Beteiligte

Klägerin und Revisionsbeklagte

Beklagter und Revisionskläger

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, die Vorschrift des § 31 Abs. 2 Satz 3 der im Jahre 1989 neu gefaßten Satzung der Klägerin zu genehmigen.

Nach Verabschiedung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, 2477) beschloß der Vorstand der Klägerin am 22. Dezember 1988 im Hinblick auf die gesetzliche Neuregelung für die Beitragsbemessung ab 1. Januar 1989 die Voraussetzungen, unter denen freiwillige Mitglieder mit höheren Beiträgen zu belasten seien. Entsprechend diesem Vorstandsbeschluß nahm die Klägerin ab Januar 1989 die Beitragserhebung vor. Am 28. Juni 1989 beschloß die Vertreterversammlung der Klägerin sodann eine Änderung der Satzung. Dabei wurden für die Bemessung der Beiträge der freiwilligen Mitglieder in § 17 Abs. 2 Buchstaben c bis e Grundsätze festgelegt, nach denen die beitragspflichtigen Einnahmen von selbständig Tätigen, von Ehegatten, deren Lebensunterhalt ganz oder überwiegend von Einnahmen des nicht getrenntlebenden Ehegatten bestritten wird, sowie von Empfängern von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz zu bestimmen sind. § 31 Abs. 2 Satz 3 der Satzung sieht vor, daß diese Regelung rückwirkend zum 1. Januar 1989 in Kraft tritt, spätestens jedoch mit dem ersten des auf die Bekanntmachung der Satzung folgenden Monats.

Mit Bescheid vom 4. Juli 1989 versagte der Beklagte § 31 Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz der neugefaßten Kassensatzung die Genehmigung mit der Begründung, eine rückwirkende Inkraftsetzung sei wegen des Grundsatzes der Besitzstandswahrung in Fällen von Schlechterstellung nicht möglich. Zwar sei es zulässig, - abweichend von § 240 Abs. 4 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) - einen höheren Mindestbeitrag der Beitragsbemessung durch Satzung festzulegen. Darin liege aber eine Schlechterstellung, so daß diese nur für die Zukunft Wirkung entfalten könne.

