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BFH Urteil vom 27.03.1981 - VI R 132/78

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Leitsatz (amtlich)

1. Überläßt eine inländische Kapitalgesellschaft ihren Arbeitnehmern unentgeltlich Aktien ihrer ausländischen Muttergesellschaft, so liegt bei den begünstigten Arbeitnehmern ein Sachbezug vor, der nach § 8 Abs. 2 EStG 1969 mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusetzen ist.

2. Haben die Aktien einen Börsenkurs, so ist dieser als üblicher Mittelpreis des Verbrauchsorts maßgebend. Ein Abschlag wegen eines geringen Ertrags der Aktien ist dann nicht vorzunehmen.

 

Normenkette

EStG 1969 § 8 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Tochtergesellschaft der amerikanischen Aktiengesellschaft X. Sie überließ in den Jahren 1970 und 1971 Aktien ihrer Muttergesellschaft unentgeltlich an einige ihrer Mitarbeiter. Die Aktien waren an amerikanischen Börsen notiert. Die jährliche Dividende betrug 0, 5 v. H. Die Aktienüberlassung war mit der Auflage verbunden, daß die Aktien innerhalb von 10 Jahren nicht veräußert werden durften. Die Verletzung dieser Veräußerungssperre war mit keinen Sanktionen bedroht. Im Hinblick auf die Veräußerungssperre und die geringen Dividenden bewertete die Klägerin die Überlassung der Aktien als lohnsteuerpflichtigen Sachbezug mit einem Abschlag von 41, 5 v H. Dies teilte sie den begünstigten Arbeitnehmern mit. Sie wies diese ferner daraufhin, daß sie bei einer vorzeitigen Veräußerung mit einer Nachversteuerung des Abschlags rechnen müßten.

Das damals zuständige Finanzamt (FA) S führte Ende 1972 bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung durch. Diese führte zu einer durch Haftungsbescheid festgesetzten Lohnsteuernachforderung, die u. a. darauf beruhte, daß das FA S die zugewendeten Aktien mit dem Kurswert ansetzte, also den von der Klägerin vorgenommenen Abschlag von 41, 5 v. H. (bei 30 v. H. Steuer) der Lohnsteuer unterwarf.

Einspruch und Klage hiergegen hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führt aus: Die zugewendeten Aktien seien lohnsteuerpflichtige Sachbezüge. Sie seien mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes, also danach zu bewerten, was der begünstigte Arbeitnehmer aufwenden müsse, um den Sachbezug zu erhalten. Das sei im Streitfall der Börsenkurswert der bezogenen Aktien. Ein Bewertungsabschlag wegen der geringen Dividenden sei nicht gerechtfertigt, weil dieser Umstand im Kurswert seinen Ausdruck finde. Auch die Veräußerungssperre rechtfertige keinen Bewertungsabschlag, denn die begünstigten Arbeitnehmer könnten die Aktien jederzeit veräußern oder verpfänden. Eine Veräußerungssperre bestehe also objektiv nicht.

Mit der Revision wird die unrichtige Anwendung des § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1969 (heute § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG) und des § 3 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) gerügt. Die Klägerin meint, für Aktien einer ausländischen Gesellschaft, die einer zehnjährigen Veräußerungssperre unterlagen, gebe es keinen üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts. Die Aktien müßten daher nach § 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem gemeinen Wert bewertet werden. Der gemeine Wert einer Aktie sei in der Regel der Kurswert. Das gelte jedoch nicht, wenn Aktien mit ungleichen Rechten ausgestattet seien. Mit einer Veräußerungssperre belegte Aktien seien anders zu bewerten als Aktien, über die der Anteilseigner jederzeit verfügen könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA B) und das FG haben die Aktien, die die Klägerin ihren Mitarbeitern unentgeltlich überlassen hat, zutreffend mit dem Börsenkurswert dieser Aktien bewertet.

