Leitsatz
1. Der Eigentumsverlust aufgrund einer Zwangsversteigerung ist als Veräußerungsvorgang im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes zu werten.
2. Wird ein zur Insolvenzmasse gehörendes und mit einem Absonderungsrecht belastetes Grundstück nach Insolvenzeröffnung auf Betreiben eines Grundpfandgläubigers ohne Zutun des Insolvenzverwalters versteigert und durch die Zwangsversteigerung ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn ausgelöst, ist die auf den Gewinn entfallende Einkommensteuer eine "in anderer Weise" durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung. Dies gilt auch dann, wenn das Grundstück bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwangsvollstreckungsrechtlich beschlagnahmt war.
Normenkette
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 49, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 InsO
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und die Einordnung der daraus folgenden ESt als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Der Insolvenzschuldner war seit November 2012 Eigentümer einer Eigentumswohnung. Aufgrund von Steuerrückständen beantragte das FA aus einer auf diesem Grundstück eingetragenen Zwangshypothek die Zwangsversteigerung beim zuständigen AG. Der Antrag auf Zwangsversteigerung wurde im Dezember 2018 vom AG positiv beschieden. Über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde im Mai 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Zuschlagsbeschluss des AG im November 2020 wurde die Eigentumswohnung aufgrund eines Bargebots i.H.v. … EUR veräußert. Die Höhe des Veräußerungsgewinns ist unstreitig.
Das FA behandelte die auf den Veräußerungsgewinn entfallende ESt als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Daher erließ es einen an den Kläger gerichteten ESt-Bescheid für 2020. In diesem erfasste es den Veräußerungsgewinn als sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage Erfolg. Das FG urteilte, das FA habe zu Unrecht die ESt, soweit sie aus der Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden Eigentumswohnung resultiere, als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfasst und dementsprechend auch rechtswidrig eine auf den Veräußerungsgewinn entfallende ESt festgesetzt (FG Münster, Urteil vom 25.1.2024, 10 K 1934/21 E, Haufe-Index 16209966, EFG 2024, 1032).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG lägen hinsichtlich des zwangsversteigerten Objekts vor und das FG habe rechtsfehlerhaft nicht erkannt, dass der Kläger als Insolvenzverwalter nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 InsO die auf das private Veräußerungsgeschäft entfallende ESt schulde.
Hinweis
Im Streitfall ging es zum einen darum, ob eine Zwangsversteigerung ein Veräußerungsgeschäft darstellt und zum anderen um die Frage, ob sich der ESt-Bescheid an den Insolvenzverwalter richten muss, weil eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 InsO vorliegt.
1. Die Besonderheit lag darin, dass durch einen Gläubiger die Zwangsversteigerung in ein Grundstück betrieben worden und der Zuschlag erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners erteilt worden war. Die Beschlagnahme des Grundstücks erfolgte also zeitlich vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Unter der Geltung der Konkursordnung (KO) hatte der BFH im Jahr 1978 entschieden, dass für den Fall, dass die Zwangsversteigerung durch den absonderungsberechtigen Gläubiger bereits vor der Eröffnung des Konkursverfahrens eingeleitet und das Grundstück schon beschlagnahmt worden war, die ESt, die auf den später während des Konkursverfahrens entstandenen Veräußerungsgewinn anfällt, nicht zu den Masseverbindlichkeiten gehört (BFH, Urteil vom 14.2.1978, VIII R 28/73, BStBl II 1978, 356, Haufe-Index 72739).
2. Das FG hatte die Frage offengelassen, ob es sich überhaupt um ein Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG handelt. Der dafür erforderliche entgeltliche Erwerb (Anschaffung) und die entgeltliche Übertragung (Veräußerung) des Wirtschaftsguts auf eine andere Person müssen wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen und mithin Ausdruck einer "wirtschaftlichen Betätigung" sein. An einem solchen Willen fehlt es im Fall der Enteignung oder Umlegung, jedoch nicht in den Fällen der Zwangsversteigerung. Denn für die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts kommt es nicht darauf an, aus welchem Beweggrund die Veräußerung erfolgt.
Gegen eine Gleichstellung von Enteignung und Zwangsversteigerung spricht auch, dass der Grundstückseigentümer und Vollstreckungsschuldner den Eigentumsverlust durch Befriedigung des die Zwangsverste...