Die hiergegen erhobene Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Mainz vom 31. Januar 1991). Das Landessozialgericht (LSG) hat die erstinstanzliche Entscheidung und den Bescheid vom 4. Juli 1989 aufgehoben und das beklagte Land verurteilt, die Regelung des § 31 Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz der Satzung der Klägerin zu genehmigen. In den Entscheidungsgründen wird u.a. ausgeführt: Die streitige Satzungsregelung führe zwar zu einer echten Rückwirkung: Die betroffenen Versicherten würden für einen bereits abgelaufenen Zeitraum mit höheren monatlichen Beiträgen belastet. Beitragsforderungen entständen mit jedem Monat neu. Folglich wirke die Satzungsvorschrift des § 31 Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz auf in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Sachverhalte ein. Regelungen mit echter Rückwirkung seien aber nicht ausnahmslos unzulässig. In eine abschließend erworbene Rechtsposition könne nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit eingegriffen werden, wenn der Bürger nicht auf den Bestand der erworbenen Rechtsposition vertraut habe oder sein Vertrauen nicht schutzwürdig sei. Bedenken gegen solche Eingriffe seien nur berechtigt, wenn der Betroffene mit ihnen nicht habe rechnen können und er sie bei verständiger Vorausschau bei seinen privaten und beruflichen Dispositionen nicht habe berücksichtigen müssen. Nach diesen Kriterien sei die rückwirkende Satzungsregelung der Klägerin nicht zu beanstanden. Auf einen Vertrauensschutz könnten sich diese Mitglieder nicht berufen. Sie hätten nach der Verabschiedung des GRG und mit dem Inkrafttreten des § 240 SGB V ab 1. Januar 1989 damit rechnen müssen, daß höhere Beitragsforderungen auf sie zukämen. Es sei aus den Medien hinreichend bekannt gewesen, daß das GRG in erster Linie der Sanierung und damit der Erhaltung der finanziell stark angeschlagenen sozialen Krankenversicherung habe dienen sollen. Dazu habe für den Kreis der freiwilligen Versicherten § 240 SGB V die Grundlagen geschaffen und die Einzelregelungen dem Satzungsrecht und somit der Selbstverwaltung der Krankenkassen zugewiesen. Damit habe auch festgestanden, daß die Krankenkassen noch entsprechende Satzungsregelungen erlassen würden. Ob die Klägerin bzw. ihre Vertreterversammlung wirklich noch zeitlich in der Lage gewesen wäre, rechtzeitig zum 1. Januar 1989 die neue Satzung zu beschließen, sei unerheblich. Bei Berücksichtigung aller Umstände - der gesetzlichen Neuregelung, der Verlautbarung in den Medien, des Vorstandsbeschlusses der Klägerin und der diesem Vorstandsbeschluß entsprechenden Erhebung der höheren Beiträge ab Januar 1989 - habe keine Grundlage dafür bestanden, daß die freiwilligen Mitglieder darauf hätten vertrauen können, daß es bei der bisherigen Beitragsregelung bleibe.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des in Art 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerten Rechtsstaatsprinzips und macht im wesentlichen geltend: Entgegen der Auffassung des LSG liege hier kein Ausnahmefall vor, der es gestatten würde, trotz echter Rückwirkung die Satzungsregelung zu genehmigen. Vielmehr hätten auch in diesem Falle die Versicherten, solange keine Satzungsregelung geschaffen sei, darauf vertrauen dürfen, daß es nicht rückwirkend zu einer Beitragserhöhung komme. Das Berufungsgericht verkenne, daß das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung hierzu das Vertrauen der Betroffenen nicht erschüttern könnten. Denn gerade die in der Diskussion vertretenen unterschiedlichen Standpunkte führten zu einer Rechtsunsicherheit, aufgrund derer kein Beitragszahler in der Lage sei, abzuschätzen, was die neue Rechtslage tatsächlich bringen werde. Auch die Verabschiedung des GRG am 20. Dezember 1988 und ihr Inkrafttreten am 1. Januar 1989 habe das Vertrauen der Versicherten nicht zerstört. Gemäß § 240 SGB V sei bei der Beitragsfestsetzung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, mindestens jedoch die Einnahmen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen seien. Als unterste Grenze sehe § 240 Abs. 4 SGB V mindestens den 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße vor. Eine Regelung, die - wie die Satzung der Klägerin - dazu führe, daß bei freiwilligen Mitgliedern eine Bemessungsgrundlage eingeführt werde, die über dem tatsächlich feststellbaren Einkommen liege, sei nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur im Wege der Satzungsbestimmung möglich. Mit der Verabschiedung des GRG sei somit noch keineswegs geregelt gewesen, ob und in welcher Weise die einzelne Krankenkasse die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder vornehmen werde.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. August 1991 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 31. Januar 1991 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hebt hervor: Aufgrund der vom Gesetzgeber geschaffenen Verhältnisse sei sie nicht in der Lage gewesen, rechtzeitig eine entsprechende Satzungsregelung für die freiwilligen Versicherten zu schaffen. Deshalb habe man von der Möglichkeit einer rückwirkenden Regelung Gebrauch gemacht. Diese sei - auch wenn es sich um einen Fall der echten Rückwirkung handele - in einer solchen Situation ausnahmsweise zulässig.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision hat Erfolg. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die Vorschrift des § 31 Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz der im Jahre 1989 neu gefaßten Satzung der Klägerin zu genehmigen.

Nach § 195 Abs. 1 Satz 1 SGB V bedarf die Satzung einer Krankenkasse der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (vgl. dazu auch § 34 Abs. 1 Satz 2 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs ≪SGB IV≫). Dies gilt auch für Satzungsänderungen. Die Aufsichtsbehörde hat dabei keinen Ermessensspielraum, sondern darf lediglich eine Rechtsprüfung vornehmen (vgl. Peters in KassKomm § 195 SGB V RdNr 4). Da die streitige Satzungsänderung nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist, besteht kein Anspruch auf die begehrte Genehmigung. Die Neufassung der Kassensatzung sieht in § 31 Abs. 2 Satz 3 das rückwirkende Inkrafttreten der Regelung des § 17 Abs. 2 Buchstaben c bis e vor. Dies verstößt - entgegen der Auffassung des LSG - gegen das Verbot der echten Rückwirkung belastender Normen.

