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BGH Beschluss vom 08.02.2007 - IX ZB 88/06

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagungsgründe für Restschuldbefreiung. Ermittlung von Versagungsgründen von Amts wegen

Leitsatz (amtlich)

Das Insolvenzgericht darf die Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung nicht von Amts wegen auf andere als die vom Antragsteller geltend gemachten Versagungsgründe stützen.

Normenkette

InsO § 296 Abs. 1 S. 1

Verfahrensgang

LG Stade (Beschluss vom 26.04.2006; Aktenzeichen 7 T 205/05)

AG Tostedt (Beschluss vom 29.09.2005; Aktenzeichen 19 IN 77/02)

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 08.03.2012; Aktenzeichen IX ZB 70/10)

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Schuldnerin werden der Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Stade vom 26.4.2006 und der Beschluss des AG Tostedt vom 29.9.2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das AG zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 5.000 EUR.

Gründe

I.

[1] Mit Beschluss vom 16.3.2004 ist der Schuldnerin unter der Voraussetzung, dass sie während der Laufzeit der Abtretungserklärung (Wohlverhaltensperiode) die Obliegenheiten gem. § 295 InsO erfüllt, die Restschuldbefreiung angekündigt worden. Zugleich ist ihr mitgeteilt worden, während der Wohlverhaltensperiode, die, gerechnet ab dem 1.7.2002, sechs Jahre betrage, gingen die pfändbaren Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge nach Maßgabe der Abtretungserklärung auf den Treuhänder über. Mit Beschluss vom 31.3.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin aufgehoben.

[2] Unter dem 8.7.2005 haben die weiteren Beteiligten als Insolvenzgläubiger beantragt, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung gem. § 296 InsO zu versagen. Zur Begründung haben sie darauf hingewiesen, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin "ihre Einnahmen ordnungsgemäß an den Treuhänder abgetreten" habe. Sie sei im April 2005 als Maklerin aufgetreten und habe insoweit 2.100 EUR vereinnahmt. Diese Einnahmen habe sie dem Treuhänder gewiss nicht offenbart. Der dazu angehörte Treuhänder hat mitgeteilt, er habe von der Schuldnerin bislang keinerlei Auskünfte über ihre Einkommensverhältnisse erhalten; eine Obliegenheitsverletzung liege auch insoweit vor, als die Schuldnerin eine Änderung ihrer Anschrift nicht angegeben habe.

[3] Unter Bezugnahme auf den Bericht des Treuhänders hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung versagt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG durch Beschluss vom 26.4.2006 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Schuldnerin habe dem Treuhänder ihren Wohnsitzwechsel nicht angezeigt. Darin liege eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

[4] Das Rechtsmittel ist statthaft (§§ 6, 7, 289 Abs. 2 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Es ist auch in der Sache begründet.

[5] 1. Nach § 296 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 InsO rechtfertigt ein Verstoß gegen eine der in § 295 InsO aufgeführten Obliegenheiten die Versagung der Restschuldbefreiung nur, wenn dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wird. Deren Schlechterstellung muss konkret messbar sein; eine bloße Gefährdung der Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger reicht nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 5.4.2006 - IX ZB 50/05, BGHReport 2006, 995 = MDR 2006, 1255 = NZI 2006, 413). Weder das AG noch das LG als Beschwerdegericht haben Feststellungen dazu getroffen, dass die Schuldnerin durch die vom Tatrichter angenommene Obliegenheitsverletzung (Unterlassung der unverzüglichen Anzeige des Wechsels ihres Wohnsitzes) die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt habe.

[6] 2. Darüber hinaus setzt die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 InsO einen entsprechenden Antrag eines Insolvenzgläubigers voraus. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Antragsteller hatten ihren Versagungsantrag nicht auf den vom Beschwerdegericht angenommenen Versagungsgrund gestützt. Sie hatten vielmehr allein darauf abgehoben, die Schuldnerin habe nicht alle Einkünfte dem Treuhänder angezeigt. Dass sie den Antrag später erweitert hätten, ist nicht ersichtlich.

