Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsgeld. zum Begriff des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (redaktionell)
Ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrlGG liegt auch dann vor, wenn es weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit umfaßt.
Orientierungssatz
Im Hinblick auf die sozialpolitische Zielsetzung der Urlaubsgeldgewährung und die Bedarfssituation macht es keinen Unterschied, ob der Beamte vor seiner Einstellung 20 Stunden je Woche oder weniger im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn tätig gewesen ist.
Normenkette
UrlGG § 4; BBesG § 29 Abs. 1; SZG § 3 Abs. 2 Nr. 2; UrlGG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 27.08.1986; Aktenzeichen 6 A 2789/84) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 01.02.1984; Aktenzeichen 2 K 5351/82) |
Tatbestand
Der Kläger war in der Zeit vom 3. November 1980 bis zum 31. Oktober 1981 aufgrund eines Dienstvertrages vom 15. Dezember 1980, der mit Vertrag vom 8. April 1981 verlängert worden war, mit einer Arbeitszeit von wöchentlich 9,5 Stunden als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität B. tätig. Mit Wirkung vom 1. November 1981 wurde er vom Beklagten unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in den juristischen Vorbereitungsdienst aufgenommen. Der Antrag des Klägers, ihm für das Jahr 1982 ein Urlaubsgeld in Höhe von 200 DM zu bewilligen, wurde abgelehnt mit der Begründung, der Kläger habe nicht seit dem ersten allgemeinen Arbeitstag des Monats Juli des Vorjahres in einem Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit gestanden. Nach erfolglosem Vorverfahren hat das Verwaltungsgericht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide den Beklagten verpflichtet, dem Kläger für das Kalenderjahr 1982 ein Urlaubsgeld in Höhe von 200 DM zu zahlen. Die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland- Pfalz vom 23. Mai 1984 - 2 A 100/83 - (DÖD 1985, 140) mit der Begründung zurückgewiesen, der Wortlaut des § 2 Satz 1 Nr. 2 des Urlaubsgeldgesetzes lasse eine einschränkende Auslegung dahingehend, daß ein Dienstverhältnis im Sinne dieser Vorschrift nur vorliege, wenn es mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit umfasse, nicht zu.
Der Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt und beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 27. August 1986 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf
vom 1. Februar 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Er rügt die Verletzung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Urlaubsgeldgesetzes.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 141, 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 1982 zusteht. Dieser Anspruch folgt aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Gewährung eines jährlichen Urlaubsgeldes (Urlaubsgeldgesetz - UrlGG -) vom 15. November 1977 (BGBl. I S. 2120).
Nach § 1 Abs. 1 UrlGG gehören zum Kreis derjenigen, denen Urlaubsgeld zu gewähren ist, unter anderem Beamte der Länder und damit auch der Kläger als Beamter auf Widerruf (Rechtsreferendar). Er erfüllt auch die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrlGG, da er am ersten allgemeinen Arbeitstag des Monats Juli 1982 in einem der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UrlGG bezeichneten Rechtsverhältnisse stand. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrlGG ist schließlich noch erforderlich, daß der Berechtigte seit dem ersten allgemeinen Arbeitstag des Monats Juli des Vorjahres (1981) ununterbrochen bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (§ 29 Abs. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes) in einem Dienst-, Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis steht oder gestanden hat. Auch dieses Tatbestandsmerkmal ist hier gegeben.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger in der Zeit vom 3. November 1980 bis zum 31. Oktober 1981 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 9,5 Stunden als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität in B. aufgrund eines Dienstvertrages tätig. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die überzeugenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland- Pfalz im Urteil vom 23. Mai 1984 - 2 A 100/83 - (DÖD 1985, 140) zu Recht entschieden, daß die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrlGG auch dann erfüllt sind, wenn das Dienstverhältnis weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit umfaßt. Die hiergegen von der Revision vorgetragenen rechtlichen Bedenken greifen nicht durch.