Ein Fall der echten Rückwirkung einer Rechtsvorschrift ist gegeben, wenn die Gesetzesbestimmung oder die Satzungsvorschrift nachträglich in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 11, 139, 145 f; 13, 261, 270 f; 14, 288, 297; 25, 371, 404). Grundsätzlich soll sich der Bürger darauf verlassen können, daß der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände nicht ungünstigere Folgen knüpft, als sie im Zeitpunkt der Vollendung dieser Tatbestände voraussehbar waren (BVerfGE 15, 313, 324; 25, 371, 404; vgl. auch Pieroth, JZ 1984, 971, 976). Als die Vertreterversammlung der Klägerin am 28. Juni 1989 beschloß, die in § 17 Abs. 2 Buchstaben c bis e der Satzung enthaltenen Regelungen für die Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen bei den in der Satzungsvorschrift genannten freiwilligen Mitgliedern rückwirkend zum 1. Januar 1989 in Kraft zu setzen, war der Beitragsanspruch schon für die Monate Januar bis Mai in der Mindesthöhe fällig geworden, wie sie sich bei Anwendung der Vorschrift des § 240 Abs. 4 SGB V ergibt. Denn die Krankenkassenbeiträge der freiwilligen Mitglieder werden monatlich erhoben und sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in Verbindung mit § 19 Abs. 1 der Satzung der Klägerin am 15. des Monats fällig, der dem jeweiligen Beitragsmonat folgt. Dadurch, daß die Satzung in § 17 Abs. 2 Buchstaben c bis e eine von § 240 Abs. 4 SGB V abweichende Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen vorsieht, müßten die von dieser Regelung erfaßten freiwilligen Mitglieder - wegen der Anordnung der Rückwirkung in § 31 Abs. 2 Satz 3 -auch für die Monate Januar bis Mai höhere Beiträge leisten. Die Satzung greift damit in einen abgeschlossenen Tatbestand ein. Denn sobald der Beitragsanspruch für einen Monat fällig geworden ist, handelt es sich i.S. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) um einen abgeschlossenen Tatbestand, ohne Rücksicht darauf, wann die Zahlung der Beiträge erfolgt.

Grundsätzlich ist eine verschlechternde Rückwirkung - wie sie die genannten Bestimmungen der Satzung der Klägerin vorsehen -unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit (Art 20 Abs. 3 GG), zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit gehört, die ihrerseits für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet (BVerfGE 18, 429, 439; 24, 75, 98). Demgemäß hat das BVerfG ausgesprochen, daß belastende Gesetze mit echter Rückwirkung grundsätzlich nichtig sind (BVerfGE 25, 371, 403 mwN; 30, 372, 285; 54, 223, 230). Von dem Verbot der echten Rückwirkung läßt das BVerfG jedoch mehrere Ausnahmen zu (vgl. dazu insbesondere BVerfGE 18, 429, 439; 54, 223, 230; Bauer, JuS 1984, 241, 243). Eine dieser Ausnahmen ergibt sich aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes selbst: Auch ein gesetzlicher Eingriff mit echter Rückwirkung ist dann zulässig, wenn das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig ist (BVerfGE 13, 261, 271 f; 18, 429, 439). Ob dieser eine Rückwirkung rechtfertigende Grund vorliegt, läßt sich nur unter Würdigung aller Umstände der konkreten Regelung beurteilen. Hierbei kann - wie das BVerfG in seinem Beschluß vom 20. Oktober 1971 -1 BvR 757/66- (BVerfGE 32, 111, 123) ausgeführt hat - die Art und Bedeutung der durch den Eingriff betroffenen Rechtsposition eine Rolle spielen, insbesondere, ob der Eingriff in der Auferlegung einer Verpflichtung oder der Entziehung eines Anspruchs gegen den Staat besteht. Jedoch kommt es für die Frage, ob der Bürger mit einer Änderung der Rechtslage rechnen mußte, nicht auf die subjektiven Vorstellungen der einzelnen Betroffenen und ihre individuelle Situation an, sondern darauf, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen.

Die in der Kassensatzung der Klägerin vorgesehene rückwirkende Erhöhung der Beiträge für die freiwilligen Mitglieder widerspricht diesen Grundsätzen. Die Voraussetzungen einer Ausnahme vom Verbot der echten Rückwirkung liegen nicht vor. Die betroffenen Kassenmitglieder sind schutzwürdig.

