergang scheide aus. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt werde, daß der Verkauf und Vertrieb von Getränken sowie die dazugehörige Verwaltung und Abwicklung, bestehend aus etwa zehn Mitarbeitern, bereits bei der Firma D. die Qualität eines Betriebsteils gehabt habe, bestehe jedenfalls diese wirtschaftliche Einheit bei der Beklagten nicht mehr.

II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Es liegt kein Teilbetriebsübergang vor.

1. Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf allerdings nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus den anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluß an EuGH 11. März 1997 – Rs C-13/95 – EuGHE I 1997, 1259 [Ayse Süzen]; vgl. nur Senat 22. Mai 1997 – 8 AZR 101/96BAGE 86, 20, 28, zu B II 2 b bb der Gründe).

In Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar (Senat 11. Dezember 1997 – 8 AZR 426/94BAGE 87, 296, 299, zu B I der Gründe).

Der Übergang eines Betriebsteils steht für dessen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gleich. Auch bei dem Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, daß die wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt. Betriebsteile sind Teileinheiten (Teilorganisationen) des Betriebes. Es muß sich um eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit handeln, die innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks einen Teilzweck erfüllt. Das Merkmal des Teilzwecks dient dabei zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit. Im Teilbetrieb müssen nicht andersartige Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden (Senat 26. August 1999 – 8 AZR 718/98 – AP BGB § 613 a Nr. 196 = EzA BGB § 613 a Nr. 185, zu B II 1 der Gründe).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann im Streitfall weder ein Betriebs- noch ein Betriebsteilübergang angenommen werden.

a) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß eine Übernahme des Gesamtbetriebs der Firma D. durch die Beklagte schon deshalb ausscheidet, weil die Beklagte allenfalls eine teilidentische Betriebstätigkeit weiterführt. Den Bereich der Lagerhaltung und Auslieferung der Getränke betreibt die Beklagte – im Gegensatz zur Firma D. – unstreitig nicht. Die Beklagte unterhält infolgedessen auch keinen eigenen Fuhrpark und beschäftigt keine eigenen Fahrer. Der Großteil der bei der Firma D. beschäftigten Arbeitnehmer (30 von 40 Arbeitnehmern, also¾) war in diesem Bereich der Logistik bzw. Getränkeauslieferung tätig. Da diese Tätigkeiten von der Beklagten unstreitig nicht fortgeführt werden, kann von einer Identität der gesamten wirtschaftlichen Einheit bei der Beklagten gegenüber der Firma D. nicht ausgegangen werden.

Damit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und inwieweit die Beklagte in die Getränkelieferungsverträge, Pachtverträge oder sonstige Geschäftsbeziehungen der Firma D. eingetreten ist, weil insoweit nur eine teilweise Funktionsnachfolge vorliegt, die für sich allein keinen Betriebsübergang begründet.

b) Entgegen der Auffassung der Revision kann auch kein Übergang einer betrieblichen Teilorganisation auf die Beklagte angenommen werden.

Den gesamten Verwaltungsbereich der Firma D. hat die Beklagte schon deshalb nicht übernommen, weil sie nicht wie die Firma D. Lager und Getränkeauslieferung betreibt, somit diese beiden Bereiche bei der Beklagten nicht wie bei der Firma D. verwaltet werden. Der Kläger hat nicht dargelegt, daß der übrig gebliebene Teil der Verwaltung bei der Firma D. bereits ein selbständig abgrenzbarer Betriebsteil gewesen ist, der auf die Beklagte übertragen werden konnte. Auch hat der Kläger nicht vorgetragen, daß er bei der Firma D. gerade in diesem abgrenzbaren Teil der Restverwaltung beschäftigt war, somit nichts mit der Verwaltung des Lagers und der Getränkeauslieferung zu tun hatte.

Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe gegen seine prozessuale Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO in Verbindung mit §§ 284 ff. ZPO verstoßen, hat die Revision nicht dargelegt, welche Fragen hätten gestellt werden müssen und was die Partei darauf vorgetragen hätte (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. nur BAG 23. Februar 1962 – 1 AZR 49/61 – AP ZPO § 322 Nr. 8, zu I der Gründe).

Damit ist davon auszugehen, daß es bei der Firma D. lediglich einen einheitlichen Betriebsteil Verwaltung gab, der sich auf den Getränkehandel, das Lager und die Getränkeauslieferung bezog. Die Beklagte, die lediglich den wesentlichen Teil des Getränkehandels der Firma D. ohne Lager und Getränkeauslieferung übernahm, mußte ihre Verwaltung in kleinerem Maßstab ganz anders organisieren. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte die Firma D. eine Verwaltung mit zehn Arbeitnehmern, während die Geschäftsführerin der Beklagten das Unternehmen „von ihrer Privatwohnung” betreibt.

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Etzel, Dr. Wittek, Mikosch, Mache, Umfug

 

Fundstellen

Dokument-Index HI749382

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