Die Zuwendungen der Aktien sind bei den betreffenden Mitarbeitern der Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 EStG) in der Form von Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Sachbezüge). Sachbezüge sind als Einnahmen im Rahmen der Nichtgewinneinkünfte (§ 2 Abs. 3 Nrn. 4 bis 7 EStG 1969) mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusetzen (§ 8 Abs. 2 EStG 1969).

Eine Bewertung der überlassenen Aktien nach § 9 BewG bzw. in sinngemäßer Anwendung des § 12 BewG kommt entgegen der Auffassung der Revision nicht in Betracht. Die in den §§ 9 und 12 BewG enthaltenen Bestimmungen gehören zu den allgemeinen Bewertungsvorschriften. Diese gelten nicht, soweit in anderen Steuergesetzen besondere Bewertungsvorschriften enthalten sind (§ 1 Abs. 2 BewG). § 8 Abs. 2 EStG 1969 ist eine solche besondere Bewertungsvorschrift.

Der für die Bewertung der Aktien maßgebende übliche Mittelpreis am Verbrauchsort ist ein objektiver Wert. Er bestimmt sich nach dem Betrag, den ein Fremder für Güter gleicher Art im allgemeinen Verkehr unter gewöhnlichen Verhältnissen hätte aufwenden müssen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Oktober 1974 VI R 249/71, BFHE 114, 56, BStBl II 1975, 182; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 8 EStG Anm. 21; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 8 Anm. 2 Nr. 3; Blümich/Falk/Uelner/Haas Einkommensteuer, 11. Aufl., § 8 Anm. 6a; Klein/Flockermann/Kühr, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 8 Anm. 4c). Da die Aktien, die die Klägerin einigen Mitarbeitern zugewendet hat, an amerikanischen Börsen notiert waren, hätte ein Fremder für diese Aktien im allgemeinen Verkehr unter gewöhnlichen Verhältnissen den Kurswert der Aktien aufwenden müssen, um sie zu erlangen. Die Tatsache, daß einem Fremden außerdem Anschaffungsnebenkosten entstanden wären, kann hier unberücksichtigt bleiben. Die Berücksichtigung dieser Tatsache würde zu einer höheren Steuerbelastung führen. Dem steht das Verböserungsverbot entgegen.

Daß die Aktien nicht an einer deutschen Börse notiert waren, steht ihrer Bewertung mit dem Börsenkurswert nicht entgegen, denn auch an ausländischen Börsen notierte Aktien können an jedem Ort der Bundesrepublik Deutschland zu dem an der ausländischen Börse notierten Kurswert erworben werden. Aus diesem Grund geht auch der Einwand der Klägerin fehl, für die ihren Mitarbeitern zugewendeten Aktien habe es keinen üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts gegeben. Anscheinend geht die Klägerin bei dieser Auffassung davon aus, daß sich der Mittelpreis unmittelbar am Verbrauchsort bilden müsse, daß also laufend vergleichbare Geschäfte am Verbrauchsort abgeschlossen werden müßten. Das ist nicht zutreffend, wie sich schon aus der vorstehend wiedergegebenen Auslegung des Begriffs "üblicher Mittelpreis des Verbrauchsorts" ergibt. Im Rahmen der Bewertung der Aktien mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts ist weder ein Abschlag wegen einer Veräußerungssperre noch ein Abschlag wegen geringen Zinsertrags vorzunehmen.

Der Veräußerungssperre kann keine Bedeutung i. S. einer Wertminderung der Aktien unter den Börsenkurswert beigemessen werden, weil das FG festgestellt hat, daß trotz der eingegangenen Verpflichtung eine Veräußerungssperre objektiv nicht bestand. An diese Feststellung ist der Senat gebunden, da keine zulässige und begründete Revisionsrüge erhoben worden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Ein Wertabschlag wegen geringer Erträge der überlassenen Aktien kann schon deshalb nicht vorgenommen werden, weil sich die Höhe von Aktienerträgen regelmäßig in den Börsenkursen niederschlägt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413619

BStBl II 1981, 577

BFHE 1981, 206

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