Die strittige Rückwirkung des § 17 der Kassensatzung betrifft nur die Erhöhung der Beiträge für die freiwilligen Mitglieder über den Mindestbeitrag des § 240 Abs. 4 SGB V hinaus. Zwar wird nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Hinsichtlich der Untergrenze des Abs. 4 enthält das Gesetz aber selbst eine eigene, eindeutig formulierte Fiktion. Damit ist Abs. 4 - wie der 12. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 7. November 1991 ≪12 RK 37/90≫ angenommen hat - an die Stelle der Mindestgrundlohnregelung des früheren Rechts getreten (§ 180 Abs. 4 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung). Auch die neue Vorschrift über den Mindestbeitrag gilt wie die alte Norm unmittelbar und es bedarf insoweit keiner Regelung durch die Satzung (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 7. November 1991 - 12 RK 18/91 -zur Veröffentlichung bestimmt). Dagegen ist eine darüber hinausgehende Erhöhung der Beiträge für die freiwilligen Mitglieder nur möglich, wenn die Vertreterversammlung der Krankenkasse eine entsprechene Satzungsnorm beschließt (vgl. § 240 Abs. 1 Satz 1 und § 197 Nr. 1 SGB V sowie § 33 Abs. 1 SGB IV). Der Vorstandsbeschluß der Klägerin vom 22. Dezember 1988 konnte daher keine ausreichende Rechtsgrundlage für den Einzug der den Mindestbeitrag (§ 240 Abs. 4 SGB V) überschreitenden Beiträge darstellen.

Der Senat kann offenlassen, ob dieser Vorstandsbeschluß allen betroffenen Mitgliedern noch vor der Fälligkeit der Beiträge für den Monat Januar 1989 bekanntgegeben worden ist. Selbst wenn dies geschehen sein sollte, durften die freiwilligen Mitglieder darauf vertrauen, daß es - jedenfalls zunächst - bei dem Mindestbeitrag blieb. Denn die Entscheidungen eines für die Festlegung der Beitragsnormen nicht zuständigen Gremiums vermag das Vertrauen in den Fortbestand des bisherigen Rechts - hier: des am 1. Januar 1989 in kraft getretenen § 240 Abs. 4 SGB V - nicht zu erschüttern. Nur wenn das allein für Satzungsänderungen berufene Organ der Krankenkasse bereits seinen Willen durch entsprechende Beschlüsse kundgetan hat, muß das Mitglied mit einer Erhöhung der Beiträge rechnen. Für die Ausnahme vom Verbot der echten Rückwirkung einer belastenden Norm genügt es daher weder, daß das GRG den Krankenkassen ab 1. Januar 1989 die Möglichkeit der Erhöhung der Beiträge für die freiwilligen Mitglieder einräumte, noch daß die Klägerin aufgrund eines Vorstandsbeschlusses bereits über dem Mindestbeitrag (§ 240 Abs. 4 SGB V) liegende Beiträge in dem für die Rückwirkung in Betracht kommenden Zeitraum eingezogen hat. Diese Umstände waren zwar Anhaltspunkte dafür, daß es zu einer entsprechenden Satzungsänderung kommen könnte. Wenn aber - wie hier - in der Zeit, für die die Rückwirkung angeordnet wird, eine Entscheidung der Vertreterversammlung noch nicht ergangen ist, darf ihnen kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Ob für eine kurze Übergangszeit etwas anderes zu gelten hat, wenn die Vertreterversammlung nach einer Rechtsänderung über die dadurch notwendig gewordene Satzungsregelung nicht rechtzeitig beschließen konnte, läßt der Senat offen. Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Klägerin hatte bis zum 15. Februar 1989, dem Tag, an dem die Beiträge für den Monat Januar 1989 fällig wurden, die Möglichkeit, die Satzung dem neuen Recht anzupassen. Dafür, daß diese Zeit nicht ausgereicht hätte, sind keine Anhaltspunkte gegeben.

Die Kägerin kann ihre Rechtsauffassung auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur rückwirkenden Ersetzung einer ungültigen Beitrags- oder Erschließungsbeitragssatzung stützen (BVerwG, VerwRspr 29, 968, 971 f; BVerwG, Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 26; BVerwG, DVBl 1970, 835; BVerwG, DÖV 1980, 341 mzN und DÖV 1976, 855 sowie BVerwG, DVBl 1989, 678, 679). Zwar ist in den vom BVerwG entschiedenen Fällen angenommen worden, daß der Bürger mit der (höheren) Beitragserhebung rechnen muß, wenn das Gesetz diese Möglichkeit vorsieht und die ungültige Satzung den Willen zur Beitragserhebung bereits zeigt. Anders als im Falle der Klägerin hatte aber in den der Rechtsprechung des BVerwG zugrundeliegenden Fällen das zuständige Organ - also der Satzungsgeber selbst - bereits über die Beitragserhebung einen - wenn auch zunächst unwirksamen -Beschluß gefaßt.

Nach alledem ist die Rückwirkungsvorschrift in der Satzung der Klägerin nicht genehmigungsfähig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518168

BSGE, 149

NZA 1992, 669

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