[7] Etwas Derartiges ergibt sich insb. nicht aus dem Schriftsatz der weiteren Beteiligten vom 4.10.2005. Dieser ist erst nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung eingegangen. Ob die Erweiterung des Antrags in der Beschwerdeinstanz überhaupt noch möglich gewesen wäre, kann dahinstehen. Jedenfalls enthält der Schriftsatz keine ausdrückliche Erweiterung des Antrags. Es heißt darin nur, "aus dem Schreiben des Insolvenzverwalters ... (ergebe sich), dass die Schuldnerin ihren Obliegenheiten nicht nachgekommen" sei. "Insofern ... (sei) die Restschuldbefreiung zu versagen". Eine Auslegung dieser Äußerungen im Sinne einer Antragserweiterung verbietet sich, weil der Antrag in seinem erweiterten Teil unzulässig wäre. Ein zulässiger Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung während der Laufzeit der Abtretungserklärung setzt voraus, dass der Insolvenzgläubiger nicht nur die Obliegenheitsverletzung des Schuldners, sondern auch eine darauf beruhende Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger glaubhaft macht (BGH, Beschl. v. 5.4.2006a.a.O.). Dazu enthält der Schriftsatz der weiteren Beteiligten nichts. Dass diese einen unzulässigen Antrag stellen wollten, ist nicht anzunehmen.

[8] Von Amts wegen darf das Gericht das Versagungsverfahren nicht auf andere Versagungsgründe erstrecken (MünchKomm/InsO/Stephan, § 296 Rz. 4; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl., § 296 Rz. 3; FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl., § 296 Rz. 17; Landfermann in HK/InsO, 4. Aufl., § 296 Rz. 8; a.A. Kübler/Prütting/Wenzel, § 296 Rz. 7). Das Verfahren auf Versagung der Restschuldbefreiung unterliegt der Gläubigerautonomie. Der Treuhänder hat kein eigenes Antragsrecht. Es ist deswegen unerheblich, dass dieser im vorliegenden Fall das Insolvenzgericht auf die Nichtanzeige des Wohnungswechsels als - vermeintlich - weiteren Versagungsgrund aufmerksam gemacht hat, solange dies von keinem Gläubiger in zulässiger Form aufgegriffen wird.

III.

[9] Die Beschwerdeentscheidung ist somit aufzuheben, desgleichen die Ausgangsentscheidung des AG. Die Sache ist an das AG zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO; wegen der Möglichkeit der Zurückverweisung in die erste Instanz vgl. BGHZ 160, 176, 185; BGH, Beschl. v. 4.11.2004 - IX ZB 70/03, BGHReport 2005, 405 = MDR 2005, 415 = NZI 2005, 45, 46), weil in beiden Vorinstanzen nicht über den von den weiteren Beteiligten gestellten Antrag, wegen der unterlassenen Offenlegung und Abführung von Einnahmen die Restschuldbefreiung zu versagen, entschieden worden ist. Das AG hat zwar in seiner Entscheidung auch darauf hingewiesen, die Schuldnerin sei gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO verpflichtet, keine von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge und kein von der Nr. 2 erfasstes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen entsprechende Auskünfte zu erteilen. Indes hat das AG hinzugefügt, die Schuldnerin habe das Unterlassen der Umzugsmitteilung selbst eingeräumt und die weiteren Beteiligten hätten "aus diesem Grunde" zu Recht eine Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. Daraus lässt sich entnehmen, dass es die Versagung lediglich auf das Unterlassen der Umzugsmitteilung hat stützen wollen.

[10] An dem in der ersten Instanz fortzusetzenden Verfahren sind die Antragsteller zu beteiligen, was das Beschwerdegericht unterlassen hat.

Fundstellen

  • Haufe-Index 1708605
  • BGHR 2007, 526
  • WM 2007, 661
  • WuB 2007, 463
  • ZAP 2007, 450
  • DZWir 2007, 258
  • FMP 2007, 32
  • MDR 2007, 858
  • NZI 2007, 297
  • Rpfleger 2007, 340
  • VuR 2008, 439
  • ZInsO 2007, 322
  • RENOpraxis 2007, 76

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