Was unter den Begriffen "Dienst- oder Arbeitsverhältnis" in § 2 Ab. 1 Nr. 2 UrlGG zu verstehen ist, richtet sich mangels eigenständiger Regelung im Urlaubsgeldgesetz oder in sonstigen gesetzlichen Regelungen, die für die Gewährung von Urlaubsgeld einschlägig wären, nach den rechtlichen Inhalten dieser Begriffe im bürgerlichen Recht bzw. im Arbeitsrecht (zur Auslegung aus anderen Rechtsgebieten übernommener Rechtsbegriffe vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 24. September 1987 - BVerwG 2 C 52.86 - ≪Buchholz 239.1 § 55 Nr. 6 = NVwZ 1988, 367≫). Danach liegt ein Arbeitsverhältnis vor, wenn das Dienstverhältnis durch das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit des Dienstleistenden, insbesondere seine Gebundenheit an Weisungen des Dienstherrn, geprägt ist. Merkmal eines Arbeitsverhältnisses ist es jedoch nicht, daß der Umfang der dem Verpflichteten obliegenden Dienstleistung nicht geringer ist als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit. Die vertragliche oder tarifvertragliche Festlegung eines bestimmten zeitlichen Umfangs der Arbeitspflicht ist Element der konkreten Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, nicht Voraussetzung seiner Existenz (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Mai 1984 - 2 A 100/83 - ≪a.a.O.≫). Daher bewertet z.B. auch das Bundesarbeitsgericht ein privatrechtliches Dienstverhältnis eines Lehrers von weniger als der Hälfte des vollen Stundendeputats als Arbeitsverhältnis (Urteil vom 14. Januar 1982 - 2 AZR 254/81 - ≪BAGE 37, 305≫). Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrlGG läßt die von der Revision vertretene und auch in dem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 5. Mai 1978 (GMBl. 312) enthaltene einschränkende Interpretation des Inhalts, daß ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis nur vorliegt, wenn es mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit umfaßt, nicht zu.
Dieser dem Wortlaut nach eindeutige Wille des Gesetzgebers wird im übrigen auch durch einen Vergleich mit der Parallelvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung - SZG - in der Fassung vom 23. Mai 1975 (BGBl. I S. 1238) bestätigt. Nach dieser Vorschrift ist für den Anspruch aus diesem Gesetz unter anderem Voraussetzung, daß der Anspruchsberechtigte seit dem ersten allgemeinen freien Tag des Monats Oktober ununterbrochen in einem "hauptberuflichen Dienst- oder Arbeitsverhältnis" gestanden hat. § 3 Abs. 1 Nr. 2 SZG und § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrlGG stimmen insoweit mit Ausnahme des Wortes "hauptberuflich" wörtlich überein. Wenn aber der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrlGG (im Jahre 1977) in Kenntnis der Parallelvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 SZG (des Jahres 1975) auf das Tatbestandsmerkmal "hauptberuflich" verzichtet hat, so bestätigt dies, daß im Urlaubsgeldgesetz alle Arbeitsverhältnisse gemeint waren. Das Urlaubsgeld ist ein Besoldungsbestandteil besonderer Art, der dem Zweck dient, dem Beamten im Urlaub einen (allerdings nur geringfügig) besseren Lebenszuschnitt zu ermöglichen bzw. einen Teil der für eine Ferienreise aufzuwendenden Kosten abzudecken. Der Urlaubsgeldgewährung liegt somit eine fürsorgerische, sozialpolitische Zielsetzung zugrunde (vgl. Isensee, Die Besoldung der Beamten, Richter und Soldaten, Vorbem. zu § 1 UrlGG). Im Hinblick auf diese sozialpolitische Zielsetzung und die Bedarfssituation macht es keinen Unterschied, ob der Beamte vor seiner Einstellung 20 Stunden je Woche oder weniger im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn tätig gewesen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 543777 |
NJW 1989, 1687-1688 (LT) |
DokBer B 1988, 323-325 (LT) |
USK, 88154 (ST) |
ZBR 1989, 174 |
ZBR 1989, 174-175 (LT) |
ZTR 1989, 87-88 (ST1) |
DÖD 1989, 244-245 (LT) |
RiA 1989, 186-187 (LT) |
Schütz BeamtR ES/C I 5, Nr 2 (L) |
VR 1989, 318